Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft unklar – Ökonom: „Jeder rät herum“

Ökonomen reagieren zurückhaltend, wenn es um die Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft geht. Das liegt vor allem an unvollständigen Wirtschaftsdaten Chinas. Aber auch an der mangelnden Vergleichbarkeit mit SARS.
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Dienstleistungen können nicht nachgeholt werden, die Produktion schon. Die Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft sind daher mit den zu Zeiten von SARS nicht vergleichbar.Foto: STR/AFP/Getty Images
Epoch Times15. Februar 2020

Ökonomen sagen, dass die Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft gar nicht beziffert werden können, weil keine verlässliche Daten aus China kommen.

Dem Wirtschaftsweise Volker Wieland zufolge sei es „nicht auszuschließen, dass sie geschönt würden“, berichtete „Reuters“.

Für uns als Beobachter ist es immer schwierig, mit den offiziellen chinesischen Wachstumszahlen umzugehen. (…) Es gibt Studien, die nahelegen, dass schon in den letzten zehn Jahren durchschnittlich ein Prozent des gemessenen BIP eigentlich übertrieben ist und die Wirtschaftsleistung tatsächlich weniger gewachsen ist.“

„S&P Global“ rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von 5 Prozent für 2021, statt bislang 5,7 Prozent. Das ergibt sich aus einer Studie vom 7. Februar. Eine Entspannung soll ab dem dritten Quartal eintreten. Reisebeschränkungen könnten bis zum zweiten Quartal andauern. Wenn sich das Virus aber nicht eindämmen lässt, könnten die wirtschaftlichen Auswirkungen exponentiell sein.

Nicholas R. Lardy, Ökonom beim Peterson Institute for International Economics, rechnet sogar mit nur 4 Prozent Wachstum, wie „Reuters“ weiter berichtete. „Jeder rät herum. (…) Die Zahlen sind sehr lückenhaft”, sagte der Ökonom.

Dienstleistungen können nicht nachgeholt werden

Der pensionierte Finanz- und Bankexperte Dr. Ng Ming Tak aus Hongkong rechnet von fünf- bis zehnmal größeren Auswirkungen als bei SARS. Dies sagte er im Interview mit Epoch Times Hongkong. Das bedeutet, dass das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2020 um 15 Prozent sinken würde. Aktuell beträgt das BIP 6 bis 7 Prozent.

Nach Dr. Ng ist die heutige Wirtschaftsstruktur Chinas mit der zu SARS-Zeiten (2003) nicht vergleichbar. „Damals war China gerade in die WTO eingetreten, die Produktion betrug ca. 58 Prozent der gesamten Wirtschaft, und der Dienstleistungssektor ungefähr 30 Prozent. Aber heute ist es anders. Nach der Statistik 2019 trug die Dienstleistungsbranche 60 Prozent zur Wirtschaftsleistung Chinas bei und die Produktion nur gute 30 Prozent“, so der ehemalige Banker. Der Unterschied sei also, dass Dienstleistungen nicht nachgeholt werden können.

Ähnlich argumentiert Freya Beamish, Chefökonomin des Bereichs Asien vom Analysehaus Pantheon in London gegenüber „Reuters“. Die ausgefallene Produktion könnte im Laufe des Jahres aufgeholt werden, doch manche Dienstleistungen seien verloren. „Die Leute werden sich nicht zweimal die Haare schneiden lassen, weil sie sie im ersten Quartal nicht geschnitten haben, oder zwei Kaffees kaufen, um den versäumten Konsum aufzuholen“, so Beamish.

Bundeswirtschaftsministerium: Erhöhte Risiken wegen Coronavirus

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht in den Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft einen „neue[n] Risikofaktor“.

Die Risiken aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld durch die Ausbreitung des Corona-Virus [haben sich] erhöht“, hieß es im Monatsbericht für Februar.

Aber: „Die damit einhergehenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf China und seine Handelspartner sind gegenwärtig noch nicht abschätzbar“, heißt es weiter. Das entsprach allerdings der bisherigen Aussage.

Aber klar ist aus Sicht des Ministeriums: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich konjunkturell weiterhin in einer Schwächephase.“ Baugewerbe und Dienstleistungen würden sich gut entwickeln. Der Export stehe weiter unter Druck, verschärft durch den Virus.

Für 2020 rechnet das Ministerium mit einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent. 2019 betrug das Wachstum 0,6 Prozent. Und im letzten Quartal 2019 stagnierte das Wachstum. Das Statistische Bundesamt teilte am Freitag (15.2.) vorläufige Zahlen mit.

IfW: Virus belastet Industrie

Dr. Nils Jannsen, vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel, rechnet mit stärkeren Auswirkungen des Coronavirus auf die Weltwirtschaft als erwartet. Im ersten Quartal 2020 hält der Senior Researcher sogar ein negatives Wirtschaftswachstum in Deutschland für möglich. Denn:

Die Ausbreitung des Corona-Virus (…) belastet nicht nur deutsche Absatzmärkte, sondern auch die heimische Produktion, da asiatische Zulieferbetriebe nicht wie geplant arbeiten können und Lieferketten unterbrochen sind.“

Jannsen beobachtet ein Durchschlagen der Schwächephase auf die industrienahen Dienstleistungen. Eine Belebung von Industrie und Gesamtwirtschaft – so der Ökonom – könnte ab Mitte des Jahres eintreten.

Deutsche Bank: Rezession möglich

Die Deutsche Bank hält wegen der rasanten Ausbreitung des Virus eine Rezession in Deutschland für möglich. Für das erste Quartal rechnen die Ökonomen mit negativen Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt. Die Banker weisen jedoch auf die „extrem hohe Prognoseunsicherheit“ hin. Die Studie liegt der Epoch Times vor.

Aktuell sei eine Einbuße von 0,2 Prozent beim Wirtschaftswachstum möglich. Das Bruttoinlandsprodukt würde im ersten Quartal 2020 damit minus 0,1 Prozent betragen. Der Höhepunkt soll im Februar erreicht sein und danach wirtschaftliche Erholung eintreten.

Mit „Vorsicht, zerbrechlich!“ könnte man die aktuelle wirtschaftliche Lage Deutschlands treffend beschreiben, so die Bänker.

(Mit Material von dpa)



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