Wilde Kampagne in Chongqing erinnert an die Kulturrevolution

Das kommunistische Regime Chinas startet alle zehn Jahre eine politische Bewegung - Die Taktik bei der Kampagne „Das Böse schlagen“
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Vorführen zur Massenverurteilung am 26.Oktober 2006 vor einem Gerichtsgebäude in Chongqing, China.Foto: STR/AFP/Getty Images
Von 15. Februar 2010

Bo Xilai, der prominente kommunistische Parteichef von Chongqing, begann die Kampagne „Das Böse schlagen“ in China im Juni 2009. Die staatlichen Medien lobten sie als ein Mittel, gegen Gangster und örtliche Korruption zu kämpfen, wohingegen nach Meinung von Kritikern diese Kampagne als illegal, verfassungswidrig und an die Kulturrevolution erinnernd anzusehen ist. Einige Kritiker erklären auch, sie diene dazu, die Korruption innerhalb von Kreisen der Gesetzesvollstreckung zu fördern.

Die Kampagne hat das schärfste und umfangreichste Vorgehen gegen Gangster und Korruption in der Geschichte von Chongquing seit 1983 ausgelöst. Das behauptet der stellvertretende Chef des Öffentlichen Sicherheitsbüros der Stadt.

Ein Artikel der „Southern Metropolis Daily“ mit Sitz in Guangzhou berichtete, dass die Kampagne zwischen dem 10. Juli und 30. September 2009 zur Verhaftung von 10.372 Menschen und zur Verurteilung zur Zwangsarbeit von 1.000 Menschen geführt habe. Der Artikel mit der Überschrift „Riesenanzahl von Festnahmen für Zwangsarbeit innerhalb der Kampagne ‚Das Böse schlagen’“ beschreibt, wie die Kampagne geradezu zu einer Überflutung von Untersuchungsgefängnissen in Chongqing geführt hat.

Polizeistationen müssen Quoten bei Verhaftungen einhalten

In dem Artikel heißt es, dass den örtlichen Polizeistationen bei „Festnahmen für Zwangsarbeit Quoten vorgegeben werden“. Wenn ein Polizeichef die Quote beim ersten Mal nicht einhält, wird er verwarnt, beim zweiten Mal wird er entlassen.

Um die Quoten einhalten zu können, greifen einige Polizeistationen darauf zurück, zur Zwangsarbeit Verurteilte zu kaufen – die Kosten pro Häftling belaufen sich auf 3.000 Yuan (300, – Euro) berichtet der Artikel.

Die Behörden der Stadt warnen auch davor, das jeder Vorbestrafte, der ein Messer bei sich hat, zu Zwangsarbeit verurteilt werden kann.

Ein Bürger Chongqings erklärte, dass die örtlichen Amtsträger klar dargelegt hätten, dass bei jemandem, der während der Kampagne „Das Böse schlagen“ in ein Arbeitslager geschickt wird, festgelegt wird, dass er oder sie während einer festgesetzten Zeit Zwangsarbeit verrichten muss.

Im Bericht heißt es auch: Falls festgestellt wird, dass ein Fehler vorliegt, so erhält der Betroffene erst dann eine Entschädigung, wenn die festgesetzte Zeit seiner Zwangsarbeit vorüber ist.

Übertreibungen durch die Polizei bei Familienstreitigkeiten

Kritiker und Opfer klagen, dass die Strafzumessung den Vergehen nicht entspricht.

Zum Beispiel wird ein typischer Familienstreit als „Einbruch“ bezeichnet. Falls jemand ein Obstmesser aus der Küche in seinen Rucksack packt, kann er bis zu zwei Wochen inhaftiert werden.

Chen Anxian war am 19. September 2009 auf seinem Heimweg von Chongqing nach Guizhou. Als er am Busbahnhof eine Fahrkarte kaufte, hielt die Polizei ihn an und durchsuchte ihn. Er wurde auf der Stelle festgenommen, weil er ein Messer in seiner Tragetasche hatte. Einen Monat später wurde er zu einem Jahr Zwangsarbeit verurteilt, weil er vorbestraft war.

Ein junger Mann forderte von seiner Schwester Geld, um im Internet zu surfen. Er hielt damals ein Messer in der Hand und seine Schwester rief die Polizei an. Diese konfiszierte das Obstmesser und verklagte ihn wegen „Bedrohung“ der Familie. Er wurde anschließend zu einem Jahr Zwangsarbeit verurteilt.

Dieser Fall wurde nicht als Anruf wegen eines Familienstreits bezeichnet, sondern als „Einbruch“, auf den die Polizei gestoßen sei, während sie die Straßen patrouillierte. Seine Schwester sagte: „Ich hätte die Polizei niemals angerufen, wenn ich gewusst hätte, was danach kam.“

Verhaftung droht auch, wenn man ein Springmesser bei sich trägt. Laut Artikel sind Busbahnhöfe, öffentliche Plätze und sogar Gemüsemärkte zu wichtigen Kontrollpunkten für die Polizei geworden, an denen solche Verhaftungen vorgenommen werden.

Bo Xilai (Mitte), dem kommunistischen Parteichef von Chongqing, wird vorgeworfen, eine verfassungswidrige politische Kampagne, die an die Kulturrevolution erinnert, zu führen.Bo Xilai (Mitte), dem kommunistischen Parteichef von Chongqing, wird vorgeworfen, eine verfassungswidrige politische Kampagne, die an die Kulturrevolution erinnert, zu führen.Foto: Shah Marai/AFP/Getty Images

Eine ungesetzliche politische Kampagne

Nach Aussagen von Jason Ma, einem Kommentator für Wirtschaft und Politik der „New Tang Dynasty Television“ (NTDTV), sind viele der 1.000 und mehr Menschen, die für drei Monate in Arbeitslager geschafft wurden, zu Unrecht verurteilt worden. Man nahm sie einfach während der Kampagne gefangen und so wurden sie zu Opfern der politischen Maßnahmen Bo Xilais, der so sein Image und seine Karriere förderte.

Heng He, ein weiterer Kommentator für Politik von NTDTV, schloss sich Mas Meinung an und erklärte, dass die Verhaftung von Zehntausenden von Menschen, von denen mehr als 1.000 in einem so kurzen Zeitraum zu Zwangsarbeit verurteilt wurden, definitiv zu vielen fälschlicherweise Verurteilten geführt habe.

Bei dem in Chongqing zur Verfügung stehenden Arbeitspotenzial zur Rechtsdurchsetzung hätten die Behörden theoretisch keine Zeit für so viele Verhaftete in nur drei Monaten Beweise zusammen zu tragen und einen soliden Fall vorzubereiten, sagte Heng. „Und in dieser Hinsicht ist es genau das, was während der Kulturrevolution geschah.“

Kritiker betrachten die Kampagne „Das Böse schlagen“ als illegal und verfassungswidrig

Li Heping, ein Menschenrechtsanwalt aus Peking, erklärte, dass die Behörden Chongqings illegal handelten, wenn sie die Verhaftungen zum Zwecke der Zwangsarbeit in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellten. Er erklärte der „Epoch Times“, dass dieses eine sehr ernste Angelegenheit und ein großer Fehler sei, so viele Menschen in Zwangsarbeitslager zu schicken. Das System der Zwangsarbeitslager an sich sei schon illegal und verfassungswidrig und sei ein undurchsichtiges Gesetz, das abgeschafft werden sollte, sagte er.

Xu Yanji, Rechtsanwalt aus Peking, erklärte der „Epoch Times“, dass diese Kampagne eine extreme politische Maßnahme sei, die darin resultiere, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte nieder zu trampeln. Er gab weiter an, dass sie eine kriminelle Handlung darstelle, die von den Medien veröffentlicht werden und über die Rechtsanwälte und Medien gleichzeitig Ermittlungen durchführen müssten.

Er sagte: „Zum Beispiel hat die Oberste Staatsanwaltschaft die gesetzliche Verpflichtung, zu überwachen und zu korrigieren. Auch die örtliche Regierung hat diese Verpflichtung.“

Er schlug vor, dass die Öffentlichkeit die Angelegenheit ernster nehmen und Proteste organisieren müsse, um diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die das Gesetz mit den Füßen getreten haben.

Qui Feng, ein chinesischer Verfassungswissenschaftler, erklärte, die Kampagne „Das Böse schlagen“ sei eine politische Bewegung, die sich über das Gesetz stelle.

Als er von „Radio France Internationale“ befragt wurde, sagte er: „Die Gerichte und die Staatsanwaltschaft haben in großem Ausmaß den gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsweg nicht eingehalten,“ wenn man ansieht, wie die Behörden von Chongqing so viele Verhaftungen von sogenannten „Gangstern“ vorgenommen haben.

Alle zehn Jahre eine große politische Bewegung

Das kommunistische Regime Chinas startet alle zehn Jahre eine politische Bewegung. Heng bemerkt, dass nach der Kulturrevolution die Massenverhaftungen der Demokratieaktivisten im Jahre 1989 erfolgten, dann die der Falun Gong-Anhänger 1999 und die Festnahmen der Gangster und korrupten Beamten durch die Kampagne „Das Böse schlagen“ im Jahr 2009 stattfanden.

Bei jeder politischen Bewegung setzte das Regime seine Propagandamaschine als mächtige Waffe ein – das wurde deutlich bei den Bemühungen in den vergangenen zehn Jahren, Falun Gong-Anhänger zu verfolgen und zu diffamieren

Jetzt wird die gleiche Taktik bei der Kampagne „Das Böse schlagen“ deutlich. Die Fälle von prominenten Leuten, zu denen auch Li Zhuang gehört, ehemaliger stellvertretender Polizeichef und Wen Qian, Direktor der städtischen Justizabteilung, wurden von der Presse als Sensation aufgebauscht und von der Öffentlichkeit verurteilt, bevor sie vor Gericht verhandelt wurden. Ein Bombardement durch die Massenmedien ist eine typische Art und Weise, wie Strafprozesse in einer politischen Bewegung gehandhabt werden, sagte Ma.

Heng brachte vor: „Keine politische Bewegung unter kommunistischer chinesischer Herrschaft folgte jemals dem Gesetz. Wäre sie dem Gesetz gefolgt, so hätte sie nicht als politische Bewegung gezählt.“

 

Originalartikel auf Chinesisch: 包有小刀劳教还有指标 重庆打黑文革再现

Artikel auf Englisch: Fierce Campaign in Chongqing Reminiscent of Cultural Revolution

Vorführen zur Massenverurteilung am 26.Oktober 2006 vor einem Gerichtsgebäude in  Chongqing, China.Vorführen zur Massenverurteilung am 26.Oktober 2006 vor einem Gerichtsgebäude in Chongqing, China.Foto: STR/AFP/Getty Images


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