Taiwans Proteste – ein Menetekel für die Volksrepublik?

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"Bürgerproteste in Taiwan als Zeichen für eine funktionierende Demokratie" (Foto: Getty Images)
Von 21. September 2006

Während der chinesische Minister für öffentliche Sicherheit, Zhou Yongkang, vor einer Ausweitung von Konflikten in ländlichen Bereichen warnt, die sich in den letzten Jahren vervielfachten und im Jahr 2005 zu 87.000 schweren Unruhen landesweit führten, finden derzeit täglich auf Taiwans Straßen Demonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmern statt. Ziel der Demonstranten ist die Amtsenthebung von Präsident Chen Shui-bian, dem Machtmissbrauch und Korruption vorgeworfen wird.

Selbst wenn auf beiden Seiten demonstriert wird, gibt es gravierende Unterschiede. Die Bürger des chinesischen Festlandes trennen trotz wirtschaftlichen Aufschwungs der Volksrepublik China nämlich Welten vom Alltag der Bewohner Taiwans.

Zwei chinesische Staaten

Die Republik China hat auf ihrem seit der kommunistischen Revolution und der Ausrufung der Volksrepublik China im Jahr 1949 verbliebenen Territorium Taiwan seit zwei Dekaden in allen Bereichen eine funktionierende Demokratie. Sechs demokratische Parteien, je drei „grüne“ und „blaue“ Parteien, sitzen im Parlament. Die Blauen halten dabei am Ziel eines geeinten, demokratischen China fest, die Grünen, darunter auch Chens Demokratische Fortschrittspartei, verfolgen dagegen das politische Ziel eines völligen Bruchs mit der chinesischen Staatstradition und streben eine „Republik Taiwan“ an.

Chinas Spaltung in zwei Staatsgebiete ist auf die massive Einmischung der Sowjetunion zurückzuführen. Die nach einer zweieinhalbmonatigen Revolution am 1. Januar 1912 ausgerufene Republik China wurde zunächst von Machtkämpfen verschiedener Kriegsherren erschüttert. Nachdem Sun Yat-sen und Chiang Kai-shek mit ihrer Partei Kuomintang (Nationalpartei) diese Kriegsherren besiegt hatten, gründeten die von der UdSSR gesteuerten Kommunisten die Kommunistische Partei Chinas und unterwanderten die Kuomintang. Meuchelmorde, Geldunterschlagung und Korruption gehörten damals zu den Mitteln, die Kuomintang im Innern zu schwächen, während die Verfolgung politischer Gegner in „befreiten Gebieten“ die KP in ihrer äußeren Erscheinung prägte. Folglich musste die Staatsführung unter Chiang handeln und bekämpfte die KP, die jedoch dadurch an Terrain gewann, dass Japan in China einfiel und die Handlungsfähigkeit der chinesischen Regierung lähmte.

Nach dem zweiten Weltkrieg waren die Truppen der Republik erschöpft, während Mao Tse-tung seine „Volksbefreiungsarmee“ in den Kampf schickte. 1949 hatte er sein Ziel erreicht. Am 1. Oktober rief er einen neuen Staat aus, die Volksrepublik China. 19 Millionen Menschen waren bis dato dem KP-Terror zum Opfer gefallen, 73 Millionen sollten noch folgen. Chiang musste mit über drei Millionen Soldaten nach Taiwan fliehen, das zuvor nach japanischer Kolonialherrschaft wieder an China zurückgegeben wurde.

Konflikte dieser Truppen mit den Einwohnern Taiwans im Jahr 1947 sind Ursache jahrelanger Spannungen zwischen „Taiwanesen“ und „Festländern“. Chiang, der stets die Wiedervereinigung Chinas und die Demokratie des Landes im Auge hatte, sah sich dadurch mit zwei Gegnern konfrontiert. Sowohl Kommunisten als auch taiwanesische Separatisten wurden deshalb von ihm bekämpft. Zugleich wurden demokratische Bestrebungen auf Eis gelegt. Dies war ein Kardinalfehler, der erst von seinem Sohn (und faktischem Gegner) Chiang Ching-kuo korrigiert wurde. Doch blieb es trotz Demokratisierung beim Misstrauen der Taiwanesen gegenüber den Festländern.

Demokratie in Taiwan

So verwundert es nicht, dass der erste freigewählte Präsident Lee Teng-hui ein Taiwanese war, die Grünen förderte, nach Beendigung der Amtszeit die Kuomintang verließ und sich heute radikal für eine Republik Taiwan einsetzt. Sein Nachfolger Chen Shui-bian wurde nach Jahrzehnten Kuomintang-Herrschaft zum ersten Präsidenten mit Mitgliedschaft in der Demokratischen Fortschrittspartei.

Chen war zuvor Bürgermeister von Taipei. Enttäuscht von der Demokratischen Fortschrittspartei, wählten die Bewohner von Taipei den als Saubermann geltenden Ma Ying-jeou, der als Justizminister auch vor Parteifreunden der Kuomintang nicht haltgemacht hatte und Korruption bekämpfte. Nach zwei Amtsperioden ist Mas Ruf noch immer unbeschädigt, weshalb er in der Kuomintang mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden gewählt wurde und mit Sicherheit Präsidentschaftskandidat seiner Partei wird.

Chen Shui-bian war als Politiker angetreten, Machtmissbrauch und Korruption der Kuomintang zu bekämpfen. Dies tat er auch. Allerdings geriet er wie Amtsvorgänger Lee Teng-hui in den Ruf, sich in weit größerem Umfang als seine Gegner zu bedienen. Zudem fürchteten viele Bewohner Taiwans, dass der nach außen getragene Wille, eine „Republik Taiwan“ auszurufen, Kriegsgrund für die Volksrepublik China sein könnte. Das Ende von Wohlstand, persönlicher Freiheit und eines demokratischen Systems.

Innenpolitik ist Außenpolitik – Außenpolitik ist Innenpolitik

Denn die Volksrepublik China droht seit Jahrzehnten mit der „Befreiung Taiwans“ durch die „Volksbefreiungsarmee“ für den Fall einer Lösung Taiwans von China oder dem Vorliegen innerer Unruhen auf der Insel.

Im Gegensatz zu Chen verfolgt die Kuomintang eine andere Strategie: direkte Verhandlungen mit dem Erzfeind KP. Ein Krieg sollte damit kurzfristig abgewendet werden. Zudem sollte die Republik China Zeit gewinnen und der Status quo erhalten bleiben. Durch Annäherung sollte ein Feindbild auf dem Festland beseitigt und Verständnis für die Politik Taiwans erzeugt werden. Ma Ying-jeou betont immer wieder, dass eine Wiedervereinigung nur nach einer Demokratisierung Chinas in Frage kommt. Und er macht trotz höflicher Worte gegenüber KP-Führern keinen Hehl daraus, noch immer Antikommunist zu sein, und trotz aller Brisanz solidarisierte er sich mit der verfolgten Falun Gong-Bewegung. Die Rivalität beider Parteien ist somit geblieben, nur haben sich die Methoden der Auseinandersetzung im Spätstadium der KP verändert.

{Q} Zurück zu Chen Shui-bian: Der Stern des Präsidenten ist indes angesichts der eigenen Hybris verblasst. Noch immer ist der Vorwurf der Wahlfälschung, unter anderem durch ein fingiertes Attentat auf Chen, nicht verklungen, werden ihm und seiner Familie Misswirtschaft, Amtsvergehen und Vorteilsannahme vorgeworfen. Altmitglieder wie Shih Ming-teh verlassen deshalb seine Partei und stellen sich an die Spitze eines überparteilichen Protests, der die Blauen stärkt.

Die Medien des Festlandes

Doch während Menschenmassen durch Taiwan ziehen, um ihren Präsidenten zu kritisieren, berichten die Medien der Volksrepublik in aller Ausführlichkeit darüber. Mit Häme werden Chens Machtmissbrauch und der Bürgerzorn thematisiert. Es mag damit beabsichtigt sein, von eigenen Problemen abzulenken. Das gelingt sicherlich teilweise. Die tägliche Berichterstattung über Taiwan dürfte bei den Bürgern der Volksrepublik aber auch jene von ihrer Führung unerwünschte Wirkung haben, dass erkannt wird, welche Rechte auf Taiwan existieren und was der Bevölkerung auf dem Festland vorenthalten wird. Damit werden sich die Bürger der Volksrepublik gerade in ihrem Protest bestärkt fühlen, selbst wenn sie mit Militäreinheiten der Volksbefreiungsarmee konfrontiert werden. Dieser Bumerang-Effekt hat schon die erbärmliche Existenz anderer Diktaturen verkürzt.

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