West African Journal: Sich selbst schlecht verkaufen

Das während der kolonialen Vergangenheit entstandene Stigma lastet noch immer auf Ghanas Kultur und den traditionellen Waren. Was für eine Schande.
Titelbild
(Zoë Ackah/ET)

KUMASI, Ghana. Ich weiß, dass ihr euch alle fragt, was ich euch aus Afrika mitbringen werde.

Es war nicht leicht, das perfekte Mitbringsel für alle Freunde und Verwandte zu finden, oder gar für jeden Leser.

Zuerst folgte ich einfach meinem eigenen Rat und kaufte jeder Freundin ein gut quadratmetergroßes Stück Stoff. Stellt euch meine Überraschung vor, als ich herausfand, dass die Mehrheit „afrikanischer Stoffe“ eigentlich „made in China“ sind.

„Warum sollte ich etwas aus China kaufen als Reisesouvenir aus Ghana?“ fragte ich die Stoffverkäuferin auf dem größten Markt. „Aber die Qualität ist gut.“ antwortete sie mir ohne zu erwähnen, dass die chinesischen Drucke auch nur die Hälfte derer von Ghana Textile kosten. Ich nahm trotzdem den letzteren.

Selbstverständlich hatte ich es immer abgelehnt, die Hochqualitätsstoffe zu kaufen, die „Hollandaise“ und „Holland Wax“ heißen. (Die besten afrikanischen Drucke werden natürlich in Holland hergestellt). Warum würde ich Kolonialismus unterstützen? Wie naiv ich doch war. Später fand ich heraus, dass Ghana Textile eine Tochtergesellschaft der holländischen Vlisco ist. So langsam wurde mir übel.

Also beschloss ich, ein paar Stücke vom billigen Togo Stoff zu erstehen, den die Verkäufer auf ihren Köpfen balancieren. Ghanaer gehen ins Nachbarland Togo um Stoff zu kaufen. Irgendwie nahm ich an, dass die Menschen in Togo ihre Textilien immer noch selbst herstellten. Wie naiv ich doch war. Später fand ich heraus, dass die Togo Stoffe illegal nach Ghana gebracht werden. Warum das? Es geht um eine Art Patentrechtsstreit.

Afrikanisches Textil-Design ist nämlich eine hart umkämpfte Branche. Sobald ein Design sich in Ghana gut verkauft, nimmt jemand ein Stück davon mit nach China, um es billig zu kopieren und davon meterweise zu produzieren – zum halben Preis. Es ist also nicht nur Hollywood, das unter chinesischen Patentsrechtsverletzungen zu leiden hat. Sie sind nur die einzigen, die sich eine Horde Anwälte und PR-Profis leisten können.

An diesem Punkt fühlte ich mich bereits richtig schlecht. Dann passierte es.

Ich hatte mich auf dem Marktplatz verirrt, ein Erlebnis, dass von den zehn Mal, die es mir passierte vielleicht acht mal angenehm war. Irgendwie kam ich an der Ecke vorbei, in der „Kente“ Weber vom Land ihre Ware anbieten.

„Kente“ ist ein handgewobener Stoff aus Ghana. Er wird in kleinen Streifen gewebt, die dann zu einem einzigen Stoff zusammengenäht werden. Kente gibt es in hunderten verschiedener Muster, die alle eigene Namen haben. Dieses wunderschöne Textil gehört zu den bedeutensten Nationalsymbolen Ghanas. Bunt, kunstvoll, detailreich gefertigt und von bester Qualität lockten die Stoffe dieser winzigen Gasse des Marktes Händler von der Elfenbeinküste bis nach Nigeria an.

Ich suchte mir 30 Stücke aus – oder eigentlich Enden. Jedes ist anders und hat genau die richtige Größe für einen Unisex Schal. Die neusten Kente-Style sind in leuchtend Pink und Türkis. Das Stück, das ich mir gekauft habe und das das billigste war, ist mindestens 50 Jahre alt und nennt sich „Jemand könnte sich dir leicht in den Weg stellen“. Es erinnert mich daran, dass ich niemanden mir meinen Lebensweg versperren lassen will! Ich komme mir wie ein Schmuggler vor, der ein kleines Stück von Ghanas wertvollem kulturellen Erbe davonträgt. Wenn nur jemand auf die Idee kommen würde, meine Tasche auf antiken Kente zu untersuchen und mich zu einem Bußgeld zu verurteilen! Ghanaer, denkt darüber nach.

Zoe Ackah, Korrespondentin der kanadischen Epoch Times, schreibt und fotografiert aus Ghana. (Zoë Ackah/ET)
Zoe Ackah, Korrespondentin der kanadischen Epoch Times, schreibt und fotografiert aus Ghana. (Zoë Ackah/ET)

Böse Perlen

Nachdem ich es geschafft hatte, Neokolonialismus zu vermeiden, auch wenn nur vorübergehend, entschloss ich mich, ein anderes Ghanaisches kulturelles Grundprodukt zu erstehen: Perlen. Massenhaft gibt es sie in allen Farben aus Herstellung vor Ort. Während ich mich durch die Perlen-Gasse kämpfe, stoße ich auf einen Laden mit einer unendlichen Vielfalt. Ich suche mir ein paar Ketten örtlicher Produktion sowie Bauchbänder aus, die Frauen hier um ihre Taille tragen. Sie sind aus buntem Glas, manche weich, andere rau.

Für mich selbst suche ich die allerbesten aus. Die teuersten sind sehr alt und wurden in Italien, Holland, England oder Deutschland hergestellt. Diese Perlenketten wurden gehandelt. Ich höre die ganze Geschichte von Bawa, einem Händler, der seinen Perlenstand am Markt von seiner Mutter übernommen hat.

Ihr müsst wissen, traditionelle afrikanische Perlen sind tonartig, braun und einfach. Es waren die Europäer, die bunte Porzellanketten für den Handel ins Land brachten. Diese Perlen gibt es in allen Varianten und man kann sie immer noch kaufen, obwohl manche von ihnen bereits 200 oder 300 Jahre alt sind.

Dies sind die Perlen, die für Gold, Salz und Menschen eingetauscht wurden. Diese Perlen begleiteten die Pocken-verseuchten Decken und die schäbigen Landverträge, die beinahe Nordamerikas ursprüngliche Bevölkerung ausrotteten. Ich habe meine für 7$ erstanden. Etwas, das unermessliches menschliches Leiden gekostet hat, kann so billig sein.

Auf der Suche nach Stücken ghanaischer Kultur stieß ich auf Überbleibsel der unseren – und sie waren vernichtend.

Etwas genauer hingeschaut

Diese traditionellen Sandalen sind handgefertigt und angepasst. Ich habe mir für 7$ ein Paar gekauft, aber die meisten Leute tragen mittlerweile 1$ Flip Flops aus China. Wirklich schade, denn meine halten mehr als nur sieben Mal länger. (Zoë Ackah/ET)Diese traditionellen Sandalen sind handgefertigt und angepasst. Ich habe mir für 7$ ein Paar gekauft, aber die meisten Leute tragen mittlerweile 1$ Flip Flops aus China. Wirklich schade, denn meine halten mehr als nur sieben Mal länger. (Zoë Ackah/ET)

Vielleicht fragte sich mancher, warum keine Fotos von runzeligen Perlenverkäufern, silberhaarigen Kente Händlern oder übergewichtigen Textilienkioskbesitzern die Seite zieren. Die Antwort ist: Ich konnte es nicht über mich bringen. Irgendwie wäre es die Vergegenständlichung eines Volks gewesen, das schon oft genug als „exotisch“, „spektakulär“ oder „eigenartig“ herzuhalten hatte. In Holland auf Reisebericht hätte ich einfacher meine Kamera unter die Nase von Einheimischen halten und „Schweizer Käse!“ rufen können, weil die Geschichte eben anders ist. Holländer und Schweizer waren nie unsere Sklaven. Die westliche Welt genießt eigentlich immer noch, was die Sklaverei und Unterwerfung Afrikas uns gebracht hat.

Kolonialmächte hatten hunderte von Jahren Zeit, das Selbstbewusstsein dieses Kontinents zu zerstören. Wir bemühten uns, afrikanische Kultur lächerlich zu machen und bis an den Rand ihrer Existenz zu bringen, so dass Menschen hier oft heute noch sich selbst und was sie repräsentiert mit einem Anflug von Minderwertigkeitsbewusstsein malen. Es gibt wenig oder kaum Bewunderung – wenn man einmal vom kleinen Kreis der Intellektuellen absieht – für die kulturellen Errungenschaften, die dieses Land zusammenhalten. Und selbst die Intellektuellen haben Sisyphos-gleich schwer zu kämpfen.

Traditionelle Musik und Tanz hier werden als Gegenstück zur Kirche verstanden und deswegen als böse (trotz Status als UNESCO Weltkulturerbe). Kente tragen ist etwas für Ältere. Ein Ladenbesitzer versuchte mich zu überzeugen, dass ein paar Perlen, die eindeutig aus Ghana stammten, in London hergestellt wurden – die Annahme war, dass Ghanaische Produkte billig und zweitklassig waren. Die wunderschönen, vor Ort angefertigten schwarzen Ledersandalen tragen alle den Stempel „Made in Italy“ oder gar „Made in China“.

Während ich meinen Abschied von Ghana vorbereite, stimmt es mich traurig, dass so vieles, was ich an diesem Land zu schätzen und zu lieben gelernt habe, gerade von denjenigen, die seine eifrigsten Beschützer sein sollten, unter Beschuss genommen wird. Hier gibt es einfach viel zu viel Schätzens- und Schützenswertes. Genauso wie wir letztendlich eine Teilschuld daran tragen, dass diese wundervolle Kultur abgewertet wurde, haben wir auch eine Verantwortung dafür, dass sie am Leben bleibt.

Darum lade ich euch alle ein, Ghana zu besuchen und eure Touristen-Dollars mitzubringen. Ihr werdet mehr lernen, als ihr euch vorstellen könnt und ihr werdet sicherlich eine wundervolle Zeit verbringen.

Zoë Ackah von der kanadischen Epoch Times hat ein Jahr im ländlichen Ghana verbracht. Während der letzten drei Monate hat sie ihre Gedanken und Erlebnisse in der Wochenzeitung „West African Journal“ veröffentlicht. Mehr dazu gibt es auf www.TheEpochTimes.com. Nächste Woche schreibt Zoë ihre letzte Kolumne vor ihrer Rückkehr nach Kanada.

(Zoë Ackah/ET)
(Zoë Ackah/ET)


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