Leibniz Feiern 2016 für genialen Netzwerker und Erfinder

Leibniz reichte es nicht, in seinem Studierzimmer zu hocken, er reiste in ganz Europa, wollte auf die Mächtigen Einfluss nehmen und das Leben der Menschen praktisch verbessern, etwa indem er eine vorsorgende Medizin forderte.
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Ölgemälde des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716), präsentiert von Michael Kempe, Leiter des Leibniz-Archives.Foto: Holger Hollemann/dpa
Epoch Times30. Dezember 2015

Hannover (dpa) – Wer nach Leibniz im Internet sucht, stößt zuerst auf den Butterkeks, nicht auf das Universalgenie. Viele halten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) sogar fälschlicherweise für einen Keksbäcker, dabei ist er einer der wichtigsten Gelehrten der frühen Aufklärung.

Im 300. Todesjahr des Multi-Talents soll der Mathematiker, Philosoph und Erfinder wieder mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Vor allem in Hannover wird Leibniz 2016 mit einer Reihe von Veranstaltungen gefeiert, denn hier wirkte er 40 Jahre lang als Hofrat und Bibliothekar des Welfenherzogs.

Die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek verwahrt den Nachlass des großen Denkers. Seine Handschriften – sagenhafte 200 000 Seiten – lagern in einer klimatisierten Schatzkammer hinter dicken Tresortüren. „Er ist morgens schreibend aufgewacht und abends schreibend eingeschlafen“, sagt der Leiter des Leibniz-Archivs, Michael Kempe, über das Universalgenie. Bereits seit 1923 arbeiten Wissenschaftler in Hannover, Potsdam, Münster und Berlin an einer Gesamtedition der Schriften, voraussichtlich dauert dies bis 2055.

Der Historiker präsentiert vorsichtig in weißen Handschuhen ein paar Blätter mit Notizen und mathematischen Formeln. Als Mathematiker war Leibniz seiner Zeit weit voraus. Er entwickelte unter anderem den binären Code, ohne den es heute keine Computer gäbe. Sein Gedanke, dass Raum nichts Absolutes ist, habe bereits auf die Relativitätstheorie verwiesen, sagt Kempe.

Leibniz notierte seine Ideen spontan und zerschnitt Blätter zu verschiedenen Themen. Zurzeit wird das Mammut-Werk „Mathematica“, das aus über 7000 Schnipseln besteht, mit modernster Computertechnik wieder zusammengesetzt. Dabei hilft das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK), das in der Vergangenheit bereits zerrissene Stasi-Akten und verkohlte handschriftliche Noten von Mozart rekonstruiert hat.

Der Gelehrte war bis zu seinem Tod ein geradezu manischer Briefeschreiber. Sein Briefwechsel mit 1300 Korrespondenten – darunter Isaac Newton, der Philosoph Spinoza oder Jesuitenpater in China – wurde vor acht Jahren ins Unesco-Weltdokumentenerbe aufgenommen. Mittlerweile sind viele Briefe im Internet einsehbar. Leibniz zeigt sich als wacher Beobachter der europäischen Politik, er bemüht sich um die Wiedervereinigung der Kirchen und diskutiert über seine Forschung.

Mit seinem weltumspannenden sozialen Netzwerk gingen auch Plagiatsvorwürfe einher. Newton hetzte gegen ihn und warf ihm vor, bei der Differentialrechnung von ihm abgekupfert zu haben.

„Es ist paradox. Je mehr wir über Leibniz wissen, desto schwieriger wird es, diese Person zu fassen“, sagt Kempe, der mit seinem Team eine große Ausstellung mit dem Titel „1716 – Leibniz‘ letztes Lebensjahr“ vorbereitet. Die Eröffnung der Schau mit teils noch nie gezeigten Objekten ist für den 21. Juni geplant. Unter anderem sollen Fossilien, Druckvorlagen und Kupferstiche aus Leibniz‘ Sammlung gezeigt werden.

Der Erfinder beschäftigte sich mit der Lösung einer Reihe von Problemen im Oberharzer Bergbau und konstruierte zum Beispiel Windmühlen zum Antrieb von Pumpen. Dabei war er selbst in den Höhlen der Bergbauregion unterwegs. „Der Gelehrte des 18. Jahrhunderts musste auch einen Hang zum Abenteuer haben“, sagt Kempe. Leibniz reichte es nicht, in seinem Studierzimmer zu hocken, er reiste in ganz Europa, wollte auf die Mächtigen Einfluss nehmen und das Leben der Menschen praktisch verbessern, etwa indem er eine vorsorgende Medizin forderte.

Sein Verhältnis zu Hannover war stets ambivalent. Einerseits gab ihm die Festanstellung am Welfenhof finanzielle Sicherheit. Andererseits fühlte er sich in der Stadt „körperlich und geistig beengt“, wie er 1696 in einem Brief an den Philosophen Thomas Burnett klagte. „Hier trifft man kaum jemanden, mit dem man sich unterhalten kann.“



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