Eine Zeitung unserer Epoche – „The Epoch Times“

Lea Zhou, Chefredakteurin der chinesischen Europa-Ausgabe der „Epoch Times“, im Gespräch über Hintergründe und Mission der Zeitung, über Zensur in China und nicht zuletzt über die Verfolgung von Falun Gong, die den direkten Anlass bot für die Gründung einer Zeitung, die vom chinesischen Staat unabhängig ist.
Epoch Times10. Oktober 2009

The Epoch Times: Unsere Leser interessiert sicher, ob der Name der „Epoch Times“ eine spezielle Bedeutung hat?

Lea Zhou: Der chinesische Name für „The Epoch Times“ ist „DaJiYuan“ – „Die große Epoche“. In diesem Jahrhundert ist die Welt so schnell zusammengewachsen wie nie zuvor. Ob im Wirtschaftsbereich oder in der technischen Entwicklung, wir erleben eine immense Veränderung in jeder Hinsicht, die unser Leben auf dieser Erde gravierend verändert. Mit solchen tiefen Veränderungen in der Gesellschaft nähert sich uns eine neue Epoche an. Mit dem Namen „Die große Epoche“ wollen wir ausdrücken, dass eine neue Epoche vor uns steht. Als Zeitungsmacher wollen wir diese gesellschaftliche Veränderung auch als Zeitzeugen dokumentieren.

The Epoch Times: Wie kommt man darauf, eine Zeitung für Chinesen zu machen?

Zhou: Die chinesische Zeitungswelt ist genauso gespalten wie jede der chinesischen Communities in allen Ecken der Welt. Auf der einen Seite stehen Tausende staatlich kontrollierte chinesische Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehsender, die die Leser mit Nachrichten und Informationen überfluten. Im Vergleich dazu stehen auf der anderen Seite nur wenige Medien im Ausland, die frei von den chinesischen staatlichen Kontrollen die chinesische Leserschaft bedienen. Mit der Zunahme des wirtschaftlichen, sowie politischen Einflusses des chinesischen Regimes, sind viele solcher ursprünglich unabhängigen chinesischen Medien im Ausland in den letzten 20 Jahren rot-infiltriert bzw. von der heimatlichen chinesischen Macht „neutralisiert“ worden.

Vor diesem Hintergrund ist die Zeitung „The Epoch Times“ (­DaJiYuan) entstanden, um die chinesischen Leser mit unzensierten Informationen zu bedienen. Ein direkter Anlass für die Gründung dieser Zeitung war der Beginn der Verfolgung der Meditationsbewegung Falun Gong im Juli, 1999. Die Verfolgung von Falun Gong ist das größte Ereignis in der jüngsten Geschichte Chinas nach dem Tiananmen-Massakar im Jahre 1989. Als die Verfolgung begann, hat kaum jemand in der Welt genau gewusst, was Falun Gong ist und warum ihre Praktizierenden verfolgt werden. Die chinesische Propagandamaschine wurde voll in Gang gesetzt um diese beispiellose Verfolgung zu unterstützen. Die Außenwelt war genauso überrascht wie die chinesischen Bürger selber. Ahnungslos haben sich Medien außerhalb Chinas damals fast ohne Ausnahme auf die Berichterstattung der chinesischen staatlich-kontrollierten Medien bezogen. Die Propaganda fand damit ihren Weg und das Gift konnte durchsickern in den Boden der freien Welt. Die Stimme der Verfolgten konnte nirgends gehört werden. Die Welt schaut zu, während Millionen und aber Millionen von Menschen verfolgt werden, nein, besser gesagt, die Welt schaut zu durch eine rot gefärbte Brille, die man von dem chinesischen Regime aufgesetzt bekommt. In dieser historischen Situation ist „The Epoch Times“ im Jahre 2000 in den USA von Auslandschinesen gegründet worden.

Stimme der einfachen Bürger

Ich wurde oft gefragt, ob DaJiYuan ein Falun Gong-Blatt ist. Ich kann sagen, dass die meisten Macher selber Falun Gong-Praktizierende sind, deren Familienangehörige in China verfolgt worden sind. Allerdings befasst sich die Zeitung mit der gesamten gesellschaftlichen Veränderung Chinas und bemüht sich die Stimme aller einfachen Bürger Chinas zu sein – auch jener Bürger, die sich für mehr Bürgerrechte, mehr Gerechtigkeit und mehr Freiheit in China einsetzen. 94,5 Prozent der Bevölkerung in Polen gehören der römisch-katholischen Kirche an. Kein Mensch würde sagen, jede Zeitung aus Polen ist automatisch ein katholisches Blatt. Falun Gong hat nicht einmal eine Organisation. Sie ist ein Lebensweg, der von Menschen in über 80 Ländern der Welt gegangen wird.

The Epoch Times: Wo wird sie gelesen, wo wird sie produziert?

Zhou: DaJiYuan bzw. „The Epoch Times“ ist inzwischen neun Jahre jung. Innerhalb dieser neun Jahre hat sich die chinesischsprachige DaJiYuan sehr schnell entwickelt. Mit einer Auflage von cirka zwei  Millionen ist sie die auflagenstärkste chinesische Wochenzeitung außerhalb Chinas. Das Deckungsgebiet der chinesischen Printausgaben umfasst etwa 40 Länder. Unser Ziel ist: Wo es chinesische Leser gibt, dort gibt es DaJiYuan. Überall, wo eine regionale Ausgabe angeboten wird, wurde ein finanziell selbständiger Verlag gegründet, der die lokale Ausgabe selbständig produziert. In Ballungsgebieten wie New York, Toronto, Taiwan, Hongkong etc, erscheint DaJiYuan als Tageszeitung. Die europäische Ausgabe ist eine Wochenzeitung, sie wird in Berlin gedruckt und von dort aus an 16 europäische Länder geliefert und verteilt. In Deutschland erreicht DaJiYuan alle Groß- und Mittelstädte und sogar manche kleinen Städte, wo chinesische Immigranten leben.

So weit ich informiert bin, ist DaJiYuan die Zeitung, die immer wieder auf den Tisch des Politbüros in Peking kommt, wenn sich die Mitglieder des Politbüros über die politische Lage informieren wollen. Die Machthaber in Peking sind selbst Opfer ihrer eigenen Zensurmaßnahmen. Die Hongkong-Ausgabe von DaJiYuan erscheint auch oft in Shenzhen auf dem Schwarzmarkt.

Neben der chinesischen Ausgabe erscheint The Epoch Times auch in weiteren neun Sprachen, darunter Deutsch, Englisch, Französisch etc., jeweils mit eigenständigen Redaktionen und Verlagen.

The Epoch Times: Wer gibt das   Geld?

Zhou: Der Verlag wurde gegründet von Privatinvestoren. Jeder weiß, wie schwer es ist, eine Zeitung zu finanzieren, auch bei DaJiYuan. Die Zeitung finanziert sich durch den Anzeigenverkauf. Geld allein macht aber noch nicht glücklich. Eine große Anzahl von unseren Mitarbeitern ist in Vorleistung gegangen, indem sie ehrenamtlich für uns tätig sind. Ohne diesen selbstlosen Einsatz der Mitarbeiter und die starke Unterstützung der Leser aller Welt hätten wir es nicht geschafft, durchzuhalten und die Zeitung auf den heutigen Stand zu bringen.

Kunden immer mutiger

Am Anfang war der finanzielle Druck sehr groß, besonders in den ersten Jahren, als die Zeitung noch nicht so viele Anzeigenkunden hatte. Viele Kunden wurden in der Anfangszeit von den chinesischen Botschaften bedroht mit „Konsequenzen“ für ihre Geschäfte in China oder mit chinesischen Partnern. Zum Teil wurden die Kunden bedroht, dass sie nicht mehr zurück nach China reisen dürfen, wenn sie bei DaJiYuan inserieren. Dadurch haben wir etliche Kunden verloren. Viele potenzielle Kunden stiegen aus Angst überhaupt nicht ein. In diesen Zeiten wurde die Zeitung hauptsächlich von privaten Spenden finanziert. In den letzten Jahren hat sich die Lage deutlich verbessert. Diejenigen, die früher prophezeit haben, das chinesische Regime sei zu stark, die Angst der Menschen zu groß und wir zu schwach zum Durchhalten, haben sich selbst überzeugen können, dass das nicht der Fall ist. Die Menschen sind viel mutiger, als manche es gedacht haben. Nach all diesen Jahren sind bei den Anzeigenkunden deutlich weniger Ängste zu spüren. Immer mehr Anzeigenkunden kommen von alleine auf uns zu. Sie sehen auch, welche Wirkung die Anzeigen auf ihr Geschäft erzielen können, denn DaJiYuan wird von den chinesischen Lesern immer mehr geschätzt. Viele staunen auch über die Ausdauer und die Beständigkeit der Mitarbeiter und zeigen immer mehr Respekt. Jetzt werden die meisten Kosten durch Anzeigen gedeckt. Das Spendengeld wird hauptsächlich für die Erhöhung der Auflage genutzt.

The Epoch Times: Wer reagiert? Chinas Regime? Und wie?

Zhou: Dem Regime in China ist DaJiYuan zweifellos ein Dorn im Auge. DaJiYuan berichtet über alle die Themen, die die kommunistischen Machthaber in China am liebsten totschweigen wollen, sei es die SARS-Epidemie, sei es die Unterdrückung von Christen, Tibetern und Uiguren in China.

Um DaJiYuan kaputt zu machen, scheut sich das Regime nicht, mafiose Mittel einzusetzen. Unser Büro in Hongkong musste in der Anfangszeit sehr häufig die Druckerei wechseln, weil sie immer wieder von den Staatssicherheitsleuten bedroht wurden. Wir waren gezwungen, eine eigene Druckerei mit gebrauchten Anlagen aufzubauen. Kaum waren die Maschinen im Einsatz, wurde unser Büro von Schlägertypen überfallen. Die Glastür wurde zerschlagen, Computer und