Ai Weiwei: Macht euch keine Illusionen über mich

Um Ai Weiwei die geraubte Stimme zurückzugeben, erlaubt der Galiani Verlag Berlin, einen Text mit Hinweis auf das bald erscheinende Buch kostenfrei abzudrucken, ins Internet zu stellen oder zu verlesen.
Titelbild
Verlag Galiani Berlin
Epoch Times23. Juni 2011

Der wegen „Wirtschaftsverbrechen“ angeklagte chinesische Künstler Ai Weiwei schrieb von 2006-2009 einen – in China berühmt gewordenen – Blog über sein Leben, sein Werk und die Entwicklungen in China. Weil Ai Weiwei in seinem Blog mit Kritik nicht hinterm Berg hielt, wurde dieser im Mai 2009 verboten und sein Inhalt wurde gelöscht. Ai Weiwei ließ sich nicht einschüchtern und äußerte sich weiter per Twitter. Am 3. Juni 2009 twitterte er den unten abgedruckten Text der dem 4. Juni, den Jahrestag des Massakers auf dem Tianamenplatz gewidmet – einen Tag, den die chinesische Regierung am liebsten verschweigen will.
Ai Weiweis Blog und einige seiner Tweets werden am 25. Juli diesen Jahres in deutscher Übersetzung unter dem Titel Macht euch keine Illusionen über mich. Der verbotene Blog beim Verlag Galiani Berlin erscheinen. Der Text wird Teil der Ausgabe sein.

Um Ai Weiwei die geraubte Stimme zurückzugeben, erlauben wir hiermit, den Text mit Hinweis auf das bald erscheinende Buch kostenfrei abzudrucken, ins Internet zu stellen oder zu verlesen.

Wolfgang Hörner, Esther Kormann und das Team von Galiani Berlin

Lasst uns vergessen

Gepostet am 3. Juni 2009

„Lasst uns den 4. Juni vergessen, diesen Tag, der keine besondere Bedeutung hat. Das Leben hat uns gelehrt: In einem totalitären Regime sind alle Tage gleich, alle totalitären Tage sind ein einziger Tag, es gibt keinen Tag Zwei, kein Gestern und kein Morgen.
Weil das so ist, brauchen wir nur das Kontinuum und keine speziellen Abschnitte der Wirklichkeit, keine Phasen der Gerechtigkeit oder Gleichheit.

Menschen ohne Redefreiheit, ohne Pressefreiheit und ohne Wahlrecht sind keine Menschen und brauchen kein Gedächtnis. Wenn wir aber kein Recht auf ein Gedächtnis haben, wählen wir das Vergessen.

Lasst uns jede Verfolgung, jede Demütigung, jedes Massaker, jede Vertuschung, jede Lüge, jedes Versagen und jeden Toten vergessen, alles, was in der Erinnerung schmerzen könnte, und lasst uns immer auch gleich vergessen, dass wir etwas vergessen. Alles geht mit rechten Dingen zu, so dass sie uns auslachen, als seien sie unbescholtene, anständige Herren.

Vergessen wir die Soldaten, die auf Zivilisten geschossen haben, die Panzer, die mit ihren Ketten die Körper der Studenten zermalmt haben, die Kugeln, die durch die Straßen geflogen sind, und das Blutvergießen, die Stadt und den Platz, wo keine Tränen vergossen wurden. Vergessen wir die endlosen Lügen und die Machthaber, die auf unserem Vergessen bestehen, vergessen wir ihre Schwäche, ihre Tücke und ihre Unfähigkeit. Ihr werdet sie bestimmt vergessen, man muss sie vergessen, sie können nur existieren, wenn man sie vergisst. Um überleben zu können, lasst uns vergessen.“

Ai Weiwei: Macht euch keine Illusionen über mich. Der verbotene Blog

Herausgegeben von Lee Ambrozy

Verlag Galiani Berlin

Vorablesung am 27. 6. um 20 Uhr im Literaturhaus Berlin

Verlag Galiani Berlin 
Verlag Galiani Berlin


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion