Wie der Ernst des Lebens täglich Freude macht

Titelbild
Birte GammFoto: Heike Timm
Von 16. Oktober 2012

 

Nach Schule und Studium beginnt mit dem Berufsleben der sogenannte Ernst des Lebens. Ist der Spaß des Lebens dann nur noch auf die Freizeit beschränkt? An einem Montagmorgen im Berufsverkehr sieht man jedenfalls selten lachende oder zufriedene Gesichter. Manche wirken, als müssten sie in eine Art Gefängnis zurück.

Nicht alle arbeiten in ihrem Traumjob. Und auch der wird irgendwann zur Routine. Dennoch sieht man immer wieder Menschen in den unterschiedlichsten Berufen, die offenbar mit sehr viel Freude arbeiten. Wie – ebenfalls an einem Montagmorgen – eine junge Kassiererin in einem Hamburger Supermarkt: Als ein ungesund aussehender Kunde, der eine Flasche Schnaps und ein Fertiggericht aufs Laufband stellte, seinen Einkaufswagen mit den Worten an der Kasse vorbei schob: „Ich habe hier noch ein Sixpack“, hielt sie nicht wie erwartet ihren Scanner an das Sechserpack Bier im Wagen, sondern sagte lächelnd: „Sie haben ein Sixpack? Na, dann zeigen Sie mal her!“ und schaute dem Kunden mit gespielter Erwartung auf den Bauch. Damit brachte sie nicht nur diesen Kunden zum Lachen – ein  Mitmensch, über den andere aufgrund seines Aussehens vielleicht nur Verächtliches gedacht hätten -, sondern sich selbst und die umstehenden Kunden und Kollegen dazu. Sie praktiziert das, was die Beraterin, Trainerin und Dozentin Birte Gamm ihren Klienten empfiehlt: bei der Arbeit zu spielen. The Epoch Times sprach mit Birte Gamm über eine Arbeitsphilosophie, die zufrieden macht und sich auf’s ganze Leben übertragen lässt.

 

Epoch Times: Frau Gamm, es ist acht Uhr morgens. Viele Berufstätige zählen ab jetzt die Stunden bis zum Feierabend. Wie reagieren Ihre Klienten darauf, wenn Sie ihnen empfehlen, bei der Arbeit zu spielen?

Birte Gamm: Perplex, irritiert, manchmal sogar konsterniert. Das Irritierende daran ist: Arbeiten und Spielen gehört bei uns nicht zusammen. Oft höre ich: „Spaß und Spielen bei der Arbeit ist sicher etwas Schönes. Aber bei uns geht das nicht.“

Epoch Times: Nehmen wir an, ich wäre ein Bankangestellter und muss seriös wirken. Wie kann ich denn da spielen?

Gamm: Ich arbeite ja mit der Fisch!-Philosophie.  Da geht es um vier Punkte: 1. Sei präsent, 2. wähle deine Einstellung, 3. mache anderen eine Freude und 4. Spielen. Genau diese Reihenfolge gehe ich.

Sei präsent. Das bedeutet, sei zu hundert Prozent bei der Arbeit. Also sei zu hundert Prozent bei deinen Bankkunden. Wähle deine Einstellung. Bei allem im Leben gilt: du kannst es als etwas Positives sehen oder es ablehnen.

Epoch Times: Dann mache ich es jetzt etwas schwieriger: Nehmen wir an, ich wäre Krankenschwester auf einer Station für Todkranke im Endstadium …

Gamm: Gerade Menschen in diesen Berufen schaffen es, das Positive zu sehen: „Da hat der Patient gelächelt. Hier konnten wir ihm mit einem Medikament einen Teil der Schmerzen nehmen…“ Und gerade bei Krankenschwestern ist das Spielerische viel, viel leichter, weil sie auch den Wunsch haben, anderen einen Freude zu machen. – Jedenfalls die Krankenschwestern, die ich kenne, die machen ihre Arbeit mit Herzblut. Sie machen es gern, weil sie anderen Menschen helfen wollen. Sie wollen anderen Menschen eine Freude machen, gerade in diesen schwierigen Situationen, wo es um Leben und Tod geht. Und darum entwickeln sie für das Spielerische auch die Kreativität.

Epoch Times: Ist es folglich der Egoismus, der einem den Spaß an der Arbeit verdirbt?

Gamm: Ich weiß nicht, ob es Egoismus ist. Denn natürlich muss es mir selbst auch gut gehen. Mit „anderen eine Freude machen“, meine ich ja nicht, sich für andere aufzuopfern.

Aber wahrscheinlich verderbe ich mir dann den Spaß, wenn ich beim Bestreben, dass es mir gut geht, den anderen aus den Augen verliere. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen und ich brauche den anderen auch, damit es mir gut geht. Wenn ich dem anderen eine Freude mache, und der andere strahlt mich an, das ist doch klasse. Dann geht es mir auch gut.

Epoch Times: Geben Sie auch Tipps, wie man das Spielerische in der Arbeit umsetzen kann?

Gamm: Ich kenne die Betriebe nicht, darum frage ich, welche Möglichkeiten Sie selbst sehen, wenn Sie gedanklich durch den Tag gehen. Sie sollen in einer Bank ja nicht plötzlich Geldscheine durch die Luft werfen. Sondern es geht darum, mit Leichtigkeit und Schwung den Alltag zu gestalten.

Epoch Times: Situationskomik zum Beispiel?

Gamm: Zum Beispiel.

Epoch Times: Wortspiele?

Gamm: Genau. Und Lächeln. Ein bisschen, keck, kess, etwas humorvoll. Dafür sind besonders Ältere empfänglich. Ich sage zu meinen Klienten: Üben Sie an den Älteren.

Viele Menschen verbieten sich aber mit Spaß, mit Genuss zu arbeiten. Dafür haben sie zu viele Regeln im Kopf.

Epoch Times: Welche zum Beispiel?

Gamm: Überzeugungen wie „Arbeit und Spaß gehören nicht zusammen. Arbeit ist etwas Ernsthaftes.“

Epoch Times: Wenn man solche Glaubenssätze hat, die einem den Spaß und die Leichtigkeit verderben. Wie wird man sie los?

Gamm: Indem ich immer wieder eine bewusste Entscheidung treffe und sage: ich verabschiede mich von diesen Glaubenssätzen und ich überlege mir eine neue, schöne Überzeugung. Ich muss mir überlegen, was ich will, und mich immer wieder dafür entscheiden. Wir können alles erreichen, wenn wir die entsprechenden Entscheidungen treffen.

Epoch Times: Ich fahre also mit der Entscheidung ins Büro, dass ich heute Spaß haben will.

Gamm: Ich würde den Spaß sogar noch konkret benennen. Wenn ich heute einen Termin mit Herrn Müller habe, würde ich mir vornehmen: ich will den Müller heute zum Lächeln bringen.

Epoch Times: Wieder muss ich dafür präsent sein und dem anderen eine Freude machen wollen.

Gamm: Genau! Denn dann arbeite ich konzentriert und seriös und dennoch mit Leichtigkeit.

Epoch Times: Die Leichtigkeit ist das Spielerische?

Gamm: Ja.

Epoch Times: Wie kann ich denn noch bei der Arbeit spielen?

Gamm: Im sozialen Bereich würde es zum Beispiel gehen, wenn sie statt zu gehen, mal tanzen. Oder wenn sie statt etwas zu sagen, singen. Spielerisch ist alles, was leicht, locker, fröhlich macht. Das kann auch bedeuten, dass ich mir selbst eine Eselsbrücke schaffe, wenn ich etwas immer wieder vergesse.

