Nach Hinrichtung: Chinas Business-Elite nimmt Reißaus

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Die Kapitalflucht in China erlebt derzeit einen neuen Höhepunkt: Geschäftsleute bangen nach der Hinrichtung eines Unternehmerkollegen um ihr Leben und flüchtenFoto: STR/AFP/Getty Images
Von 11. November 2013

Die Hinrichtung eines Unternehmers war der Auslöser für eine sprunghafte Auswanderungswelle von reichen Geschäftleuten aus China im vergangenen Monat: Zeng Chengjie, Präsident der Immobilienentwicklungsgesellschaft Sanguan aus der Provinz Hunan starb am 12. Juli, ein weiterer prominenter Investor wurde nur acht Wochen später, am 13. September, verhaftet. Viele Geschäftsgrößen bangen um ihr Leben und flüchten. Und mit ihnen ihr Kapital. Wie die Shanghai Security News berichtete, verließen China zwischen dem 1. und 27. Oktober rund 212 Milliarden US-Dollar (158,4 Milliarden Euro).

Hinrichtung eines Unternehmer

Zeng war wegen “des Verdachts illegaler Finanzierungen” zum Tode verurteilt worden. Ein Anwalt der Kanzlei Sheng Ting in Peking, Wang Shaoguang, erklärte, dass Zeng weder Darlehen vergeudet noch Kapital transferiert habe. In der Tat hätte Zeng das volle Vertrauen der Investoren genossen, die einen Freispruch für ihn forderten. “Das Todesurteil gegen Zeng Chengjie war eigentlich ein Komplott der geldgierigen Lokalregierung – sie haben Zeng falsch bezichtigt”, schrieb Wang in einer Eilmeldung am 13. Juli, einen Tag nach der Hinrichtung.

“Zeng Chengjies Vermögen wurde von der Regierung beschlagnahmt, danach wurde er wegen „betrügerischem Bankrott“ zum Tode verurteilt. Wenn wir Zeng Chengjie heute nicht verteidigen, wird andere Privatunternehmer bald das gleiche Schicksal ereilen“, so Wang zu Voice of America.

Verhaftung eines Investors

Während die Geschäftswelt in Festlandchina noch von der Hinrichtung schockiert war, kam die nächste Verhaftung: Sie traf den Gründer von Dinghui Investment. Wang Gongquan wurde wegen “Störung der öffentlichen Ordnung” von der Pekinger Polizei am 13. September verhaftet, was zu einem Aufschrei führte.

Das Magazin “Caixin” lobte Wang am 13.Oktober in einem Blog-Beitrag als mehr als nur erfolgreichen Geschäftsmann: Wang habe seine Rolle als Bürger verantwortungsvoll wahrgenommen, indem er Petitionierenden half, Pekings „schwarze Gefängnisse“ zu besuchen und an Menschenrechtsaktivitäten teilnahm. So sprach sich Wang gegen Zwangsabrisse aus und bezog Stellung im „Qian Yungui-Vorfall“, als ein Protestierender bei einer Landnahme-Aktion der Regierung von einem Fahrzeug zermalmt wurde.

Eine Gruppe prominenter Unterstützer forderte Wangs Freilassung. Unternehmer, Professoren und Schriftsteller erklärten in einem Statement: „Egal welches Verbrechen die Obrigkeit Wang Gongquan anzuhängen versucht, jeder Mensch weiß, dass es sich hierbei um politische Verfolgung handelt.”

Menschen und Kapital auf der Flucht

“Wenn sich ein autoritäres Regime im Zusammenbruch befindet, versucht es immer, sich durch Verhaftungen selbst zu retten. … Veränderung funktioniert immer so. Sobald es ruhmreich ist, verhaftet zu werden, wird die Krise des Regimes existentiell und die aus dem Gefängnis Entlassenen werden zu den Politikern der Zukunft“, schrieb Politologie-Professor Chen Wei dazu auf Weibo. Doch diejenigen, die sich und ihr Geld in Sicherheit bringen können, haben keine Zeit, auf diese Zukunft zu warten.

Wenn der Tod von Zeng Chinas Unternehmer alarmierte, wirkte die Verhaftung von Wang als Zünglein an der Waage. Und dies ist bereits die dritte Auswanderungswelle von Geschäftsleuten, laut der chinesischen Version der Financial Times (FT). 27 Prozent aller Geschäftseigentümer mit einem Kapital von über 100 Million Yuan (12,5 Millionen Euro) sind bereits nach Übersee ausgewandert, 47 Prozent möchten eventuell auswandern und 60 Prozent all jener, die über 10 Millionen Yuan besitzen (1.25 Millionen Euro), sind schon weg.

Kapitalflucht der Todesstoß der Immobilienblase“

Doch was hat der Exodus der Geschäftsleute für Folgen? „Die Kapitalflucht ist noch furchteinflößender als der Plan 383” überschrieb der chinesische Wirtschaftsjournalist Niu Dao einen seiner Blog-Beiträge am 30. Oktober. Der „Plan 383“ mit dem die Partei das Problem der Immobilienblase lösen wolle, sei nunmehr unbedeutend, denn die Kapitalflucht werde der Immobilienblase den Todesstoß versetzten, schätzt er.

Niu sagt, die Partei stehe vor der Wahl, sich selbst zu schützen, indem sie den Wechselkurs stützt, oder die chinesischen Unternehmer, die in Immobilien investiert haben. Für Niu ist der Fall klar, dass sich das Regime selbst beschützen wird. Falls sich die Partei entscheidet, die Immobilienpreise mit gedrucktem Geld oben zu halten, wird sich die Blase weiter aufblähen. Dies könnte zu einem massiven Kursverfall des Yuans im Verhältnis zum Dollar führen, was sehr gefährlich wäre.

Am Wochenende begann mit dem „3. Plenum des Zentralkommitees“ eines der wichtigsten politischen Meetings der Kommunistischen Partei Chinas. Die Staatsmedien feiern es als „entscheidenden Wendepunkt“ für Chinas angeschlagene Wirtschaft, deren Wachstum immer noch viel zu abhängig von Regierungsinvestitionen ist.

„Parteichef Xi Jinping werde mit Entschlossenheit – und strikt dem Grundprinzip der Einparteienherrschaft verplichtet – eine Reihe von Reformen in Kraft setzten und Chinas künftigen Wohlstand sichern“, verkünden die Sprachrohre. “Eine neue Ära des Fortschritts durch Stabilität“ nannte dies eine Schlagzeile, wobei mit “Stabilität” die Vorherrschaft der Partei gemeint war.

Doch wird genau diese ungeteilte Macht der Partei, die über Gesetz und jegliche Rechenschaftsplicht erhaben ist, das Haupthindernis für eine echte Veränderung in China sein, schätzen Experten.

“Die Agenda des Meetings berührt nicht den Kern von Chinas Wirtschaftsproblemen. Deshalb wird sie das Problem nicht lösen”, so Cheng Xiaonong, ein Wirschaftsexperte, der bereits für Chinas Staatsspitze gearbeitet hat und heute in den USA lebt.

Es fehlt am Konsum

Chinas aktuell größtes Problem ist, dass der Binnenkonsum nicht stark genug ist. Er machte zwischen 2009 bis 2012 nur 36 Prozent von Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus, so die Weltbank. In Amerika liegt er über 70 Prozent. Der einzige Motor des chinesischen Wachstums waren bisher Investitionen. Im Jahr 2012 lagen sie bei 46 Prozent des BIPs, laut dem CIA Factbook – und meist wurden sie mit Bankdarlehen finanziert.

Die Banken verleihen Geldmittel an Staatsunternehmen und Regierung. Damit entstehen Städte, Einkaufszentren, Flughäfen und Wolkenkratzer, Autobahnen und Eisenbahnstrecken. Oft sind die Riesenprojekte überproportional und stehen ungenutzt herum – als Investitionen, die sich nie auszahlen.

Darlehen sind auch das Allheilmittel, um die ineffizienten Staatsfirmen am Laufen zu halten. Der chinesische Wirtschaftsfachmann Hong Sheng veröffentlichte neulich einen Artikel in einem Fachmagazin unter der Überschrift “Das Volk das ganzen Landes zahlt für die Staatsunternehmen.” Obwohl sie eine oligarchische Kontrolle über profitable Industriezweige ausübten, hätten die Staatsunternehmen der Öffentlichkeit noch nicht einen Cent zurückgezahlt, schrieb er darin. Stattdessen hätten die Staatsfirmen seit Mitte der 90er Jahre Subventionen von über 100 Milliarden Yuan (12,5 Milliarden Euro) erhalten. Die beschränkten Ressourcen werden somit dort abgezogen, wo sie dringend gebraucht werden.

Schere zwischen Arm und Reich

Damit einher geht ein weiteres Problem: Die Kapital-Konzentration.

Wer Beziehungen zum Staat hat, lässt Geld in seine eigene Tasche wandern und häuft Vermögen an, während ein Großteil der Bevölkerung händeringend nach vernünftig bezahlten Mittelklassejobs sucht.

Extrem ungleichmäßige Vermögensverteilung ist die Folge. Zum Beispiel arbeiten aktuell 83 Milliardäre im Verwaltungsapparat der Kommunistischen Partei (KPCh). Wegen des schwächelndem Wachstums kann unmöglich jeder noch reicher werden – also muss sich die Partei überlegen, wie sie das riesige Vermögen umverteilen kann, um das Volk konsumfähig zu machen. Mit anderen Worten, das Geld muss der Partei-Elite weggenommen werden und in die Tasche des gemeinen Mannes. Nur wie?

Der auf China fokussierte Wirtschaftsexperte Michael Pettis schrieb in einem Blog-Post “Die einzige relativ schnelle Möglichkeit, die chinesische Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bekommen ist, … Geld vom Staatssektor auf den Haushaltsektor umzuleiten, was nicht einfach sein dürfte.” Das soetwas überhaupt durchsetzbar ist, bezweifeln Cheng Xiaonong und viele andere Skeptiker. “Die polarisierte Vermögensverteilung ist durch das politische System geschützt”, so Cheng.

„Kommunistische Kapitalisten“

Beobachter beschäftigen aktuell zwei Fragen: Hat Xi Jinping genug politische Macht, um sein Reformpaket in Chinas reform-restitenter und korrupter Bürokratie durchzudrücken?

Und wenn ja: Wie will er es schaffen, mit den „rechtmäßigen Interessen“ derer fertigzuwerden, die gerade noch prächtig am Status Quo der chinesischen Wirtschaft verdienen?

Man dürfe aber einen weiteren Faktor nicht außer Acht lassen, meint Cheng Xiaonong: Xi Jinping selbst gehört zu jenem Machtsystem und wird deshalb an Privilegien- und Machterhalt der Partei interessiert sein.

“Solange sich die kommunistische Elite weiterhin in der jetzigen Position befindet, wird sie weiterhin das Geld in der Hand haben und das Volk wird keine Chance haben, Konsumgüter zu kaufen“, so Cheng. “Meiner Ansicht nach sind das alles kommunistische Kapitalisten.”



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