Schafft alle Steuern ab – bis auf eine! Eine Analyse von Matthias Weik und Marc Friedrich

Steuern sollen die Menschen zahlen, wenn sie Leistungen aus dem Wertschöpfungsstrom entnehmen: beim Konsum. Nicht aber, solange sie ihren Beitrag zu diesem leisten. Es bestraft die Leistungen von Arbeitnehmern, Selbstständigen, Unternehmern und Unternehmen. Eine Analyse von Matthias Weik und Marc Friedrich.
Titelbild
Marc Friedrich und Matthias Weik: „Schafft alle Steuern ab – bis auf eine! Nämlich eine Steuer, die ausschließlich dann greift, wenn Menschen dem Wirtschaftskreislauf Leistung entnehmen: beim Einkaufen, beim Konsum.“Foto: Christan Staehle, Asperg
Von und 7. Juni 2017

Die Grundidee unseres Steuersystems ist ein Relikt aus dem Mittelalter: die Ertragsbesteuerung. Der größte Teil aller Steuern, die wir zahlen, wird von den Geldbeträgen abgezogen, die wir als Lohn, Gehalt oder Vergütung für bestimmte Leistungen erhalten. Im Prinzip hat sich da gegenüber der Praxis des mittelalterlichen Zehnten nicht viel geändert.

Den „zehnten“ Teil seiner Ernteerträge – oft war „der Staat“ auch damals freilich schon gieriger – musste der Bauer an den Grundherrn abführen. Der garantierte im Gegenzug polizeilichen oder militärischen Schutz und ein Minimum an Rechtssicherheit. Ebenso ließ er Straßen und andere Infrastruktureinrichtungen bauen. Alles klassische Gemeinschaftsaufgaben, die bis heute durch Steuern finanziert werden.

Güter und Dienstleistungen auf dem Markt anzubieten, war für die Wirtschaft dieser Zeit dagegen eher ein Randphänomen. Steuern dann zu erheben, wenn Menschen Waren kaufen oder Arbeit anderer in Anspruch nehmen, hätte in dieser Welt der Selbstversorgung folglich wenig gebracht.

Umsatz-, Mehrwert- und Verbrauchssteuern funktionieren dafür umso besser in einer Wirtschaftsordnung, in der die Menschen sich nicht mehr überwiegend selbst versorgen. Sondern in der sie Güter für andere erzeugen und Dienstleistungen für andere erbringen. Kurz: in einer Ökonomie der Fremdversorgung.

Dass wir praktisch nichts mehr selbst herstellen, sondern alles einkaufen müssen, ist historisch gesehen etwas ziemlich Neues.

Aber wenn wir ausschließlich von den Gütern und Leistungen anderer leben, ist es wirtschaftlich wie sozial vollkommen kontraproduktiv, die Erbringung von Leistung zu besteuern.

Was besteuert werden muss, ist die Entnahme von Leistung aus dem Wirtschaftskreislauf. Dazu muss man den Konsum besteuern – und sonst gar nichts.

Womit finanzieren wir derzeit unsere Gemeinschaftsaufgaben?

Gegenwärtig finanzieren wir unsere Gemeinschaftsaufgaben mittels einer undurchsichtigen Mischung von Steuerarten, die an verschiedenen Stellen in den Wirtschaftsprozess eingreifen. Außerdem mittels Sozialabgaben für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, die im Prinzip zweckgebunden sind.

Folgt man den aktuellen Revenue Statistics der OECD, dann verdanken sich die öffentlichen Einnahmen der Bundesrepublik Deutschland zu 31 Prozent der Besteuerung von Einkommen und Gewinnen, zu knapp 28 Prozent der Besteuerung des Verbrauchs, nur zu 2,6 Prozent der Besteuerung von Eigentum – und zu 38 Prozent den Sozialversicherungsbeiträgen.

Momentan finanzieren wir uns über drei Arten

1.) Substanzbesteuerung: Die Besteuerung von Eigentum

Die Steuer auf Eigentumswerte bzw. Vermögen ist die Mutter aller Steuern. Hier wird etwas Vorhandenes als solches, eine Substanz, besteuert. Zum Beispiel erhebt man die Fläche von Grund und Boden oder Immobilien.

Damit fing in der Antike alles an – und bis heute ist uns dieses Vorgehen in Form der Grundsteuer erhalten geblieben.

