Wie Natur und Politik zu gigantischen Überschwemmungen in China führen

Titelbild
Ein altes Sofa schwimmt am 12. August 2010 nach einem gewaltigen Erdrutsch auf einer Straße in Zhouqu in der nordwestlichen Provinz Gansu.Foto: STR/AFP/Getty Images
Von 28. August 2010

Die Regenfälle dieses Sommers haben China verwüstet und unendliches Leid gebracht. Die Hochwasserstände vieler Flüsse haben alle Rekorde gebrochen. Zu den zahlreichen Desastern kommen nun auch noch die Erdrutsche in der nordwestlichen Provinz Gansu. Tausende starben. Sie würden noch leben, wenn man den Empfehlungen von Experten gefolgt wäre.

Die staatliche Politik zusammen mit den heftigen Regenfällen dieses Jahres, die zu riesigen Überschwemmungen geführt haben, hat gezeigt, dass sie unfähig ist, die Bevölkerung zu schützen.

Am 7. August wurden mehrere Dörfer im Landkreis Zhouqu in der Provinz Gansu von Schlammlawinen verschlungen. Am 16. August gaben offizielle Medien bekannt, dass es 1.254 Tote und 490 Vermisste gebe. Ortsansässige erklärten, dass die Anzahl der Toten viel höher sei.

Im Dezember 2008 hatte eine Untersuchung des Ministeriums für Land und Ressourcen zu dem Ergebnis geführt, dass der Landkreis Zhouqu zu den am höchsten gefährdeten Gebieten für Erdrutsche gehöre. Laut eines Artikels in der Zeitschrift „Twenty-First Century Business Commentary“ haben Geologen empfohlen, die Bewohner von 22 Dörfern umzusiedeln, weil sie sich in dem besonders gefährdeten Gebiet des Landkreises befanden.

Eine Umsiedlung dieses Ausmaßes wäre nicht billig gewesen. Der Landkreis konnte sie sich nicht leisten. Nach Schätzungen eines Berichtes an den Volkskongress der Provinzen im Januar 2009 hätte das Projekt vermutlich 340 Millionen Yuan (ungefähr 34 Millionen Euro) gekostet. Im Jahr 2008 betrug das Gesamteinkommen des Landkreises 23,8 Millionen Yuan.

Natürlich reichten die Geldmittel des Landkreises dafür nicht aus. Die Provinz Gansu hätte sofort handeln müssen, um die 130.000 Bewohner des Landkreises Zhouqu aus dem gefährdeten Gebiet umzusiedeln.

Doch nichts geschah. Bei dem überraschenden Verlust von Menschenleben an einem einzigen Tag steht der Landkreis Zhouqu ohnegleichen da. Ein Experte erklärte: Mangelnder Wille und mangelnde Voraussicht sind bei der Planung der Wasserversorgung Chinas zu einem allgemeinen Problem geworden. Und doch braucht man beides, um die Bevölkerung zu schützen.

Dr. Wang Weiluo ist Ingenieur, der 1980 bei den Studien zur Realisierbarkeit des Drei-Schluchten-Projektes beteiligt war. Seitdem hat er genau beobachtet, wie der chinesische Staat mit seinen Wasservorräten umgeht. Er hat auf dem Gebiet der Landnutzung promoviert und arbeitet zurzeit für eine Firma für technische Planung in Deutschland.

Nach Aussagen von Dr. Wang hoffen die Führer der chinesischen Regionalregierungen darauf, Erschließungen zu nutzen, insbesondere die Erschließung der Wasservorräte, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Oft interessieren sie sich nur für sofortige persönliche Profite, die sie bei Bauprojekten erzielen und kümmern sich nicht um die Langzeitfolgen für die Bürger.

Zu viel Erschließung

Im Falle des Landkreises Zhouqu sind von den regionalen Beamten mehrere Entscheidungen getroffen worden, die die Gefahr heraufbeschworen haben.Dr. Wang erklärte, neben den Regenfällen sei einer der Hauptgründe für die Katastrophe im Landkreis Zhouqu die ausgedehnte Erschließung  des Flusses Bailong und die Stadt- und Bebauungsplanung von Zhouqu.

Die Stadt Zhouqu liegt in einem langen, engen Tal am Fluss Bailong. Es ist eine bergige Gegend und die Wohnbezirke liegen an den flachen Ufern des Flusses. Und doch wurde die Stadtplanung so verwirklicht, als ob die Stadt in einem Flachland entlang eines Flusses läge. Der Flusslauf des Bailong wurde begradigt und das Flussbett tiefer gelegt. Durch die Kanalisierung des Flusses wurde der Bau von Wasserkraftwerken effektiver.

Eine ganze Reihe von stufenförmigen Wasserfällen – eine Reihe von Dämmen – wurde am Fluss gebaut, allein 15 Wasserkraftwerke im Landkreis Zhouqu. Die Dämme wurden für einen hohen Wasserstand konstruiert, sodass die Gefahr, dass auf beiden Seiten des Flusses Erdrutsche erfolgten, größer wurde. Hinzu kommt, dass die Dämme auf beiden Ufern den Lauf des Flusses behindern und so den Anstieg des Wasserspiegels der neuen Stauseen begünstigen.

Durch den Kahlschlag der Wälder wird die Situation im Landkreis Zhouqu noch komplizierter. Professor Zheng Fengtian der Volksuniversität in China wurde in der „Morning Newspaper“ (Xinwen Chenbao) zitiert. Er sagte, dass von den 1950er bis zu den 1990er Jahren ungefähr 1,9 Millionen Mu (annähernd 313.000 Morgen) Waldgebiet im Landkreis Zhouqu abgeholzt wurden.

Professor Zheng erklärte, dass die Gefahr für eine Bodenerosion steige, wenn das bergige Land seine Vegetation verliert. Es könne dann nicht mehr das Wasser bei Überflutungen aufhalten.

Bei der Konstruktion der Wasserkraftwerke fiel sehr viel Abraum an, Erde und Steine. Dadurch vergrößerte sich die Gefahr für Erdrutsche. Der Abraum blieb im Tal liegen und wurde so zu einer Riesenmenge an lose herumliegendem Material, das die Erdrutsche verstärkte.

Im Landkreis Zhouqu gab es im Jahr 1992 einen gewaltigen Erdrutsch, dem in den folgenden Jahren noch mehrere folgten. Im Jahr 1996 begannen die Behörden Barrieren zu bauen, die das Felsgeröll daran hinderten abzurutschen. Doch das Projekt wurde nie fertig gestellt.

Schwere Überschwemmungen

Das Büro der staatlichen Kontrollbehörde für Wasser und Dürre hat am 30. Juli eine Statistik herausgegeben, die besagte, dass es in diesem Jahr in China in insgesamt 28 Provinzstädten Überschwemmungen gab. Dabei wurden 9.172 Hektar (ungefähr 23.000 Morgen) Feldfrüchte vernichtet und 137 Millionen Menschen waren betroffen. 991 kamen zu Tode, 558 werden vermisst. 1,07 Millionen Häuser wurden von den Fluten niedergerissen und 10 Millionen Menschen gerieten in finanzielle Not bei Verlusten von 193,5 Milliarden Yuan (etwa 19 Milliarden Euro)

Liu Ning, Deputierter des Ministeriums für Wasservorräte, erklärte am 28. Juli, dass gewaltige und plötzliche stürmische Regen seit Beginn des Sommers zu Überflutungen in 100 mittelgroßen und großen Städten geführt haben. Im ganzen Land hat der Hochwasserstand bei über 230 den kritischen Punkt erreicht und 25 mittelgroße und kleine Flüsse verursachten gewaltige Überschwemmungen. Über zwei Millionen Menschen nahmen an den Rettungsarbeiten teil.

Dr. Wang sagte, dass die chinesische Regierung nach dem großen Hochwasser von 1998 neue politische Maßnahmen auf den Weg gebracht habe, die da lauteten: „Ackerland wieder in Wald verwandeln“ und „Ackerland wieder in Seen verwandeln.“ So sollten bis auf 25 Prozent aller Ackerflächen wieder Bäume angepflanzt werden und alle Ackerflächen, die ursprünglich Seen waren, sollten wieder zu Seen werden.

Vor einigen Jahren wurden diese politischen Maßnahmen gestoppt, weil der Staat 296,5 Millionen Morgen Ackerland brauchte, um die Versorgung mit Getreide für China zu sichern. Die Urbanisation in China hat ständig ehemaliges Ackerland durch Bebauung vernichtet. Um eine Basislinie zu garantieren, ist der chinesische Staat zu einer Politik zurückgekehrt, der die Umwelt zum Opfer fällt.

Dr. Wang ist der Überzeugung, dass die überdimensionale Erschließung der Flüsse in China und der Bau von vielen Stauseen dazu geführt haben, dass es keine Selbstregulierung der Landschaft mehr gibt. Und das ist der Hauptgrund für die schlimmen Überschwemmungen in diesem Sommer. Gegenwärtig gibt es in China 86.000 Wasserkraftwerksprojekte, die höchste Anzahl in der Welt.

Regionale Regierungen können in China Fördermittel beantragen, wenn sie vorhaben, Elektrizität zu produzieren oder etwas zur Verhinderung von Überschwemmungen zu unternehmen. Ein hochrangiger Experte, der anonym bleiben will, hat gegenüber der „Epoch Times“ erklärt, dass die hydrologischen Institute der regionalen Regierungen sich zur Zeit über Überschwemmungen freuen, weil „die Zentralregierung so mehr Fördermittel für die technischen Projekte bereit stellen wird.“

„Es ist so, als ob schlechte Ärzte wünschen, dass mehr Leute krank werden, damit sie mehr Geld verdienen können.“, sagte der Experte.

Artikel erschien zuerst in der New Epoch Weekly.

Artikel auf Englisch: How Nature and Policy Produce China’s Record Floods

 

 



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