EU „in keinem guten Zustand“: Verfassungsgerichts-Präsidenten warnen vor Verfall der Demokratie in Europa

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Voßkuhle, sieht die Europäische Union "in keinem guten Zustand". In dieser Lage müssten die Verfassungsgerichte helfen, die Rechtsgemeinschaft wieder zu stärken.
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EuropaflaggeFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times21. Oktober 2016

Die Verfassungsgerichts-Präsidenten Deutschlands und Frankreichs haben vor einem Verfall der Demokratie in Europa gewarnt. In einem Doppelinterview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (Wochenendausgabe) und „Le Monde“ zeigten sich Andreas Voßkuhle und Laurent Fabius vor allem alarmiert über die Entwicklung in Polen und Ungarn.

„Natürlich sind wir besorgt über das, was dort passiert“, sagte der frühere französische Premier- und Außenminister Fabius, der dem französischen Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) vorsteht. „Wer die Befugnisse eines Verfassungsgerichts einschränkt, wie das in Polen der Fall ist, der greift den Kern des Rechtsstaats an.“

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Voßkuhle, sieht die Europäische Union „in keinem guten Zustand“. In dieser Lage müssten die Verfassungsgerichte helfen, die Rechtsgemeinschaft wieder zu stärken. Der Umgang der Regierung in Warschau mit dem polnischen Verfassungsgericht sei „ein Irrweg für Europa und damit auch für Polen“, warnte Voßkuhle. Wo es keine wirksame Opposition, freie Wahlen und starke Presse gebe, könne Demokratie nicht gedeihen.

Das von der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dominierte polnische Parlament hatte im Dezember eine Justizreform verabschiedet, die das Verfassungsgericht erheblich schwächt. Die EU-Kommission leitet Mitte Januar gegen Polen erstmals überhaupt eine Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat ein. Brüssel wirft der Warschauer Regierung vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und seine Beschlüsse missachtet zu haben.

Voßkuhle und Fabius warnten zugleich vor einem nachsichtigen Umgang der EU mit Großbritannien bei den Verhandlungen über den Brexit. Das Land könne nicht gleichzeitig drinnen und draußen sein, sagte Fabius. Voßkuhle forderte, der Austritt müsse „für Großbritannien Konsequenzen haben“. Wer die Privilegien der EU in Anspruch nehme, müsse deren Lasten mittragen.

Sorge bereitet den Verfassungsexperten auch die Beschränkung von Grundrechten im Kampf gegen den Terror. Voßkuhle sagte, Verfassungsgerichte seien nicht dazu da, den Sicherheitsbehörden eine Blankovollmacht zu geben. „In solchen Zeiten ist es gerade für Verfassungsgerichte sehr wichtig, unabhängig und furchtlos zu urteilen.“. Fabius warnte: „Wer die Freiheitsrechte im Namen angeblicher Effizienz knebelt, läuft Gefahr, das Spiel der Terroristen zu spielen.“ (afp)



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