Überraschungen im Machtspiel in China

Titelbild
Chinesische paramilitärische Polizei patrouilliert im Jahr 2009 schwer bewaffnet in Pekings Straßen.Foto: Feng Li/Getty Images
Von 2. April 2012

Telenovelas mit ihren langen Erzählsträngen und großem Handlungsbogen sind besonders beliebt in China. Die längste, aber langweiligste Telenovela in China sei die tägliche Abendschau von CCTV, dem chinesischen Staatsfernsehsender, scherzen viele chinesische Blogger im Internet. Alle zehn Jahre werden die Dauer-Protagonisten, in diesem Fall die Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros der KPCh ein einziges Mal ausgetauscht. Wie in einer echten Telenovela wird der selten vorkommende Personalwechsel mit großer Aufmerksamkeit von den Zuschauern verfolgt.

Parteichef überraschend abgesetzt

Die Einschaltquote der Abendschau ist seit Anfang März, insbesondere nachdem der Parteichef der Millionenstadt Chongqing, Bo Xilai, am 14. März abgesetzt wurde, deutlich gestiegen. „Die Zuschauer warten eifrig auf die tägliche Abendschau, um genau zu verfolgen, welcher hochrangige Kader im Fernsehen erschienen ist und welcher nicht“, kommentiert ein Blogger in seinem Miniblog im chinesischen Nachrichtenportal Sina.

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Tatsächlich verrät die starr aufgebaute Abendschau vom CCTV mit langweiligen Meldungen über die Tätigkeiten der Spitzenpolitiker in China vieles über den politischen Kampf hinter den Mauern, so wie es am 9. März wieder der Fall war. An diesem Tag lud die Delegation der Stadt Chongqing ohne Vorankündigung die Medienvertreter zu einer Pressekonferenz ein, wo der bis dahin noch amtierende Parteichef Bo Xilai zum ersten Mal Stellung zu seinem Ex-Polizeichef Wang Lijun nahm, der im Februar anscheinend aus Angst vor Bos Rache Zuflucht im amerikanischen Konsulat in Chengdu gesucht hatte.

Vor den Kameras nutzte Bo noch die Gelegenheit, seine starke Verbindung zu einem mächtigen politischen Organ Chinas publik zu machen. Der Erfolg des Kampfes gegen die Korruption und Verbrechen in Chongqing sei ein Ergebnis der Zusammenarbeit der Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Gerichte, der Justiz und der Staatssicherheit unter der Leitung der ZK-Kommission für Politik und Recht.

Jiang Zemin als Drahtzieher

Dieser Satz verrät die Tatsache, dass die ZK-Kommission für Politik und Recht eine ungeheure Machtfülle in ihren Händen vereint. Sie steht über der Staatsanwaltschaft, über den Gerichten, über dem Geheimdienst, sie kontrolliert die 1.5 Millionen Mann starke paramilitärische Polizei und hinzu kommen die 1.7 Millionen Mann normale Polizei. An ihrer Spitze steht Zhou Yongkang, Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der KPCh, ein enger Vertrauter des ehemalige chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin.

Schaut man auf das Diagramm dieser Kommission, wird einem ziemlich schnell klar, wer das Land fest im Griff hat und wie abhängig die chinesische Justiz ist. Neben dem Minister für Öffentliche Sicherheit Meng Jianzhu als stellvertretender Sekretär, stehen der Präsident des Obersten Gerichthofs, der Präsident der Obersten Staatsanwaltschaft, der Minister für die Staatssicherheit, der Justizminister und der Kommandant der paramilitärischen Polizei als Mitglieder der Kommission unter dem als „Geheimdienstzar“ bekannten Zhou Yongkang.

Die Außenwelt hat bisher der ZK-Kommission für Politik und Recht keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Dieses Parteiorgan wurde in Jahre 1980 gegründet und im Mai 1988 aufgelöst. Erst nach dem Tiananmen-Massaker vom 4. Juni 1989 wurde sie im Jahre 1990 wieder aufgebaut.

Überraschungen im chinesischen Machtspiel

Zu der Zeit verspürte die Partei den Bedarf, das Land noch strenger kontrollieren zu müssen. Mit der Gründung von Zweigstellen in jeder Provinz, jeder Region und jeder Kreisstadt wächst die ZK-Kommission für Politik und Recht als ein provinzübergreifender Apparat. Eine ihrer Hauptaufgaben ist, für die Sicherheit und Stabilität im Sinne der Ein-Partei-Herrschaft in China zu sorgen.

Ein Feldzug länger als unter Mao

Aus Neid und Angst vor ihrer in Zehnermillionen anwachsenden Anzahl, ordnete der ehemalige chinesische Präsident Jiang Zemin am 20. Juli 1999 die Verfolgung gegen die Meditationsbewegung Falun Gong an. Dafür wurde das inzwischen berüchtigte Büro 610 eingerichtet, das mit der ZK-Kommission für Politik und Recht „in Gemeinschaft arbeitet“, was bedeutet: Dasselbe Team mit zwei unterschiedlichen Aushängeschildern.

Die ZK-Kommission für Politik und Recht agiert seitdem wie ein privates Ausführungsorgan für Jiang, der dafür sorgte, dass dieser Killer-Apparat mit reichlichen finanziellen Mitteln ausgestattet wurde. Die Macht der Kommission wuchs in den letzten 12 Jahren von Tag zu Tag. Aus den Berichten, die Geheimdienst und Sicherheitskräfte für ihn anfertigen, ist der Sekretär der Kommission am besten informiert über die Lage im Lande, genauso wie über seine politischen Gegner.

Ein Deal zum Machterhalt

Als Jiang Zemin im Jahre 2002 die Altersgrenze von 68 Jahren erreicht hatte und die politische Bühne verlassen musste, stellte er als Bedingung für seinen Rücktritt, dass Luo Gan, der damalige Chef der Kommission für Politik und Recht, der derzeit schon 67 war, einen Platz im Ständigen Ausschuss des Politbüros der KPCh bekommen musste. Mit diesem Deal ist die Anzahl der Mitglieder des ständigen Ausschusses des Politbüros von sieben auf neun angewachsen.

Die Macht der Kommission für Politik und Recht hatte damit die höchste politische Ebene Chinas erreicht, sodass sie als die 2. Parteizentrale im Volksmund bezeichnet wird. Sie stellt bis jetzt die große Herausforderung für den jetzigen Staatspräsidenten Hu Jintao und Premierminister Wen Jiabao dar. Im Jahr 2007 wurde Luo Gan von Zhou Yongkang, dem ehemaligen Minister für die öffentliche Sicherheit abgelöst.

Ende der 1. Episode

Aufgrund seiner Machtposition ist der Chefposten der Kommission für Politik und Recht stark umkämpft. Wenige Monate zuvor wurde Bo Xilai noch als Nachfolger für Zhou Yongkang gehandelt. Mit seinem kometenartigen Fall vom politischen Himmel in China, ist die 1. Episode der politischen Telenovela in diesem Jahr beendet.

Die 2. Episode wurde mit einer vom Staatspräsidenten Hu Jintao – kurz nach der Absetzung von Bo Xilai – einberufenen Schulung für die 3.300 Vorsitzenden der verschiedenen Zweigstellen der ZK-Kommission für Politik und Recht begonnen. Die erste Schulung begann am 26. März, als Hu zum Atomgipfel in Südkorea reiste. Vermutlich war das eine Sicherheitsmaßnahme von Hu, den Kern von Zhou Yongkangs Machtapprat unter seine eigene Kontrolle zu stellen.

Bis zum Oktober dieses Jahres, im dem die Führung Chinas ausgewechselt wird, werden noch viele Karten neu gemischt. Die nächste Episode der politischen Telenovela in China ist sicherlich mit noch mehr spannenden Inhalten zu erwarten. Wir werden berichten.

 



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