Spitzenkandidaten bei Europawahl sollen wieder abgeschafft werden

Die EU-Abgeordneten wollen das System der Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl auf Dauer etablieren und in einer Neufassung des Europawahl-Gesetzes festschreiben. Dieser Absicht widersetzen sich die Staats- und Regierungschefs.
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WahllokalFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times29. April 2016

Das ergibt sich aus Dokumenten, die der "Süddeutschen Zeitung" vorliegen. Das Modell war 2014 erstmals zum Einsatz kommen und hatte den Europawahlkampf belebt.

Die Idee: Die großen Parteien im Europäischen Parlament (EP) benennen einen Kandidaten, und wessen Partei bei der Europawahl die meisten Stimmen holt, soll dann auch Chef der EU-Kommission, also der europäischen "Exekutive" werden. Auf diese Weise wurde Jean-Claude Juncker gewählt, der Kandidat der Christdemokraten, trotz erheblichen Widerstands etwa von Bundeskanzlerin Angela Merkel oder dem britischen Premier David Cameron.

Die Europaabgeordneten wollen das System auf Dauer etablieren und in einer Neufassung des Europawahl-Gesetzes festschreiben. Dieser Absicht widersetzen sich die Staats- und Regierungschefs nun.

Hinter dem Plan stünden "alle bis auf eine" Regierung, steht in einem Bericht der niederländischen EU-Präsidentschaft. In den Hauptstädten werden rechtliche Argumente gesammelt, um den Plan des Europaparlaments zu stoppen. Gelingt das, blieben die Spitzenkandidaten eine einmalige Veranstaltung – und über den Kommissionschef würde wieder im Hinterzimmer entschieden.

"Die Spitzenkandidaten waren ein Meilenstein auf dem Weg zu echten europäischen Wahlen, bei denen die Bürger über Politiker und Programme auf der europäischen Ebene entscheiden können", sagt der sozialdemokratische Europaabgeordnete Jo Leinen. "Umso wichtiger wäre es, das bei der Wahl 2019 fortzusetzen."

Der Rechtsdienst des Rates, der Vertretung der Mitgliedstaaten in Brüssel, sieht das anders. Die Argumente des EP seien "nicht überzeugend", heißt es in einer Expertise. Zwar stehe im Lissabonner EU-Vertrag, der Europäische Rat müsse bei der Auswahl der Kandidaten das Ergebnis der Europawahl "berücksichtigen", außerdem "wähle" das EP den Kommissionschef und "bestätige" ihn nicht nur.

Doch bleibe dem Rat trotzdem ein "großer Ermessensspielraum". Notfalls müsse er deshalb einen Kandidaten vorschlagen dürfen, der nicht direkt dem politischen Kräfteverhältnis im EP entspreche. Außerdem sei die Entscheidung im EP gar keine Wahl im eigentlichen Sinn, bei der man unter mehreren Kandidaten entscheiden könnte.

Im europäischen Parlament reagiert man empört auf dieses Argument: In vielen Ländern schlügen der König oder der Präsident ihren Parlamenten ja auch nur einen einzigen Kandidaten als Regierungschef vor, heißt es dort.

Außerdem könne das Parlament ja immer auch Nein sagen zu dem Kandidaten, insofern sei das durchaus eine Wahl. "Es müsste einen Aufschrei in Europa geben", so der Abgeordnete Leinen. "Die Bürger sollen eines Instruments beraubt werden, das ihnen direkten Einfluss auf die europäische Exekutive gibt." (dts)



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