„Die tatsächliche Todeszahl ist viel, viel höher!“

Titelbild
Ein Vater und sein toter Sohn in Hanwang. (Mark Ralston/AFP/Getty Images)
Epoch Times17. Mai 2008

72 Stunden – die „Goldene Zeit“ für die Rettung von Erdbebenopfern – ist abgelaufen, die Lebenshoffnung der unzähligen Verschütteten wird immer kleiner. Fast zur gleichen Zeit wurde die Berichterstattung der staatlichen Medien geändert. Es gibt immer weniger konkrete Berichte über die Situation der Erdbebenregionen, stattdessen immer mehr über die Parteipolitik, Funktionärssitzungen und Anweisungen.

Wie fühlt sich nun das chinesische Volk? Haben sie auch ihre Hoffungen aufgegeben? Epoch Times telefonierte am 15. Mai mit Frau Li aus der Provinz Sichuan. (Ihr Name wurde aus Sicherheitsgründen von der Redaktion geändert.)

ETD: Was haben Sie über die Situation des Erdbeben erfahren?

Li: Wissen Sie, worüber in den Nachrichtensendungen von CCTV (China Central Television, der wichtigste staatliche Fernsehsender) am meisten berichtet wird? Alle fünf Minuten wird über die Partei- oder Behörden-Sitzungen zur Rettung nach dem Erdbeben berichtet, oder Gespräche mit irgendwelchen Leitern der Nothilfebüros ausgestrahlt.

Aber wir wollen alle wissen, wie die tatsächliche Situation in der Erdbebenregion ist, wie viele Menschen gestorben sind, wie viele Menschen noch unter den Trümmern liegen. Solche Berichte gibt es aber leider viel, viel zu wenig. Wenn etwas davon berichtet wird, dann geht es immer nur um die Situation in Dujiangyan und Chendu. Aber das sind Dinge, die wir schon längst wissen. Es gibt noch viele schwer betroffene Orte, über die wir gar nichts wissen.

ETD: Was haben Sie bisher durch Familienangehörige erfahren?

Li: Nicht nur durch Familienangehörige, auch durch Freunde und Studienkollegen. Haben Sie schon etwas aus Deyang und Hanwang gehört?

ETD: Ja, die Situation dort ist meiner Information nach nicht so günstig.

Li: Von Hanwan, erzählen meine Freunde, dass dort kaum Leute aus den Gebäuden herausgekommen sind, daher haben in Hanwan nur sehr, sehr wenige Menschen überlebt. In drei Gemeinden in Deyang ist die Situation ähnlich.

Nach dem Erdbeben wurden Soldaten und Paramilitärpolizei dort hingesandt, aber während der Rettungsaktion gab es einen Bergrutsch und die meisten Soldaten sind dadurch selbst ums Leben gekommen. Danach wurden dort keine weiteren Hilfskräfte mehr eingesetzt. Aus diesem Grund wird der Informationsfluss über Hanwang die ganze Zeit blockiert. Aber es haben kaum Menschen in diesem Gebiet überlebt. (Anm. d. Hanwang hat rund 60.000 Einwohner.)

ETD: Wie hoch sind die Todeszahlen, die Sie gehört haben?

Li: Ein Freund von mir kommt aus Deyang, ich habe ihn gefragt, wie viele Menschen wirklich gestorben sind. Er sagte mir: „Die Zahl, die offiziell genant wird, ist nur die Spitze des Eisberges! Sie ist viel zu weit von der tatsächlichen Zahl entfernt.“

ETD: Viele westliche Regierungen und Organisationen haben der chinesischen Regierung ihre Hilfe angeboten. Aber das kommunistische Regime nennt verschiedene Gründe, um den Einlass der internationalen Rettungskräfte zu verweigern. Wie denken Sie darüber?

Li: In China gibt es im Vergleich zu vielen westlichen Ländern sehr wenige erfahrene Rettungsfachkräfte. Solche Expertenteams werden aber dringend gebraucht. Warum das Regime das ablehnt, so denke ich – und auch meine Freunde reden davon -, dass sich dahinter geheime politische Interessen verstecken.

