Korruptionsbekämpfung in China

Medien haben den Berichterstattungslinien der Partei zu folgen
Titelbild
Am 14.3.2004 im Nationalen Volkskongress. Vorne links Premier Wen Jiabao, vorne rechts Präsident Hu Jintao, dahinter steht lauschend der ehemalige Präsident Jiang Zemin (Foto: Getty Image)
Von 4. Oktober 2006

Das Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) beschloss, den KP-Generalsekretär von Shanghai, Chen Liangyu, wegen Korruptionsverdacht aus seinem Amt zu entlassen und seinen Sitz im Politbüro aufzuheben. Ein aus über 100 Personen bestehendes Sonderermittelungsteam wurde von dem innerparteilichen Disziplinarausschuss nach Shanghai gesendet. Das Politbüro der KPC ist das höchste Machtorgan des kommunistischen Staates. Chen gehört zu den derzeit 24 mächtigen Mitgliedern des Politbüros.

„Mit der Vertiefung der Ermittlungen könnten vielleicht noch andere Personen in die  Diskussion geraten.“, so Regierungsvertreter Gai Yisheng* bei einer Pressekonferenz am 26. September, „egal, wer es ist, egal, wie hoch seine Position ist, wer gegen die Regeln der Partei und gegen das Gesetz verstößt, wird genau überprüft. Die Korrupten werden schwere Strafen erhalten und diejenigen, die nur Fehler begangen haben, werden belehrt und erzogen.“  Die Rede von Gai soll der Öffentlichkeit demonstrieren, wie entschlossen die KP ist, gegen die Korruption in den eigenen Reihen vor zu gehen und die Disziplin in der Partei wiederherzustellen. Folgerichtig regierungskonform wertete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua dieses Vorgehen gegen Chen auch umgehend als Beweis für die Entschlossenheit des systematischen Kampfs gegen die Korruption. Ist es wirklich ein Kampf  gegen Korruption oder eher gegen die verbliebene Gefolgschaft von Präsident Hu Jintaos Amtsvorgänger Jiang Zemin?

Korruptionsbekämpfung nur ein Spiel

Als Jiang Zemin an der Macht war, stellte er ebenfalls die Korruptionsbekämpfung als eine der wichtigsten Aufgaben der KP in den Mittelpunkt. Es war die „Frage von Leben und Tod“ für die Partei und den Staat selbst, da die Korruption die Herrschaft der KP untergraben könnte. In den Jahren 1992 bis 2002 hielt Jiang jedes Jahr vor einem der höchsten Parteigremien eine wichtige Rede zu diesem Thema, die alle Parteimitglieder anschließend zu studieren hatten. Ständiges Hören und Lesen von Propaganda und das Studium der Reden von Jiang hat aber den Parteimitgliedern nicht sonderlich geholfen, der Korruption zu widerstehen. 1995 wurde der KP-Generalsekretär von Peking, Chen Xitong, seinerzeit auch Mitglied des Politbüros, wegen Korruption aus der Partei ausgeschlossen und zu einer 16-jährigen Haftstrafe verurteilt. Aber selbst 16 Jahre Strafe konnten die Parteimitglieder nicht von Bestechung und Korruption abhalten, denn für „bewusste“ Parteimitglieder  war es doch klar, dass Jiang „nur ein Spiel spielte“, um seine politischen Gegner aus dem Weg zu räumen und Zustimmung in der Bevölkerung zu gewinnen.

Hu Jintao muss nun als Nachfolger von Jiang die grassierende Korruption bekämpfen. Die alles durchdringende Korruptheit in den Reihen der Parteikader hat längst zu großer Empörung und Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt – die Akzeptanz der KP im chinesischen Volk scheint einen historischen Tiefpunkt erreicht zu haben. Die nach offiziellen Angaben 87.000 sozialen Unruhen im vorigen Jahr erfolgten in den meisten Fällen wegen Korruption und veruntreuten Geldern.

Wiederholt sich das gleiche Spiel?

Chen Liangyu, Generalsekretär der Kommunistischen Partei in Shanghai, hat wegen Korruption in der Shanghaier Bevölkerung schon seit langem einen schlechten Ruf. Die Entlassung des KP-Chefs fände sicherlich große Zustimmung bei den Einwohnern von Shanghai. Chen sei nicht nur in die Veruntreuung von 3,2 Milliarden Yuan Versicherungsgeldern aus der städtischen Sozialkasse verwickelt, sondern habe sich auch für illegale Geschäftemachereien eingesetzt und seine Mitarbeiter geschützt, auch wenn sie schwere Gesetzesverstöße begangen hatten, schrieb Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Chen hat nun auch seinen Platz im Politbüro verloren.

Drei Tage nach diesem Skandal wurde dem stellvertretenden Sekretär des städtischen Komitees von Shanghai, Sun Luyi, vorgeworfen, in den Fall des gerade seiner Ämter enthobenen Chen verwickelt zu sein. Er musste „zu festgelegter Zeit und an festgelegtem Ort“ dazu Aussage machen, eine ziemliche Demütigung für einen hohen Parteikader. Laut chinesischen Quellen wurde auch der Präsident der Behörde für Öffentliche Sicherheit und General der bewaffneten Polizei der Stadt Shanghai, Wu Zhiming, von Beamten des  Ermittelungsteams verhaftet.

