Menschenrechte für Tibet

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Ernst-W. Cantner: „Es ist wichtig, dass man die Öffentlichkeit informiert, was da in Tibet geschieht.“Foto: Epoch Times
Epoch Times2. Dezember 2011

Elf Menschen haben sich in diesem Jahr in Tibet selbst verbrannt. Das tut ein Mensch nur in höchster Not, zumal buddhistische Mönche oder Nonnen, die weder sich noch andere töten dürfen.

Der neue tibetische Premierminister im Exil, Lobsang Sangay, reiste letzte Woche durch Europa, um diesen elf Märtyrern eine Stimme zu geben. Einen engagierten deutschen Bürger, der das auch tun möchte, trafen wir in Potsdam.

Er ist keiner von den Mächtigen, aber Dr. Ernst-W. Cantner ist einer, dessen Herz berührt wurde. Seit sechs Jahren weht eine Tibetfahne in seinem Garten am südlichen Rand des Parks von Sanssouci in Potsdam. Am hohen Zaun kann man die neuesten Nachrichten aus und über Tibet lesen und auch eine Unterschrift leisten für die Freiheit.

Über sich selbst spricht der pensionierte Agronom nicht viel. Er hat in seinem Leben einige Projekte in Schwung gebracht – in der Entwicklungshilfe im Ausland und zuletzt im Umweltministerium in Potsdam; wichtiger ist ihm, über den Einsatz für die Freiheit anderer zu sprechen.

Epoch Times: Herr Cantner, haben Sie sich früher schon mit Tibet beschäftigt?

Ernst-W. Cantner: Nein, aber vor etwa sechs Jahren gab es im Museum in Berlin Dahlem eine Ausstellung mit dem Titel „Tibetische Klöster öffnen ihre Schatzkammern“. Es war eine wunderbare Ausstellung. Und dann standen am Ausgang Menschen, die haben Flugblätter verteilt, sie sagten: „Sie haben keine Informationen zu den politischen Bedingungen der Menschen in Tibet gelesen, weil der chinesische Staatspräsident Hu Jintao gemeinsam mit unserem Bundespräsidenten Schirmherr ist.“ Hu wird ja als der „Schlächter von Tibet“ bezeichnet, er hat den Aufstand der Tibeter gegen China 1959 erbarmungslos niedergeschlagen. Dass er kein Interesse daran hatte, ein Wort über Tibet zu hören, ist natürlich klar. Ich habe deshalb einen Brief geschrieben an den damaligen Bundespräsidenten Köhler, der wurde aber nie beantwortet.

Ein Demonstrant in Taiwan weist auf die Mönche hin, die sich in Tibet in den letzten Wochen selbst verbrannt haben.  Foto. Sam Yeh/AFP/Getty Images
Ein Demonstrant in Taiwan weist auf die Mönche hin, die sich in Tibet in den letzten Wochen selbst verbrannt haben. Foto. Sam Yeh/AFP/Getty Images

Ich habe mir dann gesagt, das, was die jungen Leute hier machen, ist ganz wichtig – die Öffentlichkeit zu informieren, was da in Tibet geschieht. Das fürchten Diktaturen am meisten. Ich habe den Kontakt gesucht zu der Tibetgruppe hier in Potsdam und habe mich denen angeschlossen.

Seit drei Jahren leite ich die Gruppe. Wir haben erreicht, dass jedes Jahr am 10. März, am Jahrestag des Aufstands in Tibet, unser Bürgermeister die tibetische Fahne hisst. Das wird mit Presse und mit Informationen jedes Jahr veranstaltet. Inzwischen gibt es über 1000 Gemeinden in Deutschland, die das auch durchführen.

Epoch Times: Ich habe gehört, dass Sie auch in Schulen gehen?

Cantner: Ja, mit einer Bilderausstellung von Fotos, die meine Schwägerin 2006 in Tibet aufgenommen hat. Das sind eigentlich Alltagsszenen. Wenn man aber darauf hinweist, dass die jungen tibetischen Frauen zwangssterilisiert werden und dass man den Hirten ihre Herden wegnimmt und sie in Hochhäuser umsiedelt, wo sie arbeitslos sind, dann geht das unter die Haut. Die Tibeter lässt man gar nicht am wirtschaftlichen Leben teilnehmen, das ist alles chinesisch dominiert. Wir sollten es alle wissen.

Epoch Times: Wie kommen Ihre Kontakte zustande?

Cantner: Mit der Bilderausstellung waren wir zunächst im Landtag. Ich konnte den Vorsitzenden der CDU-Fraktion begeistern für Tibet, er hat dafür gesorgt, dass wir in den Räumen der CDU-Fraktion ausstellen konnten.

Einige Abgeordnete haben uns dann an Schulen in ihrem Wahlkreis eingeladen, dort haben wir die Bilder aufgehängt und Vorträge zu Themen über Tibet angeboten: Menschenrechte, Umweltsituation, geografische Situation. Die Schulen bekommen einen frischen Impuls, wir können Filme zeigen aus dem Alltagsleben „Die roten Drachen auf dem Dach der Welt“ oder von Maria Blumencron über die Flucht von sechs Kindern „Auf Wiedersehen, Tibet“.

Tibetische Frauen im indischen Exil demonstrieren für ein freies Tibet.Tibetische Frauen im indischen Exil demonstrieren für ein freies Tibet.Foto: Raveendran/AFP/Getty Images

Epoch Times: Und wie ist die Reaktion?

Cantner: Wenn sie begriffen haben, dann stellen sie gute Fragen, sie denken nach, sie fragen: „Was empfinden die Menschen?“ Wir haben ja Leute, die regelmäßig nach Tibet gehen, auch Tibeter, die aus ihren eigenen Erfahrungen schildern können, wie das Leben dort ist.

Epoch Times: Was ist Ihr tiefstes Motiv?

Cantner: Sich für die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen, deswegen spreche ich auch gern die Jugend an. Wenn sie fragen: „Warum demonstrieren die denn nicht?“ oder „Warum schreitet die Polizei ein, wenn sie Schilder malen?“ Dann merke ich, es ist ganz wichtig, dass die jungen Leute unsere demokratischen Rechte auch anerkennen und schätzen lernen. Das ist ein Motiv für mich, dass die Menschenrechte als etwas sehr Wertvolles geschätzt werden. Dass sie sehen, es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, auch wenn es manchmal unglaublich schwer ist.

Epoch Times: Was ist so schwer?

Cantner: Etwas zu verändern, die Situation zu verändern.

Epoch Times: Wohin soll sie sich verändern?

Cantner: Das bezieht sich auf ganz China. Wenn dort die Verfassung in Kraft treten würde, die eigentlich die Menschenrechte garantiert, dann wäre sehr viel erreicht. Es steht alles in ihrer Verfassung, wie Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Minderheitenschutz. Aber es gibt eine Präambel über die unbedingte Vorherrschaft der Kommunistischen Partei, die wie ein Block über allem sitzt.

Die tibetische Fahne wurde als Protest beim Besuch von Chinas Präsident Hu Jintao in Cannes an einem Hochhaus platziert.Die tibetische Fahne wurde als Protest beim Besuch von Chinas Präsident Hu Jintao in Cannes an einem Hochhaus platziert.Foto: Sebastien Nogier/AFP/Getty Images

Epoch Times: Sie waren beruflich lange mit Umweltfragen beschäftigt, wie schätzen Sie die Situation in Tibet ein?

Cantner: China beutet in unglaublich großem Umfang die Bodenschätze in Tibet aus. Tibet, die heutige Autonome Region, ist dreimal so groß wie Deutschland, mit sechs Millionen Einwohnern, Tibetern und mit immer mehr Chinesen. Es ist immer noch ein sehr dünn besiedeltes Land. Für Chinesen eine Chance, dort hinzugehen und die Bodenschätze auszuplündern ohne Rücksicht auf irgendein ökologisches Gleichgewicht.

An der Bahnstrecke nach Lhasa gibt es reichhaltige Bodenschätze an Buntmetallen, Kupfer, Zink, Blei, Gold, Silber. Die Buddhisten haben das nie ausgebeutet, die Chinesen tun das ohne Rücksicht auf die Umwelt.

In dieser Höhe ist die Umwelt sehr sensibel bei Veränderungen. Es gibt viele Flüsse, die vergiftet sind durch Abwässer aus Aufbereitungen der Bodenschätze. Die sind für Jahrzehnte als Trinkwasser verseucht. Von den Wäldern sind zwei Drittel abgeholzt und nicht wiederaufgeforstet. Mit gravierenden Folgen. Die Staudämme schädigen die fünf größten Flüsse Asiens. In Tibet sind mehrere noch größere Staudämme als der Drei-Schluchten-Damm vorgesehen. Es wird in Zukunft in Asien ums Wasser gehen, dass die Menschen genügend Trinkwasser haben und dass es auch sauber ist. Brisante Themen, über die wir hier auch aufklären.

Epoch Times: Darf ich Sie nach Ihrer Glaubensausrichtung fragen?

Cantner: Ja, ich bin Christ. Was ich mache, das mache ich als Hilfe für den Nächsten. Uns geht es doch so gut. Wir sind gesund, haben eine gute materielle Grundlage, da hat man auch eine Verpflichtung, etwas weiterzugeben, denen zu helfen, denen es eben nicht so gut geht.

Epoch Times: Herzlichen Dank, Herr Cantner, für das Gespräch.

Das Interview führte Renate Lilge-Stodieck

 

 

 

 



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