Die Plansprache Esperanto lebt

Klein, vergilbt und insgesamt ziemlich unscheinbar ist das Buch, das die Bibliothekarin Andrea Pia Kölbl nur in einer schützenden Mappe herumträgt. An dem Büchlein nagt der Zahn der Zeit, die säurehaltigen Seiten drohen zu zerbröseln. Nur im Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek darf das Buch eingesehen werden.

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Die Plansprache Esperanto lebtFoto: dapd/Lukas Barth
Epoch Times19. November 2012

München – Klein, vergilbt und insgesamt ziemlich unscheinbar ist das Buch, das die Bibliothekarin Andrea Pia Kölbl nur in einer schützenden Mappe herumträgt. An dem Büchlein nagt der Zahn der Zeit, die säurehaltigen Seiten drohen zu zerbröseln. Nur im Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek darf das Buch eingesehen werden. Der Inhalt des 40 Seiten umfassenden Werkes, das die 16 Grundregeln der Plansprache Esperanto enthält, hat sich mittlerweile jedoch über die ganze Welt verbreitet. 125 Jahre nach ihrer Erfindung sprechen nach Schätzungen der Gesellschaft für Interlinguistik, die sich mit Plansprachen beschäftigt, zwischen 500.000 und mehrere Millionen Menschen diese Sprache.

Die Königliche Hof- und Staatsbibliothek zu München, wie Kölbls Wirkungsstätte damals noch hieß, kaufte die Ausgabe der deutschsprachigen Version des Esperanto-Lehrwerks im Februar 1888 – nur drei Monate, nachdem sie in Warschau vor genau 125 Jahren am 24. November 1887 erschienen war. Ihre Vorgänger waren damit ganz schön „auf Zack“, wie Kölbl berichtet: „Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand wissen, dass Esperanto als eine der damals zahlreich entworfenen sogenannten Welthilfssprachen erfolgreich sein würde.“

In Schwung kam die internationale Esperanto-Bewegung erst etwa 20 Jahre nach Veröffentlichung des Lehrwerks, wie der Vorsitzende des Münchner Esperanto-Klubs, Fritz Hilpert, berichtet. Die deutsche Version veröffentlichte der Erfinder der Plansprache, der Warschauer Arzt Lazarus Zamenhof, unter dem Titel „Internationale Sprache. Vorrede und vollständiges Lehrbuch“ zeitgleich mit einer französischen und wenige Monate nach einer russischen und einer polnischen Version.

16 Regeln bilden das Fundament für die Sprache

Die 16 simplen Regeln bilden das grammatikalische Fundament der Sprache: Beispielsweise, dass alle Substantive auf „o“ enden und es keine Artikel gibt. Sie lassen keine Unregelmäßigkeiten zu und sorgen dafür, dass die Sprache ungeachtet der Muttersprache für alle Menschen leicht erlernbar ist. Nach Angaben des Münchner Esperanto-Klubs sind oft bereits nach einem Tag Intensivkurs einfache Gespräche auf Esperanto möglich.

Hilpert selbst hat der Plansprache sogar seine große Liebe zu verdanken: Auf einem Weltkongress der Esperantisten in Brasilia lernte er seine spätere Frau, eine Brasilianerin, kennen. Dass er kein Portugiesisch und sie kein Deutsch sprach, war für die beiden kein Problem: Das erste Jahr verständigten sie sich eben auf Esperanto.

Obwohl der Esperanto-Unterricht heute auf neuen pädagogischen Erkenntnissen fußt und die aktuellen Lehrbücher völlig anders aussehen als das kleine Büchlein der Staatsbibliothek, bilden dessen 16 Regeln laut Hilpert noch immer die Grundlage. Umso mehr freut es ihn, dass die Bayerische Staatsbibliothek sich mittlerweile dazu entschlossen hat, ihr Exemplar komplett zu digitalisieren, damit der Inhalt nicht mit den Seiten zerbröselt. Zunächst war das nur mit ein paar Seiten geschehen. Doch der Weitblick, den Kölbls Vorgänger vor 125 Jahren mit dem Ankauf des Büchleins bewiesen, soll nicht vergebens gewesen sein.

dapd

 



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