Hyperpolyglotte – Die mit vielen Zungen reden

Die Geschichte – aber auch die Gegenwart – lehrt immer wieder, dass es Dinge gibt, die das gewöhnliche Bewusstsein bei weitem übersteigt, seien es Musikgenies wie Amadeus Mozart, der seine Partituren schon fertig im Kopf hatte, oder ein Nikola Tesla, der keine Testreihen brauchte, weil er seine Maschinen allein mittels seiner Gedanken auf Funktionsfähigkeit überprüfte. Genauso gibt es auch Menschen, die ungeheuer viele Sprachen fließend sprechen können, nennen wir sie Hyperpolyglotte.
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Dank seiner umfassenden Kenntnisse der koptischen Sprache konnte der Archäologe Jean-Francois Champollion alte ägyptische Hieroglyphen entziffern. (Engel Navarrete/AFP/Getty Images)

„Eine Sprache zu verstehen, ist nicht dasselbe wie sie zu leben“, sagt Clarisa M., die zugibt, Probleme zu haben, sich an ihre Muttersprache zu erinnern. In Chile geboren, aber zurzeit in Australien lebend, meint sie „ein leichtes Zögern zu spüren“, wenn sie versucht in ihrer Muttersprache zu sprechen. Nach 35 Jahren fern des Heimatlandes habe sie einen Teil der spanischen Sprache, die nur noch in den Tiefen ihres Unterbewusstseins existiert habe, wieder neu lernen müssen.

Eine Sprache zu erlernen ist keine leichte Aufgabe, eine fließende Aussprache derselben über lange Zeit aufrechtzuerhalten, ist für die Meisten ein beständiges Unterfangen. Und doch gibt es Menschen, die über einen großen Wortschatz sogar für mehrere Sprachen verfügen, die Polyglotten (von griechisch „poly“ = viele und „glotta“ = Zunge, Sprache) der Welt.

Einer der überraschenden und neueren Fälle des Phänomens „hyperpolyglott“ ist der junge in Deutschland geborene Sebastian Heine, den man kurzerhand den „menschlichen Turm von Babel“ getauft hatte. Mit 22 Jahren konnte der Student der indodeutschen Philologie in nicht weniger als 35 verschiedenen Sprachen kommunizieren. Bevorzugt spricht er Pashto, eine der Amtssprachen in Afghanistan, die der indogermanischen Sprachfamilie angehört.

Auch wenn er gemeinhin als Wunderkind betrachtet wird, will Heine nicht als Genie verstanden werden, eher als Mensch, der sich dem Studium von Sprachen widmet. Diese Liebe begann bereits mit sieben Jahren, als er sich der griechischen Sprache – fast wie in einem Spiel – annäherte. Heute setzt sich Heine das „bescheidene“ Ziel, pro Jahr zwei neue Sprachen zu erlernen.

Der Fall Jorge Fernandez (der nicht ganz so viele Sprachen spricht wie Heine) ist ebenso unglaublich. Gerade mal 18 Jahre alt, konnte der Peruaner ein Dutzend Sprachen, darunter spanisch, englisch, französisch, deutsch, rumänisch, italienisch, portugiesisch, niederländisch, katalanisch, galizisch und Mandarin fließend sprechen und schreiben.

Jorge Fernandez erzählt, dass seine Leidenschaft für Sprachen damit begann, dass seine Mutter ihn für die schlechten Noten in der High School mit Telefonverboten bestrafte. Fernandez hatte plötzlich viel mehr Zeit – und den Wunsch zu kommunizieren.

Ein Pflichtkurs in Französisch weckte die Wissbegierde von Fernandez, und er machte dann auf eigene Faust mit Italienisch und Rumänisch weiter. Darauf folgten kurze Zeit später neun weitere Sprachen. Irgendwann, sagt der junge Fernandez, wolle er es dann auf 25 Sprachen bringen – alle natürlich fließend.

Die Beherrschung von mehr als 30 Sprachen ist sicher eindrucksvoll, doch wer ist das größte Sprachgenie der Welt? Wie viele Sprachen kann ein menschliches Bewusstsein meistern? Mehr als 40. Sogar mehr als 50. Ziad Youssef Fazah verfügt in mindestens 60 verschiedenen Sprachen über ein grundlegendes Verständnis. Wie Clarisa sagte, „eine Sprache zu verstehen, ist nicht dasselbe wie sie zu leben“. Dasselbe gilt für Fazah, der sich in all seinen erworbenen Sprachen regelmäßig üben muss, um das Gelernte auch zu behalten.

Sprachgenies in der Geschichte

Auch wenn wir an gewisse feststehende Grenzen bezüglich des menschlichen Bewusstseins glauben, scheint es immer Menschen zu geben, die im Stande sind, diese Grenzen zu überschreiten. Was die Vielsprachigkeit angeht, sind Kardinal Giuseppe Caspar Mezzofanti und der Linguist John Bowring zwei der Menschen, die weit über das hinausgingen, was andere für möglich hielten.

Der Kardinal wurde am 17. September 1774 geboren. Er beherrschte 38 Sprachen fließend sowie fast 100 Dialekte. In vielen weiteren Sprachen besaß er Grundlagenwissen. Man hat herausgefunden, dass der Kardinal etwa 100 verschiedene Formen der Kommunikation kannte.

Bowring war einer der gelehrtesten unter den Linguisten. Er hatte Grundlagenverständnis in 200 Sprachen, 100 sprach er fließend. Bowring erblickte im Jahre 1792 das Licht der Welt, war Gouverneur in Hongkong, Autor und Weltreisender. Man gab ihm den Titel „Gentleman of the Order of the Bath“ (ein britischer Verdienstorden). Er war Mitglied der Royal Society und der Royal Geographical Society. Bis heute ist kein besserer Dolmetscher als Bowring bekannt geworden.

Erweiterung der Kommunikation

Sie haben zwar nicht ganz so viele Sprachen gemeistert wie die schon erwähnten Hyperpolyglotten, doch gibt es auch zeitgenössische Größen, die sich der Beherrschung vieler Sprachen rühmen. Es ist keine Überraschung, dass diese Menschen auch als große Kommunikatoren bekannt sind.

Das Papsttum etwa hat eine lange Geschichte der Vielsprachigkeit, und die Tradition ist bis heute weitergeführt worden – von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Der erstere konnte polnisch, klassisches Griechisch, Latein, italienisch, französisch, spanisch, portugiesisch, englisch, Esperanto und deutsch fließend sprechen und besaß Grundkenntnisse in tschechisch, litauisch, russisch, ungarisch, japanisch, Tagalog und einigen afrikanischen Sprachen. Letzterer spricht mindestens ein Dutzend Sprachen fließend.

Die Schriftsteller James Joyce und J.R.R. Tolkien konnten jeweils 13 Sprachen.

Dank seiner umfassenden Kenntnisse der koptischen Sprache konnte der Archäologe Jean-Francois Champollion, der 13 Sprachen fließend beherrschte, im Jahre 1822 alte ägyptische Hieroglyphen am Stein von Rosetta entziffern und übersetzen. Das Koptische war in Ägypten vom 3. bis 17. Jahrhundert als gesprochene Sprache im Gebrauch.

Unter den großen Sprachwundern befindet sich auch der Linguist Kenneth Locke Hale, der eine unglaubliche Sachkenntnis im schnellen und genauen Erlernen von Sprachen aufwies. Während seiner Studien über Satzbau und Wortschatz am Massachusetts Institute of Technology interessierten ihn die nicht erforschten und gefährdeten Sprachen, wie die der Hopi, der Navaho-Indianer und der Warlpiri in Australien. Insgesamt konnte Hale am Ende 50 verschiedene Sprachen sprechen.

Die Welt der Sprachen ist faszinierend, und es hat viele Vorteile, mehr als eine Sprache fließend zu beherrschen. Tatsächlich gibt es mehr mehrsprachige Menschen in der Welt als einsprachige, denn außer den Vereinigten Staaten gibt es nur wenige Länder auf der Welt, die das Erlernen einer zweiten Sprache in der Schule nicht verlangen.

Das Lernen anderer Sprachen bringt uns nicht nur dem Rest der Welt näher; wir bekommen auch Einblicke in das Wesen von Sprache, die allein im heimischen Zungenschlag nicht gefunden werden könnten. Doch sollte eine neue Sprache am besten in noch jungen Jahren erlernt werden. Dies haben genügend Studien belegt.

 

Originalartikel (spanisch): http://www.lagranepoca.com/articles/2008/02/13/1766.html

Englisch: http://www.theepochtimes.com/n2/content/view/18367/



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