Liebe Kollegen – Liebe Mittäter

Kommentar
Titelbild
Kuschelberichterstattung verunglimpft die Realität. (Vladimir Rys/Bongarts/Getty Images)
Von 3. August 2008

„Nie wieder!“ hieß es doch einmal, und doch – am 8. August fahren wir in ein Land zu Olympischen Spielen, in dem es „Immer wieder“ heißt. Zu Folter und Gehirnwäsche Andersdenkender. Zu Arbeitslagern, in denen Menschen als lebende Organbanken gehalten werden. Zu ethnischem Völkermord an Tibetern, Uighuren und Falun Gong.

Wenn im „Vogelnest“ den hochgezüchteten China-Staatsdoping-Athleten zugejubelt wird, kann man die Schreie der Folteropfer in den nur wenige Straßenzüge entfernt gelegenen Arbeits- und Umerziehungslagern Pekings sicher nicht hören. Ja, diese Lager gibt es, und ja, auch deren Opfer sind Menschen aus Fleisch und Blut. Menschen, denen man auch als Journalist zuhören kann, wenn sie die Grausamkeiten überleben und vielleicht sogar den Weg ins sichere Ausland schaffen. Viele von ihnen erzählen auch in Deutschland ihre Geschichte von der dunklen Seite der Glitzerstädte Peking und Shanghai. Man muss sich nur die Mühe machen, zu ihnen zu gehen, zu Veranstaltungen von amnesty international, der Gesellschaft für bedrohte Völker oder der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Ein Augenöffner, soviel sei garantiert.

Haben Sie Kinder? Ich nicht. Und doch frage ich mich, was ich denen erzählen werde, die nach mir kommen. Wo ich war, als 2008 die „Spiele der Schande“ vor den Bildschirmen der Welt abgefeiert wurden, während Millionen von Menschen in den Laogai-Lagern (unabhängige Schätzungen sprechen von vier bis sechs Millionen) am eigenen Leib erfahren durften, dass Arbeit noch immer nicht frei machte, auch nicht im 21. Jahrhundert. Auch weiß ich nicht, was ich der Frau des inhaftierten Bürgerrechtlers Hu Jia sagen soll. Noch im September vergangenen Jahres hat sie bei einem Telefonat mit mir für ihren Mann übersetzt. Jetzt sitzt er im Gefängnis und sie ist allein mit ihrer gerade mal ein paar Monate alten Tochter. Erstaunlich, wie ein Mensch mit einer dermaßen sanften Stimme, die nur Schönheit in die Welt trägt, so viel Stärke besitzen kann.

Was sie und ihr Kind durchmachen müssen, damit wir, liebe Leser und Journalistenkollegen, von den tatsächlichen Geschehnissen in China erfahren! Weil wir selbst unsere vier Buchstaben nicht hochbekommen und dem Reich der Mitte seine düsteren Geheimnisse nicht auf eigene Faust entreißen. So, wie das auch der Anwalt Gao Zhisheng getan hat auf seinen Reisen ins Land. Er hat uns Arbeit abgenommen, liebe Kollegen – und wird dafür seit Oktober 2007 an unbekanntem Ort festgehalten. Was erzähle ich seiner Frau und seinen Kindern später einmal…?

Wenn man den Menschen von 1936 Vorwürfe macht, weil sie den Propagandaspielen in Berlin zugewunken haben, dann frage ich mich, um wieviel besser die Welt geworden ist. Heute wissen wir um all die Grausamkeiten in China, sie liegen nicht völlig im Verborgenen. Und doch rechtfertigen wir – und damit meine ich pauschal alle Journalisten in den großen Redaktionen des Westens – unsere Kuschel-Berichterstattung über die Grausamkeiten mit „China braucht eine Übergangsphase“ oder mit „in Moskau 1980 wurde doch auch gefoltert“. Erinnern wir uns: Ein chinesischer Arbeitslager-Häftling bekommt zweihundertdreißigtausend Mal weniger mediale Aufmerksamkeit als ein in Guantanamo Inhaftierter (siehe den an dieser Stelle erschienenen Kommentar „Objektive Berichterstattung“ in Epoch Times Deutschland Nr. 7)

Diese Übergangsphase, so sie jemals stattfindet – wann wird sie beginnen? Alle seriösen Menschenrechtler wissen, dass Pekings Regime die Spiele sogar als Vorwand zur Verschärfung der Brutalität und zur Rechtfertigung des Regimes verwendet hat. Und zum „Argument“ mit Moskau sei allen werten Kollegen ins Stammbuch geschrieben: Nur, weil in der Menschheitsgeschichte bereits Vergewaltigungen stattgefunden haben, heißt das, dass sie nicht zu jedem Zeitpunkt zu verurteilen sind? Wie können wir uns so verbiegen und so sehr mit den Tätern auf Kuschelkurs gehen? Machen wir uns nicht zu Mittätern? Unter dieser Kuscheldecke stinkt es gewaltig, liebe Kollegen. Gelingt es uns, sie aufzudecken und uns aus der trügerischen Umarmung zu befreien? Erst mal draußen aus Pekings Smog, ist die Luft wahrlich besser.

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 31/08

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Leserbrief von Klaus Bertram, Stuttgart:

Während der Olympischen Spiele in China werden 374 Menschen in China hingerichtet. Statistisch gesehen.

Die Olympischen Spiele beginnen in China am 8. August und enden am 24. August 2008. Das sind 17 Tage bei geschätzten 22 Hinrichtungen pro Tag. Nach Schätzungen der Deutschen Welle bei 8.000 Hinrichtungen pro Jahr. Nach Wikipedia beläuft sich die Zahl auf 10.000 Hinrichtungen pro Jahr. Nun finden im Land des Drachens die Olympischen Spiele 2008 statt. China zensiert, schränkt die Pressefreiheit ein, tritt Menschenrechte mit Füßen. Menschenrechte, ein Fremdwort für China? China unterschrieb nie die Charta der Vereinten Nationen UN-Charta für die Einhaltung der Menschenrechte.

Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 zeigt China sein wahres Gesicht. Die freie Berichterstattung durch Journalisten ist nicht möglich. Die in den USA ansässige Menschenrechtsgruppe Human Rights in China HRiC war nicht erreichbar. Erreicht werden konnte auch nicht die Katholische Nachrichtenagentur Asianews, die sich mit Chinas Untergrundkirche befasst. Ebenso wurden Seiten der exiltibetischen Regierung und Organisationen blockiert. Gewisse Zusicherungen wurden im Vorfeld bei der Vergabe des Austragungsortes der Olympischen Spiele gemacht, die nicht eingehalten werden.

Auch wenn der IOC-Präsident Jacques Rogge indirekt eine gewisse Naivität des Olympischen Komitees im Umgang mit China eingeräumt hat, ist hier ein massives Versagen aller Beteiligten Politiker der teilnehmenden Länder, profithungrigen Firmen sowie der Sportler selbst zu spüren.

Im Land der Versprechungen ohne Einhaltung wurden allein 2004 Berichten von Amnesty international zufolge mindestens 3.400 Menschen hingerichtet. Chen Zhonglin, ein Abgeordneter des Volkskongresses und Direktor des Rechtsinstituts der Südwest-Universität in Chongqing, erklärte im März 2004, die mutmaßliche Zahl der Hinrichtungen in China liege bei knapp 10.000 pro Jahr. Zahlreichen Berichten zufolge werden Organe Hingerichteter für Transplantationen verwendet und auch auf dem Schwarzmarkt gehandelt, obwohl Organhandel offiziell verboten ist. Während der Olympischen Spiele müssen zahlungskräftige Kunden aus der gesamten Welt auf bestellte Organe vermutlich warten, da China während der Olympischen Spiele Hinrichtungen aussetzen wird.



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