Wiedergeburt? Ja, bitte!
Aber nicht als Chinese!

Eine Internet Umfrage in China mit überraschendem Ergebnis (und deshalb leider von den zuständigen Organen gelöscht). Aber erste Trends deutlich
Titelbild
Nur noch die wunderschöne Umfrage-Frage, aber keine Wahlmöglichkeit mehr und schon gar kein Ergebnis: NetEase-Seite nach dem GAU. (Foto: Xiucai)
Von 13. November 2006

Eines der drei großen web-Portale in China ist NetEase. Die anderen sind Sina und Sohu, letzteres natürlich eine Verballhornung von Yahoo!. Alle drei gingen 1999 beziehungsweise 2000 an die New Yorker Nasdaq-Börse. Einnahmen damals: Sohu 60 Millionen Dollar, Netease 62 Millionen, Sina 58 Millionen. Seither laufen sie und erfreuen sich bei vielen Chinesen großer Beliebtheit. Mittlerweile erwirtschaften sie sogar Einnahmen über Anzeigen. Und einzelne Redakteure werden anscheinend mutiger.

Zwei von NetEase jedenfalls wollten am 4. September die Vernarrtheit der Chinesen in Internet-Abstimmungen (fast auf jeder Seite gibt es eine Möglichkeit, gerne beteiligen sich die Leute auch an Super Girl-Wahlen – China sucht den Superstar) für die Klick-Rate nutzen und legten den Besuchern diese originelle, ja existentielle Befragung vor, von der hier die Rede ist. (Gleichwohl: wie sie vorab vermerkten, sei das Ergebnis weder als wissenschaftliche Erkenntnis noch als repräsentativ anzusehen, so ihr Bitte-beachten- Vorspann):

Falls Sie wieder geboren werden könnten, würden Sie dann gerne wieder Chinese sein wollen?

Darunter boten die beiden Redakteure Tang Yan (der Fels) und Liu Xianghui (das Licht Hunans) Ja- und Nein-Antworten mit jeweils fünf Begründungen an:

Nein-Antworten:
1. Nein, weil ich als Chinese keine Menschenwürde besäße.
2. Nein, da könnte ich mir ja keine Wohnung kaufen und das Glück läge weit von mir entfernt.
3. Nein, weil ich dann keine guten Zeichentrickfilme sehen dürfte. [Hinweis: Seit August in der TV-Hauptsendezeit verboten]
4. Nein, weil man in China keine Satire verbreiten darf. [Die originellen Ö-gau werden wegen ihres Erfolges jetzt zensiert. Wir wollen später einmal berichten.]
5. Nein, kein Grund.

Ja-Antworten:
1. Ja, weil ich dann ein Abkömmling des Drachen wäre.
2. Ja, weil die chinesische Wirtschaft so schnell wächst und die Perspektiven wunderbar sind.
3. Ja, weil die chinesische Geschichte so wahnsinnig lang und die chinesische Kultur so großartig ist, das macht mich stolz.
4. Ja, weil ich jetzt so glücklich lebe und sicher bin, dass es nach der Wiedergeburt wieder so sein wird.
5. Ja, weil ich mein Land der Ahnen so liebe, einen anderen Grund gibt es nicht.

Nur noch die wunderschöne Umfrage-Frage, aber keine Wahlmöglichkeit mehr und schon gar kein Ergebnis: NetEase-Seite nach dem GAU. (Nur noch die wunderschöne Umfrage-Frage, aber keine Wahlmöglichkeit mehr und schon gar kein Ergebnis: NetEase-Seite nach dem GAU. (Foto: Xiucai)

Wer von unseren chinesischen Lesern noch nicht abgestimmt hat, kann es jetzt noch tun. Allerdings nicht bei NetEase. Nach nur sechs Tagen nämlich verschwand am Abend des 10. September die Befragung von der website, die dann so aussah: (siehe Abbildung rechts)

Bis zu diesem Zeitpunkt freilich hatten doch bereits 10.234 abstimmungswütige Besucher (oder deren Wiedergänger) ihre Stimmzettel in die virtuelle Urne geworfen (vielleicht auch nur ein einziger zehntausend Mal?). Hier das – wir geben es zu – für uns nachhaltig überraschende Ergebnis (das selbst verständlich nicht repräsentativ ist):

64 Prozent möchten also auf keinen Fall als Chinese wiedergeboren werden. Und wen das noch nicht überrascht, der sehe sich mal die meist gewählte Begründung an: Weil ich dann keine Menschenwürde besäße (37,5%)! Holla! Es geht voran in China. Da musste selbst verständlich jemand von höherer Warte aus eingreifen und die Tabelle eliminieren. Motto: Wähl ich mir ein anderes Volk.

Was für ein Resultat! Sensationell: Lieber nicht als Chinese, wegen Fehlender Menschenwürde. (Was für ein Resultat! Sensationell: Lieber nicht als Chinese, wegen Fehlender Menschenwürde. (Foto: Xiucai)

Mit weitem Abstand (17,6%) kommt dann erst: Weil ich mir dann keine Wohnung kaufen könnte und das Glück in so weiter Ferne läge. Das sollten sich mal jene deutschen Experten hinter die Ohren schreiben, die die chinesische vox populi immer ganz anders vernehmen. Zum Beispiel am 11. Oktober in der sogenannten Phoenix-Runde (Fernsehsendung, Phoenix-TV), wo der berühmte Vorsitzende des Groß- und Außenhandelsverbandes (BGA, einer der Träger des nicht minder berühmten Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, APA), Anton Börner, seinen Mit-Diskutanten und Millionen von Zuschauern treu herzig versicherte, er habe inzwischen mit allen (mit allen!) China-Experten in China gesprochen und sich dies neulich (in China) noch einmal bestätigen lassen: Es gehe heute allen Chinesen besser als … früher.

Weniger überraschend dann die Gründe für’s Wieder-Chinese-Sein: Weil ich mein Ahnen-Land so liebe (18,3%); Weil wir eine so glorreiche Geschichte und großartige Kultur haben, daß da keiner sonst mitkommt (6,8%); Weil ich ein Drachen-Abkömmling sein möchte (6,5%).

Wir haben ja schon des öfteren die schönen Umfragen der (chinesischen) Deutschen Welle aufgegriffen. Seit einiger Zeit fallen der Redaktion aber wohl keine neuen Fragen ein. Wie wäre es, liebe Kollegen, diese NetEase-Umfrage aufzunehmen und noch ein paar Wochen zur Abstimmung zu stellen?

Mit freundlicher Genehmigung von Sju Tsai – Die Welt der Chinesen (www.xiucai.oai.de)

Der deutsche Sinologe Dr. Jörg-Meinhard Rudolph ist Herausgeber des seit dem Jahr 2002 erscheinenden China-Newsletters Xiucai (sprich: Sju Tsai), der sich fast ausschließlich auf chinesische Quellen stützt.



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