Türkei: Wahlkampf im Ausnahmezustand

Das Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei erfolgt im Ausnahmezustand. Dieser wurde nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verhängt.
Titelbild
Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan in Deutschland.Foto: Adam Berry/Getty Images
Epoch Times11. April 2017

Das Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei erfolgt mitten im Ausnahmezustand, der nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verhängt worden war. Unter dem Notstand, der bereits zwei Mal verlängert wurde und noch bis nächste Woche läuft, sind Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Zudem kann Präsident Recep Tayyip Erdogan wichtige Fragen per Dekret entscheiden. Die Opposition sieht sich in vielen Bereichen benachteiligt.

VERSAMMLUNGSRECHT EINGESCHRÄNKT

Demonstrationen regierungskritischer Gruppen und Parteien werden seit dem Putschversuch nur noch in Ausnahmen genehmigt. Ungenehmigte Proteste werden regelmäßig mit Gewalt aufgelöst. Die Republikanische Volkspartei (CHP), die die Nein-Kampagne anführt, beklagt, dass unter Verweis auf den Notstand immer wieder Kundgebungen nicht genehmigt worden seien.

KRITISCHE MEDIEN AUSGESCHALTET

Seit dem Putschversuch sind mehr als 150 Zeitungen, Magazine sowie Radio- und Fernsehsender per Notstandsdekret geschlossen worden, tausende Journalisten haben ihren Job verloren. Betroffen sind besonders kurdische Medien und die Organe der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. 141 Journalisten sitzen in Haft, zumeist unter dem Vorwurf der „Terrorpropaganda“.

GLEICHBEHANDLUNG NICHT GARANTIERT

Vor Beginn des Wahlkampfs wurde per Dekret das Gebot aufgehoben, dass Fernsehsender alle Parteien gleich behandeln müssen. Die CHP kritisiert, dass ihre Kundgebungen kaum übertragen würden, während alle Auftritte von Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim live gesendet werden. Auch die OSZE-Beobachtermission beklagt eine einseitige Abdeckung des Wahlkampfs in den Medien.

PROKURDISCHE OPPOSITION MARGINALISIERT

Seit Anfang November sitzen rund ein Dutzend Abgeordnete der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Haft, darunter die Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Fiden Yüksekdag. Dutzende HDP-Bürgermeister wurden wegen angeblicher Kontakte zur PKK-Guerilla abgesetzt, hunderte Funktionäre und Mitglieder festgenommen.

ZEHNTAUSENDE REGIERUNGSKRITIKER ENTLASSEN

Seit dem Putschversuch wurden per Notstandsdekret mehr als 128.000 Staatsbedienstete entlassen oder suspendiert, nur 12.000 wurden wieder eingesetzt. Mehr als 47.000 wurden festgenommen. Neben Militär, Polizei, Justiz und den Ministerien sind auch Schulen und Universitäten betroffen. Kritiker beklagen ein Klima der Angst, in dem Kritik kaum noch möglich sei.

JUSTIZ BLOCKIERT

Allein in der Justiz wurden mehr als 4000 Richter und Staatsanwälte entlassen. Die vakanten Stellen wurden vielfach durch Referendare ohne die nötige Ausbildung oder Erfahrung besetzt. Das Verfassungsgericht hat sich für nicht zuständig erklärt für Notstandsdekrete, so dass der Klageweg gegen Maßnahmen unter dem Ausnahmezustand blockiert ist. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion