Olympische Erfolge sagen nichts über den Wert eines politischen Systems

Die freiberufliche Journalistin und Buchautorin Grit Hartmann lebt in Leipzig. Mit ihrem Buch „Goldkinder“ hat sie 1997 eine Analyse der DDR-Sportpolitik vorgelegt. Im Dezember und im März recherchierte sie in China. Epoch Times Deutschland sprach mit ihr.
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Epoch Times24. August 2008

ETD: Frau Hartmann, das Motto der Olympischen Spiele in Peking lautet: „Eine Welt, ein Traum“. Haben die Spiele, Ihrer Meinung nach, die Welt vereinigt? Welcher Traum und von wem ist dabei erfüllt worden?

Grit Hartmann: Die Peking-Spiele haben zweifellos die chinesischen KP-Bosse und das Internationale Olympische Komitee geeint.

Wer es noch nicht wusste, weiß jetzt, was das IOC ist: Es ist wie die KP unzugänglich gegenüber demokratischen Werten, ein Wirtschaftsunternehmen, das eine Idee gestohlen hat und damit ökonomische Interessen verstellt. Wir haben eine von diesen beiden Cliquen inszenierte Welt voller Täuschung und Betrug gesehen: mit der gefakten Eröffnungsfeier, mit den „Demonstrationsparks“, in denen Menschen verhaftet wurden, mit zensierten Webseiten und in den Stadien mit Fabel-Weltrekorden von Michael Phelps oder Usain Bolt, die ohne Doping kaum zu erreichen sind.

Erschreckend fand ich, dass der Betrug so sichtbar war und KP und IOC diese olympische Peep-Show dennoch gefeiert haben, als „Spiele der Athleten“ oder als „harmonische Veranstaltung“. Das war die neue Qualität der Pekinger Spiele. Es ging nicht um einen Traum, aber um Illusionen von Fair Play, von Harmonie – der Zuschauer soll sie für Realität halten, damit die Kasse klingelt.

ETD: Hat das funktioniert? Und ist das Anliegen der chinesischen Führung aufgegangen, mit den Spielen Chinas Image im Ausland aufzupolieren?

Hartmann: Im deutschen Fernsehen sind die Einschaltquoten gegenüber den Spielen in Athen deutlich gesunken. Nach einer Meinungsumfrage ist die Hälfte der Deutschen verstört, sie hält die Weltrekorde für manipuliert.

Was China angeht: In Artikeln ist unterschieden worden zwischen den Bürgern, ihrer Offenheit und Freundlichkeit, und dem Regime. Viele haben begriffen, dass die aufstrebende Wirtschaftsmacht China nicht die eine Seite ist und die andere das politische System, sondern dass der Polizeistaat Voraussetzung ist für diesen Aufschwung. Der basiert ja auf Ausbeutung von Ressourcen und auf Unterdrückung von Andersdenkenden.

Nein, die KP kann nicht wirklich sagen: Wir haben die Spiele gewonnen. Im Ausland war es ein Desaster – auch wenn das Geschäft erst einmal weiter laufen wird, weil westliche Unternehmen und Politiker ethikfrei agieren. Das war das andere Desaster für alle, die auf Öffnung in China gehofft haben.

ETD: China hat zumindest die meisten Goldmedaillen gewonnen. Die Mannschaft war in traditionellen Sportarten wie Turnen, Tischtennis und Wasserspringen erfolgreich, auch im Gewichtheben. In welchen anderen Sportarten haben Chinesen die größte Entwicklung gemacht und was könnte, Ihrer Meinung nach, der Grund dafür sein?

Hartmann: Gewichtheben ist eine traditionell dopingverseuchte Kraftsportart, weltweit. Die Chinesen haben in den acht Gewichtsklassen, in denen sie antreten durften, achtmal Gold geholt. Im Schwimmen gab es Gold und Silber über 200 Delphin, wobei die Siegerin Liu Zige ihre Bestzeit um über 4 Sekunden verbessert hat. Solche Leistungssprünge sind unglaubwürdig, egal, ob damit chinesische Athleten oder andere auffallen.

Im Rudern haben sich die Chinesen verbessert, auch das eine Sportart, die zuerst Kraft erfordert. Für die meisten verbotenen Substanzen existieren keine Tests … Und China hat für diese Heimspiele aufgerüstet, viel investiert, ausländische Trainer eingekauft, auch einen Dopingtrainer aus der DDR – das war Teil des „Projekts 119“, benannt nach den 119 Goldenen in den Kernsportarten.

Dazu kommt: Der Spitzensport war Jahrzehnte geprägt durch die Konkurrenz der Provinzen; für diese Spiele ist er zentralisiert worden, übrigens auch die Betreuung der Athleten durch die sportmedizinische Klinik in Peking. Seither gab es international keine chinesischen Dopingfälle mehr. Ich glaube, sie dopen jetzt geschickter – so wie der Rest der Sportwelt.

ETD: Welche Geschichte lässt sich aus den vielen chinesischen Goldmedaillen lesen?

Hartmann: Vielleicht die der Judo-Olympiasiegerin Xian Dongmei, die sich nach der Goldmedaille auf ihren zweijährigen Sohn freute. Weil sie im Trainingslager sein musste, hat sie ihn ein Jahr lang nur über Webcam gesehen.

Oder die der Sportler, die erzählt haben, jetzt hätten sich vier Jahre täglich acht Stunden Training gelohnt, wegen der Prämien. Das erzählt von Drill, wie er in Deutschland unmöglich wäre.

Dazu: Weit mehr als die Hälfte der Medaillen kommen von Frauen. Sie sind eher bereit, Bitternis zu essen. Das nutzen die Funktionäre aus, ins Frauen-Judo und Frauen-Ringen zum Beispiel wurden gezielt Millionen investiert.

Eine Geschichte erzählt aber auch das Ausscheiden von Liu Xiang – welch ungeheurer Druck auf Athleten lastet, wenn sie die Stärke eines politischen Systems, eines ganzen Landes, beweisen sollen. Das macht Menschen zu Menschenmaterial.

ETD: In der Zeit des Kalten Kriegs war der Wettlauf um die Medaillen zwischen Sowjet- Union und USA im Grunde genommen ein Wettlauf zwischen zwei politischen Systemen. Inzwischen sind China und USA die stärksten Sportnationen. Beide Länder haben vollkommen unterschiedliche Sportsysteme. Um welchen Wettlauf geht es wirklich?

Hartmann: Olympische Erfolge sagen nichts über den Wert eines politischen Systems, nichts über das, was wir als menschlich oder demokratisch bezeichnen. Diese antiquierte Auffassung, über Medaillen zeige ein Land seine Fortschritte, existiert aber auch im Westen.

Politiker schmücken sich überall gern mit strahlenden Sporthelden. Dabei haben wir in Deutschland die Diktatur-Erfahrung: Die kleine DDR war eine sportliche Supermacht, aber nur, weil sie den perfekten Betrug organisiert hatte – Doping per Staatsplan.

Heute sieht es vielleicht aus wie ein Wettbewerb zwischen chinesischem Staatssport und dem College-Sport der USA. Tatsächlich aber geht es um den Wettbewerb, welches politische System den größeren Betrug ermöglicht. Wer weiß, ob die US-Sprinter nicht besser abgeschnitten hätten, wenn Dopingbetrüger wie Marion Jones nicht im Gefängnis sitzen würden.

ETD: Seit Jahren wird in Deutschland diskutiert, ob man den Sport mehr zentralisieren soll. Was halten Sie von diesem Trend?

Hartmann: Gar nichts. Demokratie heißt immer Wettbewerb alternativer Modelle. Außerdem: Es ist eine Illusion, dass mehr Zentralisierung oder mehr Wissenschaft in diesem olympischen Lügensport mehr saubere Erfolge ermöglichen.

Im Moment fordern deutsche Funktionäre vor allem mehr Geld für den Spitzensport. Zwei Drittel der Deutschen lehnen das ab. Zivilisiert wäre es zu sagen: Wir verabschieden uns aus diesem Zirkus, soll er sich doch selbst finanzieren über Werbung. Aber Politiker sind auch in Deutschland dümmer als die Bürger.

ETD: Hat Leistungssport noch etwas mit dem Breitensport zu tun? Meinen Sie, dass die Olympischen Spiele einen Impuls für den Breitensport in China geben?

Hartmann: Das sind vergangene Zeiten, auch in westlichen Ländern. Kein normaler Mensch erkennt sich noch wieder in einem olympischen Helden wie Phelps, der keine Niederlagen kennt. Solche Figuren sind aus einer anderen Welt, wie aus einem Computerspiel, faszinierend im Grusel.

Hochleistungssport wird immer mehr zum abgeschotteten Bereich, wie jedes Betrugssystem. In China war es nie anders. Ob sich das ändert? Warum sollte die KP, die doch ausschließlich pragmatisch agiert, ein in ihren Augen erfolgreiches System ändern? Ich habe nichts von einem Investitionsprogramm der Regierung in neue Sportstätten für die Bürger gehört.

Die Fragen stellte Lea Zhou

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