Ende der Demokratie – Sultanat in der Türkei: Türkisches Parlament billigt Erdogans Präsidialsystem

Trotz wütender Proteste gegen die Verfassungsreformen ist diese vom Parlament verabschiedet wurden. Juristen warnen: „Die Türkei wurde fast 600 Jahre lang mit solch einem System regiert. Wir haben in unserer Literatur einen Fachbegriff dafür: Das nennt sich Sultanat.“
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Pro-Erdogan Protest in der Türkei.Foto: Burak Kara/Getty Images
Epoch Times21. Januar 2017

Die von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Verfassungsreform für ein Präsidialsystem in der Türkei ist vom Parlament verabschiedet worden. In Kraft treten die Änderungen, wenn das Volk in einem Referendum zustimmt. Zu der Volksabstimmung, bei der nur noch eine einfache Mehrheit notwendig ist, soll es Ende März oder Anfang April kommen.

Für das von Erdogans AKP vorgelegte Reformpaket aus 18 Artikeln stimmten am frühen Samstagmorgen 339 Abgeordneten, 142 waren dagegen. Die notwendige Dreifünftelmehrheit von mindestens 330 Stimmen wurde auch mit Hilfe von Abgeordneten aus der ultranationalistischen Oppositionspartei MHP erzielt. Damit nahm die Reform ihre bislang wichtigste Hürde.

Während der fast zweiwöchigen Parlamentsdebatte über die Verfassungsänderungen kam es zu hitzigen Auseinandersetzungen und zu Schlägereien im Parlament.

Über die 18 Artikel wurde jeweils einzeln in zwei Lesungen abgestimmt. Sie alle erhielten – wie am Schluss auch das Gesamtpaket – die notwendige Dreifünftelmehrheit.

Anwaltskammer: Dieses Präsidialsystem ist ein Sultanat

Kurz vor Ende der Abstimmungen im Parlament über eine Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei hatte der Chef der türkischen Anwaltskammer vor einem Ende der Demokratie im Land gewarnt.

„Die Türkei wurde fast 600 Jahre lang mit solch einem System regiert“, sagte der Jurist Metin Feyzioglu in Ankara. „Wir haben in unserer Literatur einen Fachbegriff dafür: Das nennt sich Sultanat.“

Deutlich mehr Macht für Erdogan – bis 2034 Präsidentschaft möglich

Die Umsetzung der Verfassungsreform soll schrittweise erfolgen und bis Ende 2019 vollständig abgeschlossen sein.

Das Präsidialsystem würde Erdogan deutlich mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen. Der Präsident würde zugleich als Staats- und Regierungschef amtieren und könnte weitgehend per Dekret regieren. Sein Einfluss auf die Justiz würde weiter zunehmen.

Die Amtszeiten des Präsidenten wären zwar weiterhin auf zwei begrenzt, die Zählung würde unter dem neuen Präsidialsystem aber mit der für November 2019 geplanten Wahl neu beginnen.

Theoretisch könnte Erdogan durch eine Hintertür in den Verfassungsänderungen bis zum Jahr 2034 im Amt bleiben, wenn er die jeweiligen Wahlen gewinnt.

Das Präsidialsystem bringt der Türkei Stabilität – sagt Erdogan

Der Chef der kleinsten Oppositionspartei MHP, Devlet Bahceli, und weitere MHP-Abgeordnete unterstützten die Reform im Parlament. Die größte Oppositionspartei CHP und die pro-kurdische Oppositionspartei HDP sind dagegen strikt gegen das Präsidialsystem, weil sie eine Ein-Mann-Herrschaft befürchten.

Die HDP hatte angekündigt, sich aus Protest gegen die Inhaftierung ihrer Kollegen an den Abstimmungen zur Verfassungsreform nicht zu beteiligen.

Elf HDP-Parlamentarier sitzen seit November wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft, unter ihnen die Parteichefs Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag. Sie waren damit von der Debatte ausgeschlossen.

Besonders Demirtas hatte immer wieder deutlich gemacht, dass er das Präsidialsystem verhindern wolle. (dpa)



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