Epoch Times: Spielerisch zu arbeiten bedeutet also nicht, eine Ulknudel zu sein, die stets Blödsinn im Sinn hat?

Gamm: Überhaupt nicht. Kleine Kinder, die spielen, sind auch nicht ständig albern. Aber sie probieren aus, sie versinken in ihrem Tun. Sie lachen, wenn sie mit anderen Kindern zusammen laufen. Das ist die Freude, die Leichtigkeit.

Epoch Times: Übertrage ich das auf die Arbeit, dann wäre ich beim Versinken in meinem Tun wieder beim präsent sein – ganz in meinem Job sein. Und Leichtigkeit wäre vielleicht, Fehler nicht zu ernst zu nehmen?

Gamm: Ganz genau. Und „wähle deine Einstellung“ wäre auch der Entschluss, die Dinge leichter zu nehmen oder ein spielerisches Element einzufügen. Was spricht zum Beispiel dagegen, wenn ich zum Schreibtisch meines Kollegen gehe, mich dabei einmal um mich selbst zu drehen oder mit Hüftschwung wie ein Mannequin zu gehen? Dann wird einmal zusammen gelacht und anschließend konzentriert weitergearbeitet. Natürlich kommt das auch auf die Kollegen und das Arbeitsumfeld an. Man wahre immer die Achtung und den Respekt vor anderen. Und natürlich nehme ich mein Gegenüber weiterhin ernst. Dennoch kann ich herzlich mit ihm zusammen lachen. Das tut ihm gut und mir gut. Der ganze Körper lacht ja mit.

Epoch Times: Der Mangel am Spielerischen, der Mangel an Leichtigkeit bei der Arbeit, kommt das durch die schlechten Gedanken, die wir über unsere Jobs haben?

Gamm: Es kommt durch die schlechten Gedanken, die wir über unser Leben haben. Ich kenne keinen Menschen, der sagt: Ich bin super glücklich über mein Privatleben, aber mein Job ist Mist. Menschen, die sehr unzufrieden in ihrem Arbeitsleben sind, haben auch viele Punkte in ihrem Privatleben, mit denen sie sehr unzufrieden sind.

Epoch Times: Wenn ich aber im Berufsleben anfange, meine Einstellung zu wählen, präsent zu sein, anderen eine Freude zu machen und zu spielen, kann ich das ja auf’s ganze Leben übertragen.

Gamm: Ja! Und der allererste Schritt ist: Wähle deine Einstellung. Will ich zufrieden oder unzufrieden sein? Wenn ich zufrieden sein will, was macht mich zufrieden und wie erreiche ich das? Und dann muss ich diese Schritte unternehmen.

Und dann muss ich beharrlich sein. Immer wieder meine Einstellung wählen, immer wieder präsent sein, immer wieder versuchen, anderen eine Freude zu machen, immer wieder spielerische Elemente ins Leben bringen.

Epoch Times: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Gamm.

Die Fragen stellte Heike Soleinsky

 

 

Info:

Birte Gamm

ist Beraterin, Trainerin und Dozentin und arbeitet mit Menschen, die Veränderungen bewusst und mit Leichtigkeit angehen wollen.
Sie hat ihr Büro in Hamburg-Niendorf.
http://www.gamm-coaching.de

 

Buchtipp:

Fish! Ein ungewöhnliches Motivationsbuch
von Stephen C. Lundin
Verlag: Goldmann; Auflage: 1.Auflage (November 2003)
ISBN-13: 978-3458318279
Preis: 7,95€

Der Bestseller aus dem Jahre 2003 erzählt die Geschichte einer Abteilungsleiterin, die, angeregt und angeleitet von motivierten Fischverkäufern, aus ihrem lustlosen Team eine dynamische, mit Freude arbeitende Mannschaft macht.
Es gibt Nachfolgebücher mit Beispielen, wie diese „Fish!-Philosophie praktisch umgesetzt wurde.

 

 



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