Chinesischer Diktator denkt über Sterblichkeit nach

Jiang Zemin versucht, Verantwortung für die Verfolgung von Falun Gong von sich zu weisen, während das Ende der Partei sich abzeichnet
Titelbild
Historisches Foto: 25. April 1999, Falun Gong als Bittsteller vor dem Pekinger Regierungsviertel Zhongnanhai.Foto: DJY
Von 3. März 2011

Nach Aussage eines Artikels, der im Februar in Hong Kong veröffentlicht wurde, denkt Chinas ehemaliger höchster Führer über die Zeit nach, in der er an der Macht war.

Diese Gedanken stehen in einem Artikel der chinesischsprachigen Zeitschrift „Frontline“, wo sie gleichzeitig versteckt und klar ersichtlich erscheinen. Eine Botschaft wird übermittelt – falls man das Drumherum vom Wesentlichen unterscheiden kann.

Die Schlagzeile lautet: „Anerkennung der universellen Werte der Menschen“. Darunter steht: „Zwei wichtige Ereignisse, die Jiang Zemin in seinem Leben bedauert.“ Die beiden Ereignisse, um die es sich handelt, sind das Bombardement der chinesischen Botschaft in Belgrad und die Verfolgung von Falun Gong.

Der größte Teil des Artikels befasst sich mit dem Machtkampf, der dem achtzehnten Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) vorausgeht. Das alle vier Jahre stattfindende Treffen der Parteimitglieder, das im Oktober stattfindet, wenn die nächste Zusammensetzung der Parteiführer festgelegt wird.

Die Verfolgung von Falun Gong

In diesem Teil des Artikels wird Jiang als jemand beschrieben, der beträchtliche Macht hinter der Szene ausübt. Es wird auch gesagt, dass er eine flexible Haltung den universellen Werten des Menschen gegenüber einnehme – Demokratie und Freiheit – und dass er eher als andere Parteiführer geneigt sei, diese anzuerkennen und zu übernehmen.

Doch die Behandlung dieses Themas widerspricht sich selbst; denn sie stellt heraus, dass jegliche Veränderung, die die Partei vornimmt, nur die sein kann, dass die Herrschaft der Partei gestärkt wird. Die Anerkennung von Demokratie und Freiheit widerspricht dieser grundlegenden Prämisse. Jiang kann nicht ernsthaft politische Macht und Anerkennung von Demokratie und Freiheit zusammen sehen. Jiangs angebliche Flexibilität kann nicht ernst genommen werden.

Der Leser erhält durch das ungewöhnliche Layout schon beim ersten Hinsehen einen Eindruck von dem, was wichtig ist. Die Schrift der Schlagzeile ist nur halb so groß wie die Unterzeile. Der kleinere Teil des Artikels, die Behandlung des Themas über Jiangs Bedauern zweier Ereignisse, ist der Teil, der in diesem Artikel der „Frontline“ zählt.

Eine Frage des Motivs

Wie das bei jedem Artikel, der durchgesickert ist, der Fall ist, so stellt sich auch hier die Frage der Glaubwürdigkeit.

„Frontline“ hält einen Rekord bei der Veröffentlichung vertraulicher Informationen über Beamte der KPCh. Viele dieser Geschichten sind später bestätigt worden.

Im Juli 2007 zum Beispiel veröffentlichte die Zeitschrift einen Artikel über die Korruption der Liu Zhijun Brüder. Liu war Eisenbahnminister. Am 12. Februar dieses Jahres begann das Komitee für Disziplin damit, Untersuchungen über ihn einzuleiten und am 25. Februar wurde er aus seinem Amt entfernt. Der größte Teil der Korruptionsvorwürfe, die von „Frontline“ schon drei Jahre vorher erhoben worden waren, wurde durch die KPCh selbst bestätigt.

Laut Artikel wollte Jiang im Ruhestand eine Autobiographie veröffentlichen. Aus einer langen Reihe von Gründen jedoch erlaubt die Partei keinem ehemaligen Partei- oder Staatsführer, seine Autobiographie zu veröffentlichen. Li Peng, Premierminister zur Zeit des Tiananmen-Massakers im Jahre 1989, wollte seine Autobiographie veröffentlichen, um seine Rolle im Jahre 1989 zu verteidigen. Es wurde ihm verboten.

Man sagt von Jiang, dass er versucht habe, das Verbot zu umgehen, indem er Artikel unter dem Namen seiner Kinder veröffentlichte. In Kreisen der Führerschaft der KPCh ist es üblich, dass Kinder über ihre Eltern schreiben. Laut Artikel begann er im Jahre 2010 auch damit, vertrauten und ihm nahe stehenden Mitarbeitern seine Erfahrungen zu diktieren.

Der Artikel über Jiang und sein Bedauern nannte nicht die Informationsquelle. Vorausgesetzt, der Bericht über sein Bedauern stimmt, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder haben die Mitarbeiter, die die Geschichten von Jiang erfuhren, sie den Reportern berichtet oder er hat sie selbst durchsickern lassen. Die Schlüsselfrage ist die, ob Jiang einen Grund dafür hatte, dass seine Geschichte über sein Bedauern bekannt werden sollte.

Das Bombardement der Botschaft

Das Bombardement der chinesischen Botschaft in Belgrad erfolgte auf Grund einer Entscheidung Jiangs. Im Frühling 1999 hatten Luftangriffe der Nato das serbische Militär- und Kommandosystem zerstört. Slobodan Milosevic erbat Hilfe von Russland und China. Russland weigerte sich, aber Jiang stimmte ohne zu zögern zu, sofort zu helfen. Er wies auch die Forderung des Ministeriums für ausländische Angelegenheiten zurück, den Mitarbeiterstab der Botschaft evakuieren zu lassen, obwohl alle anderen Länder das schon getan hatten.

Drei serbische Geheimdiensteinheiten begaben sich daraufhin in das Untergeschoss der chinesischen Botschaft und operierten von dort aus. Als der Luftangriff der Nato die Botschaft traf, starben drei Botschaftsangehörige. Die chinesischen Medien berichteten nicht über 14 weitere Todesfälle, die sich im Untergeschoss ereignet hatten.

Laut „Frontline“ Artikel war die Reaktion des chinesischen Regimes ungewöhnlich schwach, weil die Vereinigten Staaten nachgewiesen hatten, dass der serbische militärische Geheimdienst von der Botschaft aus operiert hatte. Damals hielt man in China Jiang für den nutzlosesten Führer.

Verfolgung

Auch die Verfolgung von Falun Gong begann im Jahre 1999. Zu dieser spirituellen Bewegung gehören fünf meditative „Qigong“-Übungen und die Prinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Toleranz.

Nachdem Falun Gong im Jahre 1992 bekannt geworden war, wurde die Bewegung äußerst beliebt. Staatliche Quellen berichteten, dass 1999 etwa 100 Millionen Menschen Falun Gong praktizierten. Doch seit 1997 waren die Falun Gong-Praktizierenden verschiedenen Formen offizieller Unterdrückung ausgesetzt.

Am 25. April 1999 kamen etwa 10.000 Bittsteller nach Peking, um einen Antrag für Sicherheit und Legalität der Falun Gong-Praktizierenden zu stellen. Das Petitionsbüro ist in der Nähe von Zhongnanhai, dem Sitz der Führerschaft der KPCh. Die Praktizierenden standen einen Tag lang in langen Reihen auf den Straßen.

Durch diese friedliche Demonstration geriet Jiang in Panik und Wut und er beschloss, die Bewegung Falun Gong „auzuradieren“. Das ständige Komitee des Politbüros und Jiangs eigene Familie waren mit der Entscheidung nicht einverstanden.

Zhu Rongji, damaliger Premierminister, und Li Ruihuan, Vorsitzender der politischen Konsultativkonferenz des Volkes, glaubten, dass es unnötig sei, eine „Qigong“-Bewegung zu einem großen Thema zu machen und noch weniger, eine Massenkampagne zu veranstalten. Laut Artikel praktizierten sowohl Jiangs Frau Wang Yeping als auch sein Enkel Jiang Zhicheng Falun Gong.

Doch Jiang bestand darauf, dass China unter der KPCh keine Organisation dulden könnte, die nicht unter ihrer Kontrolle stand. Letztendlich zwang er das Politbüro, seine Politik der Verfolgung mitzutragen.

Heute, acht Jahre nachdem Jiang nicht mehr im Amt ist, hat er erkannt, dass man das Thema Falun Gong anders hätte behandeln können. So steht es in dem Artikel.

Der Artikel berichtet auch, dass Falun Gong die mächtigste Kraft außerhalb Chinas geworden ist, die in Opposition zur KPCh steht und dass Beamte der KPCh sich überall Protesten ausgeliefert sehen, wohin sie auch kommen. Jene Beamte, die stark an der Verfolgung beteiligt waren, erleben während ihrer Auslandsbesuche Strafanzeigen gegen sich und sogar Verhaftungen. Die Verfolgung von Falun Gong hat Millionen, wenn nicht sogar Abermillionen von Menschen gegen Jiang und die Partei aufgebracht.

Dieses seien die Gründe, warum Jiang die Verfolgung bedauere, sagt der Artikel. Er hat nicht sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass seine Politik endloses Leid und den Verlust von Menschenleben verursacht hat.

Zwei Befürchtungen

Englischsprachige und chinesischsprachige Medien haben das in „Frontline“ behandelte Thema sehr unterschiedlich bewertet. Die westlichen Medien haben berichtet, dass der Artikel sich auf das Bombardement der Botschaft konzentriert habe. In den chinesischsprachigen Medien außerhalb Chinas jedoch wird Jiangs Bedauern über seine Verfolgung von Falun Gong tiefgehend diskutiert.

Die Informationen über das Bombardement und die Verfolgung sind nichts Neues für diejenigen, die die Ereignisse der letzten 12 Jahre verfolgt haben. Die Geschichte des Bombardements der Botschaft ist die gleiche, wie sie einige Monate nach dem Bombardement berichtet wurde.

Auch wissen die Menschen in China, dass Jiangs Entscheidung, Falun Gong zu verfolgen, nicht von anderen Parteiführern und seiner eigenen Familie unterstützt wurde. Sie wussten nur nicht, dass es sich bei den Familienmitgliedern um seine Frau und seinen Enkel handelte.

Die Geschichte des Bombardements der Botschaft hat keinen Einfluss auf das heutige China und kann nicht die Hauptbotschaft gewesen sein. Die eigentliche Botschaft ist die der Verfolgung von Falun Gong, die immer noch anhält in China und die auch immer noch einen wesentlichen Einfluss auf jeden Aspekt der chinesischen Gesellschaft hat.

Und doch sagt der Artikel etwas Neues über diese Verfolgung aus: Jiang wird dargestellt als jemand, der keine Verantwortlichkeit für die Verfolgung übernehmen will, die immer noch weitergeht, seitdem er im Ruhestand ist.

Alle Führer der KPCh haben ihre eigenen politischen Vermächtnisse. Die beiden größten Vermächtnisse Maos bestehen darin, dass er China von Chiang Kai-shek getrennt und dass er die Kulturrevolution durchgeführt hat. Deng Xiaopings Vermächtnisse sind wirtschaftliche Reformen und das Tiananmen-Massaker. Jiang hat nur ein Vermächtnis: die Verfolgung von Falun Gong.

Aus Sicht der KPCh hielt Jiangs Entscheidung die Herrschaft der KPCh aufrecht und verhinderte eine Massenbewegung, die zur KPCh in Konkurrenz stand. Für die KPCh ist die Verfolgung eine „gute Sache“. Warum will Jiang plötzlich die „Ehre“ aufgeben, die Verfolgung befohlen zu haben?

Für gewöhnlich kennen die KPCh-Führer die Krise, in der sie sich befinden, besser als das normale chinesische Volk und in den meisten Fällen auch besser als die Regierungen des Westens und westliche Chinaexperten. Jiang befürchtet, dass er für seine Taten verantwortlich gemacht wird.

Offensichtlich fürchtet er nicht die Partei oder die nächste Generation der Parteiführer. Obwohl im Artikel erwähnt wird, dass unter der Herrschaft von Xi Jinping das Problem Falun Gong gelöst werden wird, ohne die Partei zu beschädigen, so betrifft es immer noch nicht Jiang. So lange die Partei existiert, hat Jiang nichts zu befürchten. Er kann sich jetzt nur vor der Strafe Gottes oder vor der Strafe durch das Gesetz oder vor dem Volk fürchten, wenn die Partei nicht mehr existiert.

Jiang kann nicht glauben, dass ein Artikel daran etwas ändern kann, was ihm nach seinem Tod geschehen wird.

Er möchte so viel Verantwortung wie möglich für diese Verfolgung, die er begonnen hat, von sich schieben. Und das für den Fall, dass die KPCh ihn nicht länger schützen kann.

Originalartikel auf Englisch: Chinese Dictator Reveals Thoughts of Mortality

 



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