Ein demokratisches China

Warum engagieren sich weltweit viele Millionen in den Demokratie-Bewegungen und zur Überwindung totalitärer Strukturen? Derartige Fragen waren kürzlich erneut Inhalt einer internationalen Konferenz in den Räumen des Europarats in Straßburg.
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Foto: Klaus Rose
Von 8. Juli 2010

Hat Altkanzler Helmut Schmidt recht? Ist die Entwicklung Chinas am sichersten gewährleistet, wenn eine „stabile Regierung“ die Massen lenkt? Ist die derzeitige Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) also das Beste, was China beim glorreichen Aufstieg zur führenden Weltmacht passieren kann?

Nicht wenige Menschen im „Westen“ glauben inzwischen, dass die KPCh innerparteilich „demokratische Strukturen“ bekommen hat. Ist China also ein Vorbild zur Lösung der Probleme in einer Milliarden umfassenden Bevölkerung? Eine echte Alternative zu Indien, wo auch mehr als eine Milliarde Menschen leben, wo aber eine „Demokratie“ herrscht?

Schon vor 100 Jahren hatte das Kaiserreich China eine schwere Revolution erlebt. Im Jahr 1911 entstand die Republik China, als Sun Yat-sen nach dem Vorbild anderer Modernisierer eine neue Zeit ausgerufen hatte. Doch China erlebte bald unruhige Zeiten, Spaltungen, Invasionen, Bürgerkriege und auch zwei Weltkriege. Die republikanische Entwicklung zu einer stabilen Demokratie geriet in das Visier machtgieriger Kräfte und vor allem auch – erneut – ausländischer Mächte. Man denkt dabei stets an Japan oder die USA. Weniger bekannt ist, dass der sowjetische Diktator Stalin mit Waffenhilfe dem unpopulären Mao unter die Arme griff und dadurch die kommunistische Revolution von 1949 entscheidend beeinflusste.

In typisch marxistischer Geschichtslehre wird heute vom „Endsieg“ der Massen unter kommunistischer Führung geschrieben. Da hatte man alles Vorherige aus dem Gedächtnis verbannt, Sun Yat-sen genauso wie den ersten „demokratischen Präsidenten“ Chiang Kai-shek.

Doch plötzlich will die Führung der KPCh nicht bloß Konfuzius für sich beanspruchen, sondern auch Sun Yat-sen. Die eigentliche „Republik China“, deren Regierung sich nach Taiwan zurückzog, wird jetzt als Vorstufe der endgültigen Herrschaft der Kommunisten betrachtet. In marxistischer Dialektik sprechen die heutigen Parteichefs gar von der „wahren Demokratie“, weil sie als einzige die Interessen des Volks vertreten. Dabei ist bekannt, wenn auch vergessen oder als Wahrheit unterdrückt: noch nie wurde die kommunistische Partei Chinas und deren Regierung vom Volk gewählt.

Was ist überhaupt Demokratie?

Demokratie muss immer neu errungen werden. Sie kann leicht verloren gehen. Deshalb muss man auch stets die Wesensgrundlagen der Demokratie in das Gedächtnis rufen. Sie ist nämlich nicht bloß eine Staatsform, sondern vielmehr eine Lebensweise. Ein Staat mit demokratischen Wahlen, aber ohne rechtstaatliche Prinzipien (wie zum Beispiel im heutigen Russland), ist keine „lupenreine Demokratie“.

Demokratie heißt auch nicht „Herrschaft über  das Volk“, sondern „Dienst am Volk“, öffentlicher Service und Anerkennung der Wünsche des Volks. Beamte müssen Diener sein, höchsten moralischen Standard aufweisen, nicht „Dieb am Volk“ werden. Auch die freie Marktwirtschaft ist „Dienst am Volk“ und wird dann zur Sozialen Marktwirtschaft. Der Staat insgesamt muss in seinem Umgang mit anderen Staaten, mit anderen Völkern, „imperialistisches Gehabe“ ablegen. Er muss in seinem Inneren immer wieder die „Erziehung zur Demokratie“ gewährleisten, in Schulen, in Bildungseinrichtungen, in Parteien oder Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden.

Hat Helmut Schmidt recht, dass Chinas Zukunft nicht in der Demokratie liegt?

„Man darf sich nicht einmischen“ ist ein gern gehörter Satz im internationalen Geschäft. Vor allem die Volksrepublik China verbittet sich heute die „Intervention des Auslands“ und verweist auf historische negative Beispiele. China sei lange vom Ausland unterdrückt und erst durch die kommunistische Revolution befreitworden. Diese Errungenschaften lasse man sich nicht mehr nehmen. Außerdem habe China eine eigene Kulturentwicklung genommen und sei mit westlichen Werten nicht kompatibel.

Diese Behauptungen werden von westlichen Politikern und Gelehrten häufig unterstrichen, auch gerne von Helmut Schmidt, dem ansonsten geachteten „Elder Statesman“. Doch was stimmt?

1. Wenn „westliche Werte“ nicht zu China passen, weshalb huldigt man dort der westlichen Lehre des Karl Marx?

2. Wenn chinesischer Kommunismus die Milliardengemeinschaft des Volks in eine glückliche Zukunft führt, weshalb ist dieser Kommunismus gepaart mit dem westlichen Teufel „Turbo-Kapitalismus“? Warum gibt es also ungezählte Millionäre mit Bankkonten im Westen, aber auch 250 Millionen Menschen unterhalb des Existenz-Minimums?

3. Wenn „man darf sich nicht einmischen“ gilt, warum mischt sich dann ein Großteil des deutschen Volkes, regierungsoffiziell oder durch Bürgerinitiativen, in vielen anderen Teilen der Welt ein, aber nicht in China?

4. Wenn die Volksrepublik China als „Wirtschafts- und Militär-Großmacht im 21. Jahrhundert“ gilt, warum ist dann dort die Landwirtschaft in weiten Teilen bankrott, das Behörden- und Wirtschaftssystem korrupt, das Umweltgefüge zerstört, die Industrie nur mit westlichen Blaupausen überlebensfähig? Die Zahlen gezinkt? Wie früher in DDR – Sowjetunion?

5. Wenn schon westliche Werte für China vom Teufel sind, ist dann die massenhafte Hinrichtung oder Inhaftierung von Religionsanhängern, Minderheiten, Intellektuellen und Internet-Nutzern echtes chinesisches Traditions- und Kulturgut? Oder eher Folge eines totalitären Systems, genannt „Führung durch die Kommunistische Partei“?

Weltweite Demokratie-Bewegungen haben Zukunft

Soll man um der „Stabilität“ willen Macht anbeten und Menschenschicksale übersehen? Warum engagieren sich weltweit viele Millionen in den Demokratie-Bewegungen, zur Fortentwicklung in Demokratien und zur Überwindung totalitärer Strukturen? Derartige Fragen waren kürzlich erneut Inhalt einer internationalen Konferenz in den Räumen des Europarats in Straßburg. Dort hatte man früher freimütig über Unterdrückungen durch das Sowjetsystem gesprochen und später Russland und ehemalige Satellitenstaaten als Freunde aufgenommen.

Der „Council of Europe“, der Europarat, gibt den weltweiten Demokratie-Bewegungen große Hoffnung. Ist eine demokratische Wende wirklich nur Utopie? Die Zeitgeschichte lehrt etwas anderes.

Dr. Klaus Rose ist Parlamentarischer Staatssekretär a.D. und früherer Bundestagsabgeordneter der CSU.

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