DFB-Präsident Zwanziger über Realitäten in der Medienberichterstattung

Ungleichgewicht der Wahrnehmung
Titelbild
DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger (Foto: Thomas Langer/Bongarts/Getty Images)
Von 18. Dezember 2007

In den letzten Monaten kam es in den unteren Ligen wieder vereinzelt zu Ausschreitungen im Umfeld von Fußballspielen. Selbstverständlich muss auch über solche Vorkommnisse berichtet werden. Trotzdem scheint es aber ein großes Ungleichgewicht in der öffentlichen Wahrnehmung zwischen diesen Vorkommnissen einerseits und den vielen tausend Fußballspielen, welche Woche für Woche reibungslos ablaufen, zu geben. Nur allzu selten wird über die verantwortungsvolle Arbeit der Fanprojekte, der Fanbetreuer und der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter berichtet, die mit ihrer Arbeit zur Deeskalation zwischen den Fangruppen und auch allgemein zum guten Ablauf der Fußballspiele beitragen.

Als ein positives Beispiel, wie verschiedenartig strukturierte Fangruppen auch miteinander umgehen können, kann das Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Carl Zeiss Jena im vergangenen Monat stellvertretend genannt werden. Bei diesem Spiel hatten sich einige Fans beider Lager zu einem Treffen vor und nach dem Spiel verabredet. Durch die gute Kooperation und enge Zusammenarbeit der Fanprojekte von Borussia und dem FC Carl Zeiss konnte es schließlich den Fans aus beiden Lagern ermöglicht werden, sich am Spieltag im Fanhaus von Borussia Mönchengladbach zu treffen, über ihre Vereine zu reden und gemeinsam zu feiern. Vorangegangen waren viele Gespräche der Fanbeauftragten mit den verschiedensten Gruppierungen innerhalb der jeweiligen Fanszene, um Vorurteile auch bezüglich einer „Ost-West-Sensibilität“ abzubauen.

Die Epoch Times Deutschland sprach mit Dr. Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), über diese Thema:

ETD: Herr Dr. Zwanziger, ist in den Chefetagen des DFB eigentlich bekannt, welche wertvolle Arbeit die Fanbeauftragten und die vielen Ehrenamtlichen in den Fanprojekten Woche für Woche leisten?

Ja, es ist bei uns sehr wohl bekannt. Außerdem sitze ich regelmäßig mit den Mitarbeitern von Fanprojekten und Fanvertretern zusammen. Daher weiß ich auch, dass zwischen Mönchengladbach und Jena eine sehr innige Verbindung besteht. Außerdem sind diese beiden Fanprojekte auch zwei Top-Fanprojekte in Deutschland, die ich auch beide selbst schon besucht habe.

In der Tat versuchen wir vom DFB auch die Fanarbeit zu stärken, weil die Fanorganisationen und Fanprojekte nicht nur das Gefühl haben sollen, dass die Verantwortlichen der DFL und des DFB genau wissen, wer letztendlich auch für den reibungslosen Betrieb im Stadion mit verantwortlich ist. Der regelmäßige Austausch und die Gespräche mit den Fangruppen geben uns selbst auch immer wieder die Chance, über das, was man entwickelt hat, nachzudenken, denn nicht alles, was wir uns klug ausdenken, reflektiert auch wirklich das Ganze. Deswegen sind diese Dialoge mit den Fanvertretern unverzichtbar, wenn man zu guten Ergebnissen kommen will.

ETD: Gerade im Hinblick auf das nicht immer spannungsfreie „Ost-WestVerhältnis“ in manchen Stadien scheint in Jena und in Mönchengladbach durch die Arbeit mit den Fans etwas erreicht worden zu sein, was der großen Politik noch nicht immer in allen Punkten so gut gelungen ist…

Ja, ich versuche der großen Politik auch immer wieder zu sagen, dass sie den Fußball nutzen und nicht zerstören soll, wie es ja leider auch schon geschehen ist. Ich bin manchmal auch nicht glücklich, wenn ich so sehe, was zum Beispiel in NRW mit dem Geld zur Unterstützung des Sports passiert. Der Sport ist schließlich die Möglichkeit, Millionen von Menschen zusammen zu bringen. Wenn man dem Sport, und damit meine ich insbesondere die vielen Tausend Ehrenamtlichen, die immer Woche für Woche im Einsatz sind, das notwendige Wissen vermittelt, damit verantwortlich umzugehen, dann leistet man wirklich einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft.

Ich bin ein Mensch, der nicht eigensinnig denkt, dass der Fußball der Nabel der Welt ist, aber ich bin der festen Überzeugung, dass man über den Fußball helfen kann – und hiermit meine ich auch den Sport insgesamt – Begegnungen zu ermöglichen und über diese Begegnungen zu einem vernünftigen Miteinander zu kommen. Es gibt nichts Idealeres. Manchmal habe ich das Gefühl, dass in der Politik so mancher nur an seine eigene Schublade denkt und meint, diese seine Schublade sei nur die einzig wichtige. Dabei vergisst er dann ganz, einmal darüber nachzudenken, wie er mit seiner Schublade dazu beitragen könnte, aus all den ganzen Schubladen einen gemeinsamen großen Schrank zu bauen.

ETD: Warum findet es Ihrer Meinung nach in den Medien nicht so viel Beachtung, dass jedes Wochenende die vielen Ehrenamtlichen und die Fanprojekte helfen, den Besuch eines Fußballspiels zu einer schönen Sache werden zu lassen – wenn aber einmal ein Fan eine Fackel hochhält, stürzen sich die Medien darauf…

Ich will gar nicht auf die Medien schimpfen, denn das wäre jetzt völlig falsch; die Medien berichten nun einmal über das, was die Leute sehen und hören wollen. Es ist nun leider einmal so: Es ist eben etwas anderes, wenn der Mann den Hund beißt, als wenn der Hund den Mann beißt. Diese Schlagzeilen sind halt für die Menschen interessanter und werden nun einmal viel lieber entgegen genommen. Jeder schimpft auf diese Schlagzeilen; das ist genauso wie beim Lotto-Jackpot: Jeder schreit, warum soviel Geld für Einen – es wär doch viel einfacher, wenn jeder eine Million gewinnen könnte. Aber das ist für die Menschen eben interessanter; das ist die Sensation, das Spannende, das Außergewöhnliche und das ist es nun einmal, was von den Menschen viel lieber gelesen wird. Deswegen habe ich mir schon längst abgewöhnt, zu sagen, die Medien müssen anders werden. Es gibt auch viele Medien, die über die gute Arbeit der Fanprojekte und Ehrenamtlichen berichten – aber wenn sie ihre Zeitungen verkaufen wollen, müssen sie auch irgendwann einmal wieder über das berichten, was die Leute dann doch auch sehr gern mal hören und lesen wollen. Schauen Sie mal: Da hat eine Ehe 60 Jahre bestanden, alle Höhen und Tiefen hat sie durchlebt, aber es nützt ja nichts – auf der ersten Seite der Zeitung steht dann aber doch die Scheidung – aber was will man machen, das ist eben unser Leben.

ETD: Vielen Dank, Herr Dr. Zwanziger.



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