China: Big Brothers beobachten sich gegenseitig

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Chinesische Beamte laufen Gefahr, zu jeder Zeit und an jedem Ort abgehört zu werden.Foto: AFP/Getty Images
Von 2. Januar 2013

 

Sie sind Beamte und Verantwortungsträger in China und laufen deshalb Gefahr, zu jeder Zeit und an jedem Ort abgehört zu werden – für Unbeteiligte eine unvorstellbare Situation. Die chinesische Zeitung Nanfang Zhoumuo interviewte im Dezember 2012 einen Mann, der die Entfernung solcher Abhörgeräte zu seinem Beruf gemacht hatte. Dies liefert einen seltenen Einblick in das Beamtenleben in China.

Der Mann nannte sich Qi Hong. Der ganze Inhalt des Interviews wurde nicht veröffentlicht. „Es geht nicht“, hieß es von Seiten der Zeitung. Was bekannt wurde, war: Allein im Jahr 2011 hat Qi Hong bei über einhundert Beamten mehr als 300 Abhörgeräte in ihrer Umgebung gefunden. In Spitzenzeiten entfernte er innerhalb einer Woche über 40 Abhörgeräte.

Eine Umarmung unter „Freunden“

Seine Geschichte begann mit einem Restaurantbesuch, bei dem sich ein paar Beamte an einem großen Tisch versammelt hatten. Ein Beamter aus Shanxi erzählte, dass heutzutage das Abhören von Beamten sehr häufig sei. In Shanxi begrüßen sich Beamte mit einer Umarmung, um zu tasten, ob ein Kollege Abhörgeräte bei sich trage. Bei Besprechungen wichtiger Themen gehen sie ins öffentliche Bad.

Vermutlich wurden in einem der Beamten, der bei diesem Essen anwesend war, durch das Gespräch Befürchtungen geweckt und dieser wurde der erste Kunde von Qi Hong. Qi Hong erinnerte sich an seinen ersten Fund: Zwei Abhörgeräte und eine Nadelkamera, die in der Klimaanlage des Büros versteckt waren. Der Beamte, dessen Rang mit einem Abteilungsleiter vergleichbar ist, „wurde sofort blass und starrte an die Decke“. Nach zwei oder drei Stunden sei er erst wieder zu sich gekommen und habe zu Qi Hong gesagt, dass er seine Geliebte dahinter vermute, die sich „sehr gut verstellt hat“. In der folgenden Woche habe dieser Beamte seinen Chef mehrere Male mit Geschenken besucht und endlich einen Hinweis erhalten. Sein Stellvertreter stecke wohl dahinter und sein Chef empfahl, diesen an eine Position mit mehr Arbeit und größerer Herausforderung zu versetzen. Er sei dem Rat gefolgt und danach sehr erleichtert gewesen.

Mit diesem ersten Fund wurde Qi Hong bei den Beamten bekannt und bekam immer mehr Aufträge. Er meinte, dass er verschiedene Reaktionen beim Fund von Abhörgeräten erlebt habe. Manche begannen zu schimpfen, manche bekamen Angst, manche erlitten sogar einen Herzanfall und mussten ins Krankenhaus. Aber bei den Beamten, bei denen nichts entdeckt wurde, sah er auch keine Erleichterung. Sie waren besorgt und zweifelten daran, ob die Instrumente von Qi Hong zum Aufspüren gut genug waren.

Der ehrliche Beamte – ein gefährlicher Fremdkörper

Trotz der Hilfe von Qi Hong, ist eine „Tragödie“ passiert. Eine Woche nachdem er bei einem Freund Abhörgeräte gefunden hatte, wurde dieser wegen Korruption verhaftet. Nach der Beschreibung von Qi Hong sei dieser Freund ein sehr netter Mensch mit Prinzipien. Mitten in einer Schar von korrupten Beamten werde ein ehrlicher Beamter jedoch als gefährlicher Fremdkörper betrachtet. Als er diesen Freund im Gefängnis besuchte, habe dieser zu ihm gesagt, dass er nur einmal wegen des nicht mehr auszuhaltenden Drucks seines Vorgesetzten Geld genommen habe. Er war wütend und traurig, weil es eine Falle gewesen sei, um ihn aus dem Weg zu räumen. Er bedauere aber nicht die Korruption, sondern dass er so lange nicht korrupt gewesen sei. „Wenn ich das gewusst hätte, wäre es mir lieber gewesen, mit ihnen zusammen Korruption zu treiben.“ Dann hätte er seine Ruhe gehabt, denn eine Krähe hacke der anderen kein Auge aus.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Spionage als Freundschaftsdienst?

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Die Abhörgeräte kommen jedoch nicht nur von Feinden, sondern auch von sogenannten „Freunden“. Nach Erklärungen von Qi Hong sei die erste Reaktion von Beamten, nachdem bei ihnen Abhörgeräte gefunden wurden, der Versuch festzustellen, ob diese von der Disziplinarischen Inspektion der Partei kämen. Dann informieren sie ihre Verbündeten, um Schutz zu bekommen.

Einmal hatte Qi Hong bei einem Beamten Abhörgeräte gefunden. Dieser Beamte wurde danach plötzlich sehr bescheiden zu seinen Kollegen, „als ob er ein Kind wäre, das wegen der Angst vor Strafen den Erwachsenen schmeichelt“. Nach gründlicher Untersuchung sei klar geworden, dass die Abhörgeräte von seinen Verbündeten stammten, die einer „Gefahr vorbeugen“ wollten. Durch diesen Zwischenfall sei seine „Loyalität“ sehr gestärkt worden.

Auch Verwandte stehen plötzlich unter Verdacht. Nachdem bei einem Beamten Abhörgeräte gefunden wurden, meinte er gelassen, dass diese von seiner Frau stammen müssten, weil er an seinem Arbeitsplatz sehr beliebt sei. Er meinte, dass alle anderen an seinem Arbeitsplatz mit ihm zusammen Korruption treiben und jeder viele Vorteile bekomme. Deshalb werde ihn niemand überwachen wollen.

Es ist ein schmutziger Job…

Qi Hong meinte, dass er am Anfang noch neugierig auf das Beamtenleben und auf die verborgene Seite der Menschen gewesen sei. Später habe er bemerkt, dass sein Beruf Freundschaften kosten könne. Bei einem befreundeten Beamten habe er in dessen Auto Abhörgeräte gefunden. Er habe in ein verzerrtes Gesicht geblickt: „Man hat das Gefühl, dass seine Haut plötzlich Falten wirft, als ob er von einer Atombombenexplosion verstrahlt worden wäre“. Nach einigen Tagen sei dieser Freund plötzlich zu ihm gekommen und habe gesagt, dass er zwei Geliebte habe, mit denen er die Beziehung beenden werde. Qi Hong meinte jedoch, dass es um sein Privatleben gehe und er sich nicht dafür interessiere. Wenn es ihm lieber sei, könne er den Fall und ihre Freundschaft auch vergessen.

Bei anderen scheint das Misstrauen deutlicher zu sein. Qi Hong erklärte, dass einige Beamte ihn inzwischen verdächtigen. Einmal habe ein Beamter Qi Hong gefragt, ob er vorhabe, bei ihm Abhörgeräte zu installieren.

Inzwischen hat Qi Hong kein Interesse mehr an diesem Beruf. Er hat alle seine Instrumente verschenkt und macht jetzt eine andere Arbeit. Qi Hong meinte: „Es war interessant, verschiedene traurige und ängstliche Reaktionen dieser Beamten erlebt zu haben. Weiter muss man nicht forschen, ihre Reaktionen sagen alles“.

 



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