Streit um Justizreform in Polen: „Veröffentlicht das Urteil“

Die Helsinki-Stiftung für Menschenrechte warnte unterdessen vor den Auswirkungen einer Verfassungskrise auf die Rechtsstaatlichkeit in Polen. „Ich fürchte, nach dem schwärzesten Szenario werden wir es mit zwei Rechtssystemen zu tun haben“, sagte Danuta Przywara, die Leiterin der Stiftung.
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Mehrere Hundert demonstrierten vor der Regierungskanzlei in Warschau.Foto:  Jacek Turczyk/dpa
Epoch Times10. März 2016
Im Konflikt zwischen der nationalkonservativen polnischen Regierung und dem Verfassungsgericht um die Justizreform ist kein Kompromiss in Sicht.

Nachdem die Regierung das Urteil der Verfassungshüter, die Reform sei verfassungswidrig, nicht im Amtsblatt veröffentlichen will, warnen Juristen und Menschenrechtsgruppen vor einem Angriff auf das Rechtssystem. Am Abend demonstrierten mehrere Hundert Menschen vor der Regierungskanzlei von Beata Szydlo, um die Veröffentlichung des Urteils zu verlangen. Nur so kann das Urteil Gültigkeit erlangen.

„Es gibt nicht unser Recht und euer Recht, es gibt nur ein Recht!“ rief Mateusz Kijowski, der Gründer der Protestbewegung „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD). „Niemand steht über dem Recht“, skandierten Anhänger des Linksbündnisses „Razem“. Hunderte stellten Bilder des Urteils auf ihre Facebook-Seite.

Das Verfassungstribunal hatte das im Dezember verabschiedete Gesetz über die Arbeit des Verfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt. Mehrere Bestimmungen, etwa eine notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Entscheidungen der Richter und die Bearbeitung der Fälle nach Zeitpunkt des Eingangs, behindern dem Urteil zufolge die reibungslose Arbeit der Verfassungshüter.

Die Warschauer Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz sprach von einem „juristischen Staatsstreich“. „Bis gestern dachte ich, dass wir eine autoritäre Regierung haben“, sagte Gronkiewicz-Waltz am Donnerstag im Rundfunksender „Radio Zet“. „Seit gestern denke ich, dass es eine Diktatur ist“.

Die Helsinki-Stiftung für Menschenrechte warnte unterdessen vor den Auswirkungen einer Verfassungskrise auf die Rechtsstaatlichkeit in Polen. „Ich fürchte, nach dem schwärzesten Szenario werden wir es mit zwei Rechtssystemen zu tun haben“, sagte Danuta Przywara, die Leiterin der Stiftung, am Donnerstag in Warschau. Dann erkenne die Regierung und die ihr unterstehende Verwaltung die Entscheidung der Verfassungshüter nicht an, ein Teil des Gerichtswesen hingegen schon.

Am Freitag beschäftigt sich auch die Venedig-Kommission, ein Expertengremium des Europarats, mit dem Gesetz, das nach Meinung von Kritikern die Arbeit des Verfassungsgerichts lähmt.

(dpa)


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