Löw hält Spannung hoch – „Dann kriegst du es um die Ohren“

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Joachim Löw steht mit seinem Team vor der ersten wahren EM-Bewährungsprobe.Foto: Arne Dedert/dpa
Epoch Times27. Juni 2016
Nur keine verfrühte Euphorie. Joachim Löw schaltete nach dem souveränen Viertelfinal-Einzug in Lille schnell auf Alltag um und ließ sein Personal 16 Stunden nach dem Abpfiff schon wieder am Genfer See trainieren.

Champions-League-Sieger Toni Kroos wollte von einer titelreifen Leistung der deutschen Fußball-Nationalelf beim lockeren 3:0 gegen einen überforderten Gegner nichts wissen. „Das ist nach einem Achtelfinale gegen die Slowakei noch nicht seriös einzuschätzen“, sagte der Star von Real Madrid. „Wir haben es so gemacht, wie wir es machen mussten.“

Der EM-Masterplan von Supervisor Löw geht in Frankreich bisher mit einer erstaunlichen Präzision auf. Alle personellen und taktischen Entscheidungen des Chefs sitzen. Und auch Löws Crew um eine erstklassige medizinische Abteilung bekommt alles genau so hin, dass immer mehr Parallelen zur triumphalen WM vor zwei Jahren in Brasilien gezogen werden. Der weiter gegentorfreie Weltmeister sieht sich bereit für die erste wahre EM-Bewährungsprobe am Samstag in Bordeau gegen einen ganz Großen – Italien oder Spanien.

„Ja, nach diesem Spiel müssen wir selbstbewusst sein. Wir sind gut drauf, müssen das aber im nächsten Spiel umsetzen und durchziehen“, betonte Jérôme Boateng. Gerade genesen von einer Wadenblessur darf sich der 27-Jährige jetzt auch im DFB-Trikot Torschütze nennen.

Andere Protagonisten wie der wiedererstarkte Torjäger Mario Gomez wiesen als Warnung lieber auf die EURO 2012 als auf die WM 2014 hin. „Wenn du im Viertelfinale oder Halbfinale ausscheidest, bringt dir es alles nichts, gut drauf zu sein. Dann kriegst du es um die Ohren“, erklärte jener Angreifer, der nun mit fünf Toren gemeinsam mit Jürgen Klinsmann die deutsche EM-Torjägerliste anführt.

Gomez und auch Löw haben natürlich noch den Halbfinal-Schock von Warschau gegen Italien im Kopf, als Löw schon als Trainergott und das Team als programmierter Europameister gefeiert worden war. Auch deshalb hält der Bundestrainer nach der durchaus beeindruckenden Vorstellung von Lille die Spannung hoch. In strengem Ton forderte er: „Wir müssen auf jeden Fall noch stärker werden, wenn wir ein entscheidendes Wort mitreden wollen. Die ersten Mannschaften, gegen die wir gespielt haben bei der EM, zählen nicht zu den Top Ten.“

Das wird sich nun in den Duellen gegen Titelverteidiger Spanien oder Turnierangstgegner Italien ändern. „Nein“, sagte Löw zwar, „schlaflose Nächte habe ich nicht.“ Aber als Bundestrainer hat der 56 Jahre alte Tüftler eben in einem Turnier auch noch nicht gegen diese beiden Topnationen ein Spiel gewonnen. „Wir dürfen uns keine Unaufmerksamkeiten leisten. In den nächsten Spielen wird das eher ausgenutzt. Man muss auch besser mit den kostbaren Chancen umgehen.“

Gegen die Slowakei musste das DFB-Team eigentlich weit mehr Tore schießen als die von Boateng, Gomez und vom plötzlich zum „Mann des Spiels“ aufgestiegenen Julian Draxler. Der mit 22 Jahren noch immer recht junge Wolfsburger war von Löw überraschend vom Ersatzspieler zurück in die erste Elf befördert worden und drehte kräftig auf. „Julian Draxler hatte das letzte Mal eine Pause bekommen, jetzt war er frisch. Das hat dem Spiel gutgetan“, unterstrich Löw. WM-Finalheld Mario Götze saß erstmals in Frankreich 90 Minuten auf der Bank.

„Ich habe gut trainiert, ich habe Gas gegeben. Aber der Bundestrainer lässt sich nicht gerne in die Karten schauen, ob man spielt oder nicht spielt“, beschrieb Draxler die Löw’sche Führungsmethode. Draxler hat sich mit seinen „Zauberfüßen“ (Gomez) im Duell mit Götze einen Vorteil erspielt. „Er hatte den Mut, in die Eins-zu-eins-Situationen zu gehen mit seinem Tempo. Das zweite Tor hat er klasse vorbereitet. Das dritte selbst gemacht“, lobte Löw.

Auf eine nun gefundene Turnier-Elf will sich der Weltmeistercoach nicht festlegen. „Ich weiß nicht, ob ich die Mannschaft habe. Es kann sein, dass ich gegen Spanien oder Italien vielleicht den einen oder anderen Wechsel vornehmen“, verkündete Löw. Götze glaubt noch an seine Chance. „Vielleicht kitzelt das noch die letzten Prozente aus mir raus. Das kann so oder so ausgehen“, sagte der 24-Jährige.

Turnierkapitän Manuel Neuer, als erster deutscher Torwart in den ersten vier Spielen einer EM unbezwungen, sieht in der defensiven Stabilität und in Löws Umgang mit dem kompletten Personal die Voraussetzung für den Weg ins Finale am 10. Juli in Paris. „Es ist wichtig bei so einem Turnier, dass jeder Spieler auch weiß, dass er gebraucht wird“, sagte der Münchner Ausnahme-Torwart.

Im Achtelfinale bekam auch Oldie Lukas Podolski bei seinem siebten Turnier die ersten Einsatzminuten. Er genoss diese bis weit nach dem Schlusspfiff mit seinen Fans in vollen Zügen. Kapitän Bastian Schweinsteiger durfte noch eine knappe Viertelstunde auf dem Platz mitwirken und bleibt Ersatzkraft. Es sei schwierig für ihn, bemerkte der Kapitän: „Es ist nicht so, dass ich mal eine Halbzeit gespielt habe. Vom Rhythmus her ist es vielleicht nicht ganz ideal.“

Gut möglich, dass für den 31-jährigen Podolski sein 129. Länderspiel schon das letzte Turnierspiel gewesen ist. Als Außenminister teilte er der in EM-Laune kommenden Fangemeinde in der Heimat aber noch eine Botschaft mit: „Wir haben noch nichts erreicht. Wir wollen Europameister werden. Wir sind im Viertelfinale und nicht mehr.“

(dpa)

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