Mein Herz wurde besonders schwer, als ich sah, dass so viele Schüler unter den Trümmern ums Leben gekommen sind. In einem Ort sind die Schulgebäude alle „Käsegebäude“ (Bruchbuden, Anm.d.Red.), sie sind nur aus Beton gebaut, und haben kaum Stahlverstrebungen. Wenn ein Erdbeben kommt, stürzen sie sofort ein. Aber von den Regierungsgebäuden sind die wenigsten eingestürzt. Ein solcher Gegensatz ist sehr makaber und macht einen traurig!

DIe Baubranche in China ist so korrupt, dass überall nur „Käsegebäude“ gebaut werden. Jeder versucht das Geld in die eigene Tasche zu leiten, das Leben der anderen ist dabei zweitrangig. Warum hat sich das alles so weit entwickelt? Das ist im Grunde ein Systemproblem!

ETD: Außer Hanwang, was wissen Sie noch von anderen Städten?

Li: Wie Sie vielleicht auch gehört haben, berichten die staatlichen Medien von 7.000 Toten in der Kreisstadt Beichuan. Mein Freund sagte mir, dass das überhaupt nicht stimmt, weil 80 Prozent der Häuser in Beichuan dem Erdboden gleich sind. Wissen Sie, alle Kreisstädte in der Provinz Sichuan haben mindestens 100.000 Einwohner. Wenn 80 Prozent der Häuser völlig eingestürtzt sind , wie kann es dann sein, dass nur 7.000 Menschen gestoben sind? Das ist absolut unmöglich.

Jetzt laufen im Fernsehen gerade wieder die Nachrichten von CCTV – wieder wird der Inhalt einer Sitzung verlesen. Ich lese es Ihnen mal vor: ‚Der ständige Ausschuss des Politbüros des Zentralkomitee der KP Chinas ruft wieder zu einer Sitzung auf… Der Inhalt der Sitzung ist sehr lang. So liest der Nachrichtensprecher alle fünf Minuten denselben Inhalt vor, alle fünf Minuten! In diesem entscheidenden Moment berichten sie nur so etwas Unwesentliches. Wir wollen etwas über die Situation der Erdbebenregionen wissen! Ich weiß nicht, was sie tun!

Viele Leute rund um mich herum kommen aus den Erdbebenregionen. Auch sie haben von ihren Verwandten viel Schlimmeres erfahren. Wir wissen, dass das Regime für seinen politischen Bedarf die Tatsachen verschleiert.

ETD: Stimmt die offizielle Todeszahl in Dujiangyan?

Li: Meine Freunde sagen mir, dass die Todeszahl in Dujiangyan bei 20.000 liegt. Aber die offizielle Zahlen liegen weit darunter!

So viele Kinder, so viele unschuldige Kinder sind gestorben. Ich bin furchtbar traurig. Solch eine Tragödie darf sich nicht mehr wiederholen! Wir müssen von dieser blutigen Lektion lernen.

Ich finde die Partei und die Regierung so ohnmächtig und so korrupt! Die haben alle von den schlechten Bauprojekten profitiert. Aber so etwas hört man gar nicht im Fernsehen. Sie reden nur davon, dass die Schulen eingestürzt seien und sie gehen hin, um die Schüler zu retten. Aber kein Wort wird erwähnt, dass im Gegensatz dazu keine Regierungsgebäude eingestürzt sind. So kennen viele Menschen nicht die Wahrheit! In Hanwang sind fast alle gestorben. Der Freund von mir ist einer der wenigen Überlebenden!

Als ich die vielen toten Kinder sah, wünschte ich mir sehr, dass in China irgendwann Demokratie und Freiheit kommt! Ich wünsche von Herzen, dass dieses diktatorische System beendet wird, das den Parteifunktionären dient und unter dem die Masse der Bevölkerung leidet!

Ich hoffe, dass viele Menschen meinen Aufruf hören werden. Wissen Sie, wenn man noch in China lebt und über Demokratie und Menschenrechte redet, hört einem niemand richtig zu. Man wird dann als eine Person angesehen, die gegen die Partei und gegen das sozialistische System ist! Wir haben Angst, unterdrückt zu werden. Wir hoffen, dass unsere Stimme durch die ausländischen Medien von vielen Menschen gehört werden kann. Wir wünschen uns ein demokratisches und freies China!

Die Frage wurden von Gao Lin gestellt.



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