Côte D’Azur – Das französische Abenteuer

Von 5. April 2006

Die Franzosen entlang der Côte d‘Azur scheinen eine unkluge Sippschaft zu sein. Sie essen gut, kleiden sich chic, sprechen gewandt, aber sobald Le Soleil ihren Kopf rausstreckt laufen sie zum Stand, streifen ihre Tangas ab und bleiben narkotisch unbeweglich, indem sie sich stundenlang in Mikrowellentemperaturen braten lassen. Nur wenige wagen es sich ins kühle Nass zu bewegen. Es macht den Anschein, dass sich die meisten erst vom „Braten“ zurückzuziehen, wenn sie Hunger haben oder etwas auf ihrem Körper nach Verbranntem riecht. Die Objekte, die ich hier sammle, sehen wie ein abgetragener brauner Ledersack aus.

Nizza

Meine erste Taufe mit dem Französisch hatte ich als ich ein Zeitschriftenkiosk in Nizza betrat und annahm, dass ich in einem durchaus verständlichen Französisch fragte: „Avez-vous de leau, s‘il vous plait?“ Ich betonte das Wort Wasser „low“. Die Verkäuferin schaute mich verdutzt an als hätte ich den Ruf eines brünstigen Elchs nachgeahmt. Sie wandte sich an ihren Ehemann und redete in einem wörtlichen Staccato. Aber er erwiderte ihr auf typisch gallische Manier mit einem ahnungslosen Achselzucken. Nach mehreren vergeblichen Versuchen zeigte ich es pantomimisch. „Ah, leau!“, keuchte sie mit einem groben Ausruf. „Sie sind Kanadier, nicht?“ Die beiden sprechen wahrscheinlich fließend Englisch, aber sie genossen es meine französische Grammatik zu korrigieren. Sie lachten über meinen Akzent und gingen weiter. Ich hatte keine Wahl als davonzuschleichen mit einem Gemurmel: „Aber das ist ja das, was ich gesagt habe.“

Wenn es noch ein Leben nach dem Tod gibt, würde ich als eine Palme entlang der Promenade des Anglais wiedergeboren werden wollen, die den Baie des Anges umarmt. Dieser Fußweg gibt einen Ausblick frei, wovon man nie genug bekommt. Sehr wenig veränderte sich hier, jedoch bewegt sich alles. Seit über 200 Jahren sind die offensichtlichsten Veränderungen die Kleider, die die Leute tragen und die Zunahme des Verkehrsstaus. Eigentlich sieht alles wie ein sich ständig bewegender Parkplatz aus. Prächtige Belle-Epoque-Hotels mit Rokoko-Fassaden und Zuckerwattekuppeln stehen entlang der Promenade wie Debütantinnen, widerspiegeln eine unvergleichlich zeitlose Eleganz. Victor Hugo ist eine der schönsten Alleen, eine ruhige, von Bäumen gesäumte Prachtstrasse. Die Blätter werfen poetisch eine Rhapsodie von Schatten und Mustern auf die beige gefärbten kaiserlichen Gebäude. Auf jedem Gebäude steht noch ein altes anmutiges Gesicht mit symmetrischen französischen Fenstern, mit heimlich gezeichneten Vorhängen und arabesken eisernen Balkonen. Ein Bild, das die Gegenwart willkommen heißt, aber die Vergangenheit nie vergisst. In der Nacht werden die Strassen zu Lichtbändern, während offene Cafés sich mit Musik, Geplapper, Gläsergeklirre, überschwänglichen Begrüßungen und spöttischen Protesten, Entschuldigungen und Flirten füllen – die typisch französische Konversation.

Die französische Riviera

Rue de France, eine Fußgängergasse, umschmeichelt unverschämt den Touristen-Euro. Trotzdem hat sie eine unmissverständliche lebendige Energie. In den Cafés wirbeln Kellner mit Moustache umher, die Sie „avec Panache“ bedienen, wobei die anstrengendste Aufgabe die Auswahl des Rosé ist. Als fünft-größte Stadt Frankreichs ist Nizza wohlhabend, jedoch nicht mit Monaco vergleichbar und nicht so eine Laissez-Faire-Stadt wie St. Tropez oder so glanzvoll wie Cannes. Nizza, die inoffizielle Hauptstadt der Côte d‘Azur, ist das, was die Italiener als La Nonna (die Mutter) bezeichnen.

Es lohnt sich zum Fischmarkt zu gehen nur um zu gucken, was im Mittelmeer alles gefangen wird. Selbstverständlich sind Meeresfrüchte hier eine Spezialität, aber die besten Gerichte erhalten Sie, wenn Sie nach Norden in die maritimen Alpen, wie in den Ort Castellane, reisen.

St. Tropez

Wenn Nizza die Hauptstadt der Côte d‘Azur ist, dann ist St. Tropez die verbotene Frucht. Die französische Autorin, Colette, hatte geschrieben „die Herrschaft der Farbe Blau, die anderswo nur ein Traum ist“. An der Riviera ist das Leben selbst ein Décolleté – ein Lebensstil, der sich in einer lässigen Gangart auflöst. Farbenfreudige Café-Markisen blühen wie ein Hibiskus. Der kleine Meereshafen ist überfüllt mit Galerien und Cafés, die Preise wie in Paris verlangen. Leider hat das Paradies seinen Preis – die Popularität. Touristen werden von ungezwungener Luxusware, der tropischen Schönheit und dem wahllosen Geschmack von K unterbuntem angezogen. Aber erwarten Sie nicht, Berühmtheiten zu sehen. Die Bardots sind wie Evakuierte, die hinter hohen Hecken, eisernen Toren oder auf opulenten Yachten geschützt sind.

Die Strände sind eher ein einfarbiges Gelände wie Sandpapier; harter, verkrusteter Sand, der mit trockenem Staub und gebrochenem Felsen gesprenkelt ist – kaum die begeisterte Zuflucht. Setzen Sie sich einfach unter eine Café-Markise und schauen Sie gemütlich zu wie die Welt vor Ihnen vorbeizieht. Verweilen Sie bei Moules, Pommes Frites, frischem Obst, Käse, Baguette und Wein aus der Region. Eine einstudierte eingebildete Eleganz nimmt überhand: Verliebte umarmen sich wie zwei festgemachte Boote. Der Ort sendet einen Hauch von weißer Hose, Spaghettiträgern, Espadrillen und ein gewisses „catch-me-if-youcan“- Flair hinter jedem Blick aus. Die Stadt ist eine zwittrige Figur, die deutlich die Aufmerksamkeit von beiden Geschlechtern mit einer erotisch geladenen Heiterkeit genießt.

St. Tropez ist keine Sündenstadt, sie stellt eher einen Flirt mit dem Leben dar. Die Architektur ist eine Aufstellung von über Jahrhunderte salzgewaschenen, pastellfarbigen Gebäuden, die ineinander verschachtelt sind. Die Monokultur des Tourismus nimmt etwas von seinem verführerischen Glanz sowie die Menschenmenge entlang der Hafenfront. Dieses Sinnesfestmahl Wird von ständig klimatisierten Reisebussen attackiert, die vorbeifahrende Autos auf den Straßen schikanieren. Je tiefer man jedoch in das alte Viertel vordringt, tritt man auf ein eher entspanntes, bodenständiges St. Tropez.

Cannes

Cannes ist der Dom Perignon der Côte d‘Azur. Cannes verkörpert Untertriebenen Luxus. Die Lokale sehen auf eine hochmütige Art und Weise bezaubernd aus. Die Frauen, groß und ausgemergelt, werden entweder von einem Spielzeugpudel, einer Louis- Vit ton-Ha ndtasche oder einem Mercedes-Ben zu begleitet. Der Ort ist ein Tonikum von Sonne und Geld-Elixier. Minzefarbige Belle-Époque-Gebäude stehen entlang der La Croisette. Während den Internationalen Filmfestspielen posieren Obenohne- Modelle am Strand vor leuchtenden Glühlampen und stolzieren wie kichernde Nixen, die gerade das Laufen entdeckt haben. Jeder will während des Festivals erkannt werden und die Promenade verwandelt sich in eine Modeparade.

Während des Festivals ist es praktisch verboten, die Medien-Epiphanie auszuschalten oder zu anzuzweifeln, und was schockierend beginnt wird bald zu Routine und Ritual. Nachdem der zweiwöchige Zirkus und der Karneval der Schauspieler vorüber ist, nimmt die Stadt wieder ihre normale Gangart ein.

Monaco

Somerset Maugham hat dieses Fürstentum als Schnupftabakdose in der Größe von „370 sonnige Morgen, bevölkert mit schattigen Charakteren“ beschrieben. Die Geschichte von Monaco hört sich an wie ein Gesindel-Ahnenbaum: Das Land wurde vom Grimaldi-Clan, einer Genueser Familie (Plagiatoren), um 1297 in Besitz genommen. 1793 gehörte Monaco zu Frankreich. Dennoch hat der Grimaldi-Clan es 1814 zurückerobert und mit unbestreitbarem Geschick regiert.

Wenn Aristoteles Onassis, der Hauptaktionär des Société des Bains de Mer das Sagen gehabt hätte, wäre Monaco eine auf eine elitäre Enklave für Superreiche beschränkt worden. Jedoch öffnete Prinz Rainer als kluger Kapitalist die Himmelstore von Monaco für Touristen und Spieler. Es wurde zum ausschließlichen Sandkasten für den Jet Set, doch die Steueroasensouveränität gewährte nur 4.000 Anwerbern die Staatsbürgerschaft in den letzten 15 Jahren, obwohl es eine Bevölkerung von 30.000 Einwohnern gibt, die in eindeutiger Sicherheit leben. Pro Bürger gibt es fast je eine versteckte Überwachungskamera. Diskretion ist die Nachsicht von Monaco. Eine Berühmtheit hier zu sichten ist ungefähr so selten wie ein Einbruch in die Kasino-Bank.

Damals, 1973, als ich entlang dem Boulevard Albert schlenderte, hatte es einen Aschenputtel-ähnlichen Charme. Weiße, bienenwabenförmige Wohnungen sprenkelten den Berghang. Der Hafen war klein, nicht in der Größe der Yachten, die sich wie vorstädtische Bungalows breit machen.

Dieses Meer von weißem und sandpapierfarbigem Betondurcheinander kann bei den einen den Eindruck erwecken, als sei die Landschaft dadurch entstellt worden, andere haben das Gefühl, dass der Glanz mit Prinzessin Grace gestorben sei. Aber Monaco erzeugt noch immer einen glühenden Reiz und eine Kultiviertheit, wie sie nur noch wenige andere Orte bieten. Die riesigen Gebäude stellen einen stilvollen Wohlstand dar, während das Fürstentum jetzt ins Mittelmeer hinauswächst – die einzigen übrig gebliebenen Möglichkeiten Immobilien aufzubauen. Die Einnahmen von diesen Konstruktionen sind sogar höher als diejenigen des Spielkasinos. Ungeachtet dessen sind es immer noch Spielkasino, Fürstentum und Formel 1, die Millionen von Touristen jedes Jahr zu diesem gestaltlosen Juwel anlocken.

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