Fest steht, Chen, Sun und Wu sind Schlüsselfiguren unter den Gefolgsleuten von Hus Vorgänger Jiang Zemin und stellen für den jetzigen Staats- und Parteichef noch immer eine Machtbedrohung dar. Wu Zhiming ist zudem der Neffe von Jiang Zemin.

Die unabhängige Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post titelte: „Mit dem Sturz Chens endet die Ära Jiang Zemin“. Und in Radio Free Asia war von dem Pekinger Politikkommentator Wang Qisheng zu hören: „Das Ergebnis dieses Korruptionsfalles ist schon im Voraus festgelegt, es ist absolut ein Machtkampf.“

Will sich die KP wirklich ändern?

Es sind nicht wenige Chinesen, die ihre Hoffnung noch immer in die Änderung und die Reform der Partei setzen. Aber kann die KP die Korruption aus eigener Kraft bekämpfen? Will sie das wirklich? Ist diese Partei wirklich reformierbar? Will sich die KP überhaupt ändern?

Sofort nach Bekanntwerden des Falles von Chen Liangyu am 27. September fuhren mehr als dreißig Shanghaier Bürger nach Peking, um bei der obersten Polizei-Behörde einen Marsch gegen Korruption in ihrer Heimatstadt zu beantragen. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Als ein Journalist von Radio Free Asia einen der Antragsteller, Frau Chen Enjuan, endlich telefonisch befragen konnte, saß sie schon wieder im Zug auf der Rückfahrt nach Shanghai: „Ich wurde bereits von der Polizei auf den Zug nach Shanghai gebracht. Morgen bin ich wieder in Shanghai, aber ich werde nicht nach Hause gebracht, sondern …“, das Gespräch brach ab.

Der bekannte Shanghaier Menschenrechtsanwalt Zheng Enchong, der in vielen Fällen die Korruption der KP-Funktionäre in Shanghai offen gelegt hat, steht seit Monaten unter Hausarrest. Am 27. September wurden alle seine Kommunikationsmöglichkeit abgeschnitten und am 30. September wurde er zur Anhörung sechs Stunden lang auf die Polizeistation kommandiert.

Kritik in Chinas Foren – kaum erschienen, schon gelöscht

Einem Bericht des Radiosenders China Broadcast zufolge hat die Absetzung von Chen Liangyu eine heiße Diskussion unter den Internetnutzern auf dem Festland China ausgelöst. Die Propagandasprüche der Partei über die „Entschlossenheit zur Bekämpfung der Korruption“ stößt bei den Forumsteilnehmern überwiegend auf Kritik:

„Ich bin nicht der Meinung, dass die Art der Behandlung des Falls von Chen durch Chinas kommunistische Regierung die Entschlossenheit der Korruptionsbekämpfung der Zentralmacht der Partei widerspiegeln kann. Wenn sie wirklich die Entschlossenheit hätten, sollten sie nicht mehr die Gründung von Parteien verbieten und nicht die Medien zensieren. Nur unter diesen beiden Voraussetzungen kann überhaupt die Kontrolle über die Korruption funktionieren.“

„Machtkampf gibt es überall, ist auch normal. Machtkampf in einem demokratischen, freien und rechtstaatlichen System verläuft relativ zivilisiert, entspricht mehr dem Interesse des Volkes. Aber Machtkampf in einem diktatorischen System dient lediglich den Interessen der Machthabenden.“

„Korruption zu bekämpfen, führt zum Untergang der Partei, Korruption nicht zu bekämpfen, führt zum Untergang der Nation’. Dieser Spruch kursiert auch im Volk und legt den Finger genau in die Wunde. Ohne das Verbot der Gründung von Parteien oder einer freien Presse aufzuheben, bringt sie [die Korruptionsbekämpfung] nichts, auch wenn die Korruptionsbekämpfung noch 100 Jahre lang läuft.“

KP bleibt KP – Freie Medien unter KP-Herrschaft eine Illusion

Am 26. September gab das Propagandaministerium der KP eine dringende Mitteilung an alle Medien heraus: „Die Berichterstattung in den chinesischen Medien über den Fall Chen Liangyu hat sich streng nach den Meldungen von Xinhua zu richten. Ungenehmigte Kommentare, die zu Empörung in der Bevölkerung führen könnten, dürfen nicht veröffentlicht werden. Alle Medien haben die Berichterstattungslinien der Partei zu befolgen. Auch ein Forum darüber kann eröffnet werden, aber wenn in den Beiträgen Konfliktpotential in Beziehung zu Regierungsstellen oder Parteifunktionären erkennbar wird, sind sie sofort zu löschen.“

* Gai Yisheng, der stellvertretende Direktor der „nationalen führenden Arbeitsgruppe für Transparenz der Verwaltung der Regierung“



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