Proteste in Hongkong: Ein langer Kampf zur Demokratie

Seit zwei Monaten gehen Demonstranten in Hongkong immer wieder auf die Straße. Die Wut der Demonstranten hat wegen des brutalen Vorgehens der Hongkonger Polizei zugenommen. Zunächst ging es um ein umstrittenes Auslieferungsgesetz, inzwischen fordern die Demonstranten allgemeines Wahlrecht und Selbstbestimmung.
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Das Foto zeigt eine Militärübung am 6. August 2018 in Shenzhen an der Grenze zu Hongkong. China droht den Hongkonger Demonstranten mit Militärschlag.Foto: STR/AFP/Getty Images
Epoch Times9. August 2019

Zehntausende Demonstranten drängen sich in den engen Straßen des Bezirks Mong Kok in der asiatischen Finanzmetropole Hongkong.

Der Marsch ist nur einer von unzähligen Protestaktionen, mit denen die Hongkonger seit neun Wochen immer wieder ihre Wut auf die Regierung mit Bannern und Sprechchören Luft machen.

Es ist ein langer Kampf, sagt die Demonstrantin Ly Wong: Die Regierung hat nicht positiv auf unsere Forderungen geantwortet.

Andere Demonstranten stimmen Wong zu. Sie wollen weiter protestieren, bis die Regierung einlenkt, sagen sie. Ihre Hauptforderung:

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam soll dauerhaft eine Gesetzesvorlage zurücknehmen, die es der Sonderverwaltungszone erlauben würde, mutmaßliche Straftäter nach China auszuliefern.

Lam hat das Gesetz zwar für „tot“ erklärt. Die Protestler wollen aber einen ganz formellen Beschluss. Doch selbst damit würde wohl keine Ruhe mehr einkehren.

Breitere Bewegung gegen Einfluss Chinas auf die Regierung

Die Demonstrationen haben sich zu einer breiteren Bewegung gegen die Regierung und das harte Vorgehen der Polizei bei den Protesten der vergangenen Wochen entwickelt. Viele Menschen befürchten einen zunehmenden Einfluss Pekings und fordern demokratische Reformen.

„Im Laufe ihrer Entwicklung hat die Bewegung immer mehr Probleme in der Hongkonger Gesellschaft ans Licht gebracht“, sagt der Demonstrant Ken Chu.

Auch er ist seit Wochen immer wieder bei den Protestaktionen dabei. „Wir können nicht sehen, dass die Regierung willens ist oder versucht, auf diese Probleme zu reagieren.“

Einst war Hongkong eine britische Kronkolonie. Seit der Rückgabe an China im Jahr 1997 wird es nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ als eigenes Territorium autonom regiert. Doch das Misstrauen gegen China wächst spätestens seit 2014. Damals zogen Tausende Hongkonger für mehr Demokratie auf die Straßen.

Mit Regenschirmen und Mundschutz gegen Pfefferspray der Polizei

Die „Regenschirm-Revolte“, wie die Bewegung wegen der Regenschirme genannt wurde, mit denen sich Demonstranten gegen Sonne und Regen sowie gegen das Pfefferspray der Polizei schützten, legte wochenlang Teile der Metropole lahm. Die Anführer der Proteste erhielten außergewöhnlich lange Haftstrafen.

Seitdem weitet sich der Drang nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit in Hongkong aus – vor allem unter jungen Leuten.

Der Streit um das Auslieferungsgesetz hat sich zur schlimmsten Krise entwickelt, die Hongkong seit der Übergabe an China erlebt hat.

In den vergangenen Wochen haben die Demonstranten ihre Proteste immer wieder als „Revolution unserer Zeit“ bezeichnet und eine Befreiung Hongkongs gefordert.

Unzufriedenheit mit der Regierung hat auch erstmals seit 2014 zu neuen massenweisen Rufen nach Demokratie und einem „echten allgemeinen Wahlrecht“ geführt.

„Im Verlauf der Proteste ist den Demonstranten klar geworden, dass die Hongkonger mit dem Versprechen auf „ein Land, zwei Systeme“ und ein hohes Maß an Autonomie betrogen worden sind“, sagt die Hongkonger Abgeordnete Claudia Mo.

Demonstranten fordern allgemeines Wahlrecht

„Die letzte Forderung war ursprünglich, dass Carrie Lam zurücktreten solle. Jetzt sagen sie, dass wir eine wahre echte Demokratie – oder vielmehr ein allgemeines Wahlrecht wollen“, sagt Mo.

Wie sehr die Stadt in politischem Aufruhr ist, zeigte sich am vergangenen Samstag, als eine friedliche Demonstration nach dem inzwischen etablierten Muster erneut in Unruhen endete.

Demonstranten bauten Barrikaden auf, es gab Zusammenstöße mit der Polizei, diese setzte Tränengas ein, es kam zu Massenverhaftungen.

Ähnliche Zusammenstöße setzten sich bis zum Montag fort, als Demonstranten in sieben Stadtteilen zugleich auf die Straße gingen. Am Wochenende sind bereits neue Proteste geplant.

Ich kann sehen, dass die jungen Demonstranten sehr entschlossen sind, und sie sind sehr wütend auf die Regierung im Allgemeinen, sagt der demokratische Abgeordnete Ted Hui.

Sie sind wütend wegen der Polizeigewalt. Ich denke, all die Konflikte, die sie schaffen, sind als Zeichen des Trotzes gedacht. Sie nennen es eine Trotz-Bewegung.

Laut Hui sind viele Menschen in seinem Wahlkreis nicht mit allen Taktiken der Demonstranten einverstanden. Dennoch seien auch dort viele unzufrieden mit der Regierung. „Sie sind sich alle einig, dass es Zeit ist, sich zu wehren“, sagt er.

Regierungschefin hat sich aus Öffentlichkeit zurückgezogen

Einer Umfrage von Ende Juli zufolge ist Carrie Lam noch bei 30,1 Prozent der Bevölkerung beliebt. Nur noch 29 Prozent haben Vertrauen in ihre Regierung.

Die Regierungschefin selbst hat sich in den vergangenen Wochen weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Stattdessen haben die für Hongkong zuständigen Behörden Chinas in ihrer Rhetorik gegen die Demonstranten zugelegt.

Die chinesischen Staatsmedien werfen den Protestierenden vor, eine „Farbrevolution“ anzutreiben – das heißt, eine vom Westen unterstützte Revolution mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen.

Lams Regierung stellt die Demonstranten unterdessen weiter als Radikale dar, die von der Anti-Auslieferungs-Bewegung profitieren wollen, die seit Juni Hunderttausende auf die Straßen Hongkongs gebracht hat.

Doch der Hongkonger Sommer der Unzufriedenheit ist noch lange nicht vorbei. Auch für die kommenden Wochen sind über die sozialen Medien schon Proteste geplant. (dpa)



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