Rebellenführer Strelkow: Das könnte sein Rücktritt für die Ostukraine und Russland bedeuten

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Der Russe Igor Strelkow war für die Rebellen in der Ostukraine die Gallionsfigur. Nun hat er seinen Rücktritt verkündet.Foto: BULENT KILIC / AFP / Getty Images
Epoch Times15. August 2014

Der Militärkommandeur der Rebellen in der Ostukraine, Igor Strelkow, ist zurückgetreten. Seit dem 26. April 2014 war der Russe mit Geheimdienstvergangenheit offiziell „Verteidigungsminister“ der Volksrepublik Donezk gewesen. Sein Rücktritt kommt zeitgleich mit einem Teilerfolg der ukrainischen Armee, welcher es gelang, die Rebellenhochburg Lugansk von der russischen Grenze abzuschneiden und vollständig einzuschließen.

Die Regierungstruppen versuchen seit Wochen, die beiden Rebellenhochburgen Lugansk und Donezk zu erobern – gegen den erbitterten Widerstand der Rebellen. Die UN sprach in einer „sehr vorsichtigen Schätzung" von 2086 Toten im Osten der Ukraine.

Strelkows Rücktritt wird Folgen haben

Was hat der Rücktritt von Strelkow zu bedeuten? Für die Rebellen könnte er eine starke demoralisierende Wirkung haben. Der Russe, der eigentlich Girkin heißt, galt bei ihnen als „Feldherrengenie“ und wurde auch auf Plakaten als Propaganda-Idol benutzt. Sein Name Strelkow ist eine Anspielung auf das russische Wort „strelok“, zu deutsch „Schütze“.

Dass die Rebellen sich bis jetzt gegen die ukrainische Armee behaupten konnten, lag vor allem an den taktischen Erfolgen, die sie durch seine Leitung errangen. Strelkows Kampferfahrungen sind beträchtlich: Er kämpfte unter anderem in Transnistrien gegen die Moldawier, in Bosnien gegen die Moslems, in Tschetschenien gegen die dortigen Separatisten. Zudem ist er Agent mit dem Rang eines Oberst des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Alles sieht danach aus, dass Strelkow in Donezk im Auftrag der russischen Militärführung tätig ist. Und das wirft die Frage auf: Ist er selbst wegen der Aussichtslosigkeit der Lage zurückgetreten, oder wurde er von Moskau abberufen?

Am 16. Juni hatte Strelkow bereits ein Statement im Internet veröffentlicht, in dem er sich „in einem Zustand der völligen Erschöpfung" beschrieb und sagte, die russische Führung habe „Neurussland“( gemeint sind die Rebellengebiete) im Stich gelassen.

Was Strelkow selbst über die Lage sagte

Er forderte die dringende Unterstützung Russlands und sprach von ethnischen Säuberungen und Völkermord, die im Donbass stattfinden würden. Die Ukrainische Armee bombardiere mit Absicht Wohngebiete, weil ihr Ziel die Vertreibung der russischstämmigen Bevölkerung sei. Hier ein Auszug aus seiner Aussage, die auf der Website „Hinter der Fichte“ komplett veröffentlicht wurde.

Sie bombardieren die Industriegebiete und die Wohngebiete. Die Bevölkerung ist in Panik. Kramatorsk hat solch massiven Artilleriebeschuss noch nicht erlebt. Die Objekte der Milizen werden ausgespart, die Angriffe richten sich nicht gegen sie, um die Zehntausende zur Flucht nach Rußland zu zwingen. Völkermord und ethnische Säuberung in ihrer klarsten Form.“

Die beobachtbare Zerstörung der Wirtschaft und der Bevölkerung habe ich schon anderthalb Monate vorausgesehen, und, um das zu vermeiden, habe ich zur einer Intervention von Friedenstruppen aufgerufen. Nun ist es zu spät. Friedenstruppen können ohne einen Kampf nicht mehr eingreifen. Ich rufe nun auf zu einer sofortigen und weitreichenden militärischen Hilfe. Doch es ist keine Hilfe [aus Russland] gekommen.“

Russland hat uns im Stich gelassen“

Er sehe zwei Möglichkeiten, so Strelkow: Entweder werde Russland mit seiner ganzen Macht intervenieren, was die Ukraine offen provozieren würde, oder es würde „Neurussland“ komplett im Stich lassen, worauf die Ukraine nach seiner Ansicht hoffe. Schon im Juni schätzte der Rebellenführer also, dass Russland auf ein offenes militärisches Eingreifen verzichten würde! Dazu schrieb er weiter:

Ich sehe offene Sabotage der russischen Behörden auf höchster Ebene in Bezug auf Neurußland. Das zeigt sich in allem. Ich wage zu sagen, dass [diese Sabotage] ganz bewußt ist. Ansonsten gibt es keine Erklärung für die Tatsache, dass DVR und LVR [Volksrepubliken Donezk und Lugansk] noch nicht de facto anerkannt wurden und, dass sie keine der so dringend benötigten Waffen und Ausrüstungen erhalten. Putin hat praktisch (und ich frage mich – auf wessen Vorschlag?) die Zusagen geleugnet, die russische Zivilbevölkerung des Donbass zu schützen. Es ist keinerlei Alternative vorgeschlagen worden. Wenn es keine militärische Hilfe gibt, ist die militärische Niederlage des DVR und LVR unausweichlich. Ob diese Niederlage eine Woche eher oder einen Monat später kommt spielt keine Rolle. Der Gegner wird uns von der Grenze abschneiden und uns systematisch ersticken, das Territorium reinigen und ein oder zwei Millionen schwer bedürftige und verbitterte Flüchtlinge nach Russland treiben.“

Ob er mit dieser Prognose Recht behalten wird, werden die nächsten Wochen zeigen.

Und auf welcher Seite steht Strelkow?

Interessanterweise fragen sich auch die Russen, auf welcher Seite Strelkow nun eigentlich steht. Dient er Putin oder seinen eigenen, wie auch immer gearteten Überzeugungen?

In der Vergangenheit hatte Strelkow Putin nämlich offen kritisiert. Vor den Präsidentschaftswahlen 2012 hatte er dazu aufgerufen, weder die Demokraten noch Putin zu wählen, über den er sagt: "Seine ganze Politik geht auf Krücken. Er versucht, auf allen Stühlen zu sitzen, es dem Westen recht zu machen und die Zustimmung der ,Patrioten‘ einzuheimsen." Strelkow selbst soll bekennender Monarchist sein …

Der Chefredakteur der liberalen Moskauer Zeitung Nowaja Gazeta schließlich vermutet, dass wir von Strelkow in Zukunft noch hören werden. Er schrieb: "Wenn die Rebellen im Donbass scheitern, könnte sich in Russland eine neue rechte Opposition formieren, in der Strelkow eine führende Rolle übernimmt. Gegen sie wird Putins Regime friedfertig wirken."

(rf / afp / hinter-der-fichte.blogspot.de)



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