Substanzbesteuerung funktioniert auch bei Geld und Kapital. Eine Vermögenssteuer wurde hierzulande bis 1996 erhoben, allerdings nur in den alten Bundesländern. Natürliche wie juristische Personen mussten von ihrem Nettovermögen (Immobilien, diverse Formen der Kapitalanlage, Wertgegenstände etc. minus Schulden) jährlich einen gewissen Prozentsatz ans Finanzamt abführen. Der Steuerfreibetrag lag zuletzt bei 120.000 D-Mark pro Familienmitglied, der Steuersatz bei 1 Prozent. Kapitalgesellschaften mussten jährlich 0,6 Prozent vom bilanzierten Nettovermögen abführen. In der Summe hat das den Finanzministern der Länder zuletzt rund neun Milliarden D-Mark eingebracht.

Soll die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden?

Trotz des eher geringen Aufkommens wird eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer regelmäßig laut gefordert; über Freigrenzen und Steuersätze wird leidenschaftlich debattiert. Teilt man die privaten Haushalte in Deutschland in eine vermögende und eine weniger vermögende Hälfte, so besitzen die oberen 50 Prozent 97,5 Prozent aller Vermögenswerte.

Die oberen zehn Prozent, die mehr als 468.000 Euro auf der hohen Kante haben, besitzen knapp 60 Prozent. Weit mehr als ein Drittel hat überhaupt kein Vermögen.

Insgesamt machen die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden aus vermögensbezogenen Steuern weniger als 4 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus – und weniger als 1 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes.

Knapp die Hälfte dieses ohnehin winzigen Tortenstücks erbringt die Grundsteuer, rund 30 Prozent die Grunderwerbssteuer, weniger als ein Fünftel die Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Noch einmal sehr vereinfacht gesagt: Derlei Steuern greifen „den Reichen“ direkt in die Schatztruhe. Sie sollen nicht nur von dem abgeben, was sie aktuell verdienen, sondern auch von dem, was sie bereits besitzen. Dieses Ansinnen folgt einem moralisch und sozialpolitisch nachvollziehbaren Impuls. Wer mehr hat, soll einen größeren Beitrag zur Gemeinschaft leisten.

Die Frage ist jedoch, ob das mittels Besteuerung von Vermögenssubstanzen wirklich gelingt. Zumindest der Blick auf die Zahlen spricht dagegen: Diese Steuern bringen schlicht sehr wenig ein. Und wenn man die Sätze kräftig erhöhen würde? Dann brächten sie immer noch ziemlich wenig ein.

Uns ist klar, dass Symbolpolitik oftmals eine Rolle spielt. Aber das macht sie noch nicht zu einem Ersatz für eine gut durchdachte Steuerpolitik und erst recht nicht für eine wirklich gerechte Sozialpolitik – weshalb solche Steuern auch systematisch gesehen Unsinn sind, dazu später mehr.

2.) Ertragssteuern – die Besteuerung von Einkommen

Die ergiebigsten Steuern sind bis dato in allen ökonomisch entwickelten Staaten der Welt die Ertragssteuern. Sie speisen sich aus den laufenden Einkommen von Lohn- und Gehaltsempfängern, von Gewerbetreibenden und Freiberuflern; aus den Kapitaleinkünften natürlicher Personen; aus Mieteinkünften privater Haus- und Grundbesitzer und aus den Gewinnen von Unternehmen.

Mit rund 43 Prozent tragen Lohn- und Einkommenssteuern den mit Abstand größten Teil zum gesamten deutschen Steueraufkommen bei.

Die von den Arbeitgebern direkt ans Finanzamt abgeführte Lohnsteuer allein ein Viertel. Unternehmenssteuern wie die kommunale Gewerbesteuer oder die Körperschaftssteuer erbringen weitere zehn Prozent.

Ertragssteuern besteuern wirtschaftliche Leistungen von Menschen und Unternehmen in einem bestimmten Rechtsraum und in einem genau abgegrenzten Zeitraum. Sie greifen den Leuten also sozusagen nicht in die Schatztruhe, sondern ins Portemonnaie.

3.) Mehrwertsteuer – die Besteuerung des Konsums

Der dritte Weg, wie Bürger einen Beitrag zu den Gemeinschaftsaufgaben ihres Staates leisten, ist die Besteuerung ihres Verbrauchs. Die mit großem Abstand wichtigste Verbrauchssteuer ist die Mehrwertsteuer.

Rund 32 Prozent – nämlich 217 Milliarden Euro – trug sie hierzulande im Jahr 2016 zum gesamten Steueraufkommen bei.

An den Grundprinzipien und am Ausmaß der Besteuerung der Bürger lässt sich am besten ablesen, wie eine Gesellschaft ihren Wohlstand erwirtschaftet und wer ihn wofür nutzt.

Unser heutiges Steuersystem bewirkt aber genau das Gegenteil.

Es greift in die wirtschaftliche Leistung der Menschen ganz überwiegend an solchen Punkten ein, an denen ihre produktive Tätigkeit noch gar nicht zum Ziel – dem Konsum – gekommen ist. Und es verschleiert weitgehend, wann und wo unsere Gesellschaft die Früchte ihrer vielfältigen Leistungen genießt – und wie sie sie unterwegs verteilt.

Ein Imperium für Fachidioten: Unser Steuersystem vernebelt die Wirtschaft

Dieses Steuersystem ist nicht bloß maßlos kompliziert, womit es für eine Menge wirtschaftlich unproduktiver und gesellschaftlich letztlich nutzloser Arbeit sorgt. Vor allem führt es dazu, dass nicht jeder Bürger nachvollziehbar erkennen kann, woher das Geld kommt und wohin es fließt. Kurz, unser Steuersystem vernebelt beide großen Ströme jeder Wirtschaft: den Wertschöpfungsstrom und den Abrechnungsstrom.

Das klingt zunächst sehr abstrakt. Doch immer dann, wenn grundsätzlich etwas nicht (mehr) stimmt, müssen wir uns eben auch generell fragen, warum das so ist. Das ist übrigens ein weiterer Nachteil unseres heutigen Steuersystems:

Es blockiert jede Grundsatzdebatte, denn es ist ein Imperium für Fachidioten.

Die meisten seiner Regeln sind so verzwackt, dass ein Dutzend absoluter Steuerexperten in Detailfragen zu zwei Dutzend verschiedenen Antworten kommen kann. Mit der Folge, dass jede steuerpolitische Debatte normale Bürger nach fünf Minuten in den Tiefschlaf versetzt. Ausgenommen, irgendwer ruft mit erregt mahnender Stimme nach „Entlastung“. Am besten jener Zielgruppe, die die Mehrheit im Saal stellt.

Relikt aus dem Mittelalter: Lohn- und Einkommenssteuern

Unser Steuersystem passt vorn und hinten nicht mehr zu unserer hochgradig arbeitsteiligen und international verflochtenen Wirtschaft. Es ist – besonders in Deutschland – ein bürokratisches Monster; übermäßig und unnötig kompliziert, ineffizient und intransparent. Es ist ein teures Relikt aus der Zeit der Selbstversorger aus dem Mittelalter.

Und genau diese Einstellung ist es, die unser Denken über Steuern bis heute bestimmt.

Die Lohn- und Einkommenssteuer, sie ist im Grunde eine Art Zehnt 4.0.

Nur dass wir eben längst nicht mehr in einer Gesellschaft weitgehender Selbstversorgung leben, sondern in einer Gesellschaft vollständiger Fremdversorgung.

Alles, wirklich alles, was wir verbrauchen, stellen andere für uns her – oder wir für andere. Wir sollten darum endlich die alte Idee aufgeben, dass es am besten sei, Steuern vom Ertrag abzugreifen.

Steuern sollten gezahlt werden, wenn man etwas dem System entnimmt

Steuern sollen die Menschen zahlen, wenn sie Leistungen aus dem Wertschöpfungsstrom entnehmen: beim Konsum. Nicht aber, solange sie ihren Beitrag zu diesem leisten.

Es bestraft die Leistungen von Arbeitnehmern, Selbstständigen, Unternehmern und Unternehmen. Es subventioniert den Einsatz von Maschinen und Technik. Es verteuert dafür im Verhältnis die Arbeit von Menschen. Was sich überall dort rächt, wo deren Tätigkeit unverzichtbar ist: in vielen Bereichen der Dienstleistung, in der Erziehung, der Kultur oder der Pflege.

Darum sagen wir: Schafft alle Steuern ab – bis auf eine!

Nämlich eine Steuer, die ausschließlich dann greift, wenn Menschen dem Wirtschaftskreislauf Leistung entnehmen: beim Einkaufen, beim Konsum. Und nicht, wenn sie ihre Leistung, ihre Arbeit, ihre Ideen, ihre Power in das soziale Gefüge namens Wirtschaft einbringen.

Am 24. April 2017 ist ihr viertes Buch „Sonst knallt´s!: Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen“ erschienen, das sie gemeinsam mit Götz Werner (Gründer des Unternehmens dm-drogerie markt) verfasst haben.

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