Dreizehn chinesische Zeitungen veröffentlichen einen Ruf nach Reformen

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In elf Provinzen Chinas veröffentlichten dreizehn Zeitungen am 1. März eine gemeinsame Erklärung, in der sie eine Beschleunigung der Reform des Meldesystems verlangten.Foto: Internet screenshot
Von 7. März 2010

Dreizehn Zeitungen in China unternahmen den ungewöhnlichen Schritt, am 1. März eine gemeinsame Erklärung der Herausgeber zu veröffentlichen, die die Launenhaftigkeit von Chinas Meldesystem (Hukou genannt) ins Rampenlicht rückte. Der Ruf nach Reformen des Hukou-Systems kommt zu einem sensiblen und vielleicht genau kalkulierten Zeitpunkt; denn jetzt stehen die sogenannten „Zwei Sitzungen“ an, die des Nationalen Volkskongresses und die der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes.

Der Artikel, zu dem auch Unterzeichner wie die relativ liberale „Southern Metropolis Daily“ gehören, argumentiert, dass die Reform des Hukou-Systems notwendig ist, um das Volk zu beschwichtigen und zeitgemäß zu werden.

Das gegenwärtige Meldesystem hat laut Artikel zu Ungleichbehandlung von Stadtbewohnern und Bauern und ebenfalls von Stadtbewohnern untereinander geführt. Darüber hinaus schränke das Hukou-System die Bewegungsfreiheit ein, vergewaltige offen die chinesische Verfassung und sei ein Inkubator für Korruption geworden, weil der Status von Stadtbewohnern von kommunistischen Parteikadern, die als Mittelsmänner fungieren, gekauft und verkauft werde.

Das Hukou-System wurde in Jahre 1958 von Luo Ruiqing, dem Direktor des Amtes für Öffentliche Sicherheit eingeführt. Er erklärte, dass es dazu diene, „die Bevölkerung aus ländlichen Gegenden daran zu hindern, blindlings in die Städte zu strömen.“ Das sollte angeblich mit der „Freiheit der Bewegung und der freien Wahl des Wohnsitzes“, die in der Verfassung garantiert ist, übereinstimmen. Diese Klausel jedoch wurde im Jahre 1975 aus der Verfassung gestrichen und damit verlor das Hukou-System seine konstitutionelle Basis.

„Die Tatsache, dass es Bestimmungen gibt, die die Verfassung übertrumpfen können, verdeutlicht, dass China kein Rechtsstaat ist,“ erklärte Grace Lee, eine ehemalige chinesische Richterin, die jetzt in den Vereinigten Staaten lebt. „Das Hukou-System zusammen mit dem früheren ‚Verhaftungs- und Auslieferungssystem‘ stellen zwei schlechte Gesetze im modernen China dar, um die Bauern einzuschränken und zu diskriminieren,“ sagte sie.

Kurz nachdem das Hukou-System eingeführt war, kam über das ländliche China die große Hungersnot, die durch Maos Kampagne „Der Große Sprung nach vorn“ ausgelöst wurde. Viele Millionen verhungerten, als sie gezwungen wurden in Kolchosen zu arbeiten und sich von nur einem halben Pfund Getreide pro Tag ernähren mussten. Gleichzeitig wurden die Bauern durch das Hukou-System daran gehindert, woanders hinzugehen.

Zur Zeit der modernen Wirtschaftsreform gibt es keine Freiheit, Eigentum und Sicherheit für viele Wanderarbeiter. Das sind diejenigen, die vom Land in die Städte ziehen, um dort zu arbeiten. Sie werden ausgebeutet, weil sie keinen legalen Status haben. Der Wissenschaftler Hein Mallee verglich in einem Artikel im Jahr 2000 die Rechte der Wanderarbeiter in China mit den illegalen Fremdarbeitern in anderen Teilen der Welt.

Die Bemühungen von Millionen von Wanderarbeitern, gegen die kompromisslose kommunistische Bürokratie anzukämpfen, haben in den letzten Jahrzehnten das Hukou-System in wichtigen Punkten geschwächt aber bedeutende Elemente sind geblieben.

Das Hukou-System ist laut Frau Lee immer noch wirksam und erleichtert es dem Amt für Öffentliche Sicherheit, die Bevölkerung sowohl in Städten als auch auf dem Lande zu kontrollieren. Und was noch wichtiger ist: örtliche Kader können Riesenprofite beim Verkauf im Meldewesen machen.“Es gibt einen Preis für das Meldewesen in jeder Stadt in China. Es kostet zum Beispiel 3 Millionen Yuan (440.000 US-Dollar), wenn man ein Haus in Peking oder Schanghai kaufen will, um dort Bewohner zu werden. Es kostet 2 Millionen Yuan (293.000 US-Dollar), wenn man nach Guangzhou ziehen will und 1 Million Yan ( 147.000 US-Dollar) nach Dalian,“ erklärte Lee.

Das Gleiche gilt für Anmeldungen an der Schule, die man erreichen kann, wenn der Preis stimmt.

Der Artikel appelliert an die Vertreter und Mitglieder der „Zwei Sitzungen“, einen klaren Zeitplan für die Abschaffung des Hukou-Systems vorzulegen.

Hinter dem Artikel verbirgt sich mehr

Ein bekannter demokratischer Aktivist aus Shanghai, der die politische Entwicklung beobachtet, erklärte der Epoch Times, dass der Grad der Kooperation zwischen den Provinzen, den die 13 Medien aufzeigen, indem sie einen gemeinsamen Artikel den „Zwei Sitzungen“ vorlegten, darauf hinweise, dass sie vorher eine „Art von Anleitung“ erhalten hätten.

Weil die beteiligten Zeitungen nicht direkt zum offiziellen Sprachrohr der kommunistischen Partei gehören, würden sie das Regime nicht zu sehr in Verlegenheit bringen, selbst wenn sie die Gesellschaft aufrüttelten. Andererseits würde ihre Offenheit den falschen Eindruck erwecken, dass es einen gewissen Grad an Redefreiheit unter dem Regime der KPCh gebe – dieser falsche Eindruck habe sich durch Berichte ausländischer Medien verbreitet.

Für die 13 Zeitungen ist es eine Situation, in der sie nur gewinnen können, sagte der Kommentator.

Falls ein so großes soziales Problem tatsächlich die Aufmerksamkeit der „Zwei Sitzungen“ auf sich ziehen kann, wird die Bedeutung dieses Artikels der Zeitungen nur noch größer. Falls nicht, wird man sie immer noch als etwas bezeichnen, das sich für Gerechtigkeit einsetzt. „Sie werden das Regime nicht zu sehr angreifen und darum gehen sie auch kein Risiko ein“, erklärte er.

Der demokratische Aktivist wollte nicht, dass man seinen Namen veröffentlichte. Er erklärte, er sei schon einmal wegen politischem Dissens im Gefängnis gewesen und wolle das nicht ein zweites Mal erleben.

Der Wissenschaftler Ling Cangzhou schrieb in seinem Blog, dass solche gemeinsamen Artikel den Trend in China anführen, gleichzeitig aber auch Gefahren bergen. Es zeige, dass die Journalisten bereits die Geduld und das Vertrauen in politische Reformen verlören. Er lobte das Vorgehen des „Southern Metropolis Daily“.

Die Publikation löste eine Welle von lebhaften Online-Debatten aus, als Netzbürger ihre Unzufriedenheit mit dem Hukou-System ins Internet stellten. Einige erklärten, dass sie, obwohl sie einen ordentlichen Job in der Stadt hätten, immer noch durch den Hukou-Status von ihren Familien getrennt seien. Andere drückten ihren Pessimismus über die Lösungsvorschläge aus und argumentierten, dass die Reform des Meldesystems sich auf zu viele Gebiete erstrecke. Wieder andere gaben ihrer Meinung Ausdruck, dass einer der bedeutendsten Vorschläge im Artikel, nämlich der Vorschlag, einen Einwohnerausweis einzuführen, ein „betrügerischer Trick“ in sich sei.

„Es wird noch ein langer und mühsamer Weg werden, um das Hukou-System zu reformieren,“ erklärte Lee. „Es stehen so viele wichtige Interessen auf dem Spiel.“


Orginal-Artikel auf Chinesisch: 两会前13家报纸罕见发表户籍改革联合社论

Artikel auf Englisch: China’s Household Registration System Criticized

 

 



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