Spiele im Dreck von Rio – im Schutzanzug in der Cloake schwimmen

Ein Umweltdesaster voll Müll und gefährlicher Keime: Heute beginnen die Olympischen Spiele in Rio, doch die Gewässer sind „nicht olympiareif". Die Guanabara-Bucht ist eine der schmutzigsten der Welt. In wenigen Tagen findet der Wettbewerb da statt, wo Menschen und Tiere längst ums Überleben kämpfen ...
Titelbild
Hier finden demnächst die olympischen Segelwettbewerbe statt. Guanabara Bay am 2. August 2016.Foto: Mario Tama/Getty Images
Epoch Times5. August 2016

Heute Abend ist die Eröffnungsfeier für die Olympischen Spiele in Rio – ein Ereignis, an das viele Hoffnungen geknüpft waren. Eine davon ist schon jetzt begraben: Die Vorbereitung auf das Sportevent wurden nicht genutzt, um die Wasserverschmutzung in der Bucht von Rio in den Griff zu bekommen. Brasiliens Regierung hat nur Kosmetik betrieben. Dabei hatte man sich um die Spiele beworben, um sie als Anlass für Umweltschutzmaßnahmen zu nehmen.

3,6 Milliarden Euro wurden für den Umweltschutz angekündigt. Tatsächlich sollen nur rund 150 Millionen Euro genutzt worden sein, schreibt heute der Focus. Die Regierung hatte zwar ein großes Säuberungsprogramm angekündigt: „Clean Guanabara“ beinhaltete zwölf Schritte, um die große Bucht vor Rio zu reinigen. Nun versucht man schnell, mit Spezialreinigungsbooten den Müll abzufischen und die Wasserqualität zu verbessern. Rohren sollen außerdem verhindern, dass ungeklärtes Abwasser an den Startpunkt der Segelstrecke fließt.

RIO DE JANEIRO, BRAZIL: A helicopter surveys the oil-drilling platform P-36 of the Brazilian state-owned oil company "Petrobras" as it arrives on board a freighter in the Guanabara Bay in Rio de Janeiro 19 November 1999 after sailing past the landmark Sugar Loaf(L). The 354-million USD P-36, which was built in Canada and at 35-story-high and 35,000 tons is considered the world's biggest platform, will be manned by 300 workers and is expected to extract 120,000 barrels a day. Un helicoptero sobrevuela la plataforma petrolera P-36 de la estatal del crudo brasilena Petrobras cuando esta llega a la bahia de Guanabara en Rio de Janeiro, Brasil, el 19 de Noviembre de 1999, luego de cruzar frente al morro (cerro) Pan de Azucar. La plataforma petrolera mas grande del mundo, de 35 pisos de altura y con un peso de 35.000 toneladas, construida por una constructora de Levis, cerca de Quebec, Canada, tendra 300 operarios, podra operar en una profundidad de mas de 2.000 mts. y producira unos 120.000 barriles de petroleo por dia. La plataforma esta evaluada en 354 Millones de dolares americanos. (ELECTRONIC IMAGE) AFP PHOTO Antonio SCORZA (Photo credit should read ANTONIO SCORZA/AFP/Getty Images)

Ölbohr-Plattform in der Guanabara-Bucht. Foto: ANTONIO SCORZA/AFP/Getty Images

Sergio Ricardo, 48, Umweltschützer und Aktivist, erklärte im Deutschlandfunk:

Die Verseuchung der Bucht hat verschiedene Quellen. Eine davon ist das Industriegebiet in der Bucht. Das hier ist das zweitgrößte Industriegebiet ganz Brasiliens. Zweitgrößte Verschmutzungsquelle ist das Abwasser von 10 Millionen Menschen, das täglich fast ungeklärt über angrenzende Flüsse in die Bucht fließt. Und zusätzlich wird sehr viel Müll angeschwemmt.“

Gemeint sind 813 Tonnen loser Müll, der täglich in die Bucht geleitet wird, dazu 18.000 Liter Abwasser pro Sekunde, wie die Heinrich-Böll-Stiftung berechnete. Sie stammen von Haushalten, Armensiedlungen und Krankenhäusern.

Es gibt viel zu wenige Kläranlagen in Brasiliens Metropole und auch keine flächendeckende Kanalisation: Allein vier Millionen Menschen leben in Gebieten, die selten an ein Abwassersystem angeschlossen sind und wo demzufolge katastrophale hygienische Bedingungen herrschen. Die Kindersterblichkeit in den Favelas ist bis zu 24 Prozent. Hepatitis A ist weit verbreitet. Die stillgelegte Müllkippe Gramacho, einst größte Müllkippe Lateinamerikas, sondert Gifte ab über einen Ausfluss, der direkt in die Bucht führt.

Hinzu kommen Abwässer von 12.000 Industrieanlagen. Auch Erdöl- und zugehörige Industrien sind darunter.

Die Auswirkung eines Unfalls beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras ist noch zu spüren. Im Jahr 2000 brach bei Ölförderungen in der Bucht eine Pipeline, 1,3 Millionen Liter Öl flossen ins Wasser. Es war eine der größten Umweltkatastrophen Brasiliens. Seitdem brach der Fischfang um 90 Prozent ein, berichtet Deutschlandfunk. Immer wieder kommt es zu plötzlichen und dramatischen Fischsterben.

Zu 60 Prozent gereinigt?

80 Prozent der Bucht zu reinigen, war ein Ziel, dass sich die Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro vor den Spielen steckte. Nun wurde das Ziel auf das Jahr 2018 verschoben und es wird offiziell erklärt, man habe bereits eine Klärung von 60 Prozent erreicht. Anwohner und Fischer bezweifeln das. Dass es in diesem Wasser überhaupt noch Lebewesen gibt, ist einem 40 bis 60 Meter tiefen natürlichem Kanal zu verdanken, über den sauberes Atlantik-Wasser in die Bucht strömt.

Schwierig wird es in der Guanabara-Bucht vor allem bei Regen. Dann wird aus angrenzenden Stadtteilen und Favelas viel herein gespült, berichtete ntv. Plastikmüll, Fäkalien, tote Ratten und tote Hunde … Manchmal auch menschliche Leichen(teile), wie ein Fischer laut Focus der „New York Times“ erzählte.

<> on July 29, 2015 in Rio de Janeiro, Brazil.

Trotz Versprechen der Regierung hat sich an der Verschmutzung der Bucht von Rio nicht viel geändert. Foto: Matthew Stockman / Getty Images News

Dass die Segelwettbewerbe zu einer regenarmen Zeit am Eingang der Bucht stattfinden, wird das Schlimmste verhindern – und über das Ausmaß des Elends ein wenig hinwegtäuschen.

Resistente Keime

Viele Sportler sind über die Zustände empört – treten aber trotzdem in Rio an. Das Gesundheitsrisiko von Bakterien, Viren, Mikroorganismen und resistenten Keimen nehmen sie in Kauf, obwohl Wasserkontakt beim Segeln, Rudern und Paddeln kaum zu vermeiden ist.

Eine Analyse des Uniklinikums Schleswig-Holstein ergab 2014 bei Wasserproben aus dem Segelrevier: Alle untersuchten Proben seien getrübt gewesen. Der Bericht sprach von „grünlicher Farbe“ und „faulig-jauchigem Geruch“. Eine erhöhte Anzahl an Enterokokken (Bakterien, die Infektionen auslösen können) wurde festgestellt, sowie deutlich erhöhte Werte für Ammonium, Phosphat und Chlorid. Auch jüngere Tests liefern verheerende Ergebnisse, so Spiegel Online.

Sportler kommen trotzdem

Im vergangenen Jahr zog sich der deutsche Segler Erik Heil bei einer Regatta in Rio eine Infektion mit multiresistenten Keimen zu. Seine Entzündungen an Beinen und Hüften mussten ausgeschabt werden. Er mahnte die Verantwortlichen, sie sollten „alles in ihrer Macht Stehende für eine Säuberung der Gewässer unternehmen.“

Trotz der schlechten Erfahrung tritt der 26-Jährige jetzt wieder dort an – das Risiko nehme er in Kauf. „Wir spülen uns häufiger mit Wasser ab, damit nichts an kaputte Hautstellen gerät“, sagt er.

Und Heiko Kröger, paralympischer Goldmedaillengewinner von 2000, erklärt: „Die medizinische Versorgung im Vorfeld ist sehr umfassend. Wir haben alles an Impfungen bekommen, was man machen kann. Vor Ort werden wir darauf aufpassen, kein Wasser ins Gesicht oder in den Mund zu bekommen.“

Das US-Ruderteam hat sich auf das Schmutzwasser mit speziell angefertigten nahtlosen Anzügen aus antimikrobiellen Material vorbereitet.

An dieser Stelle wird ein Video von Youtube angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um das Video anzusehen.

Umweltaktivisten wurden ermordet

Wie viele Einheimische aufgrund von Bakterien und Schmutzwasser ihr Leben verlieren, kann man nur ahnen.

Der Spiegel berichtete noch ein denkwürdiges Detail:

Seit 2009 wurden mehrere engagierte Fischer ermordet, die sich gegen die Verschmutzung und die Omnipräsenz der Erdölindustrie einsetzten: Einer von ihnen wurde vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder erschossen. Der Sprecher ihrer Vereinigung „Ahomar“ überlebte bereits mehrere Anschläge. Er wurde in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. (rf)

Siehe auch:

Sechs Minuten Stille – Gestern, wie heute: Ein zwölfjähriges Mädchen spricht 1992 in Rio de Janeiro vor der UNO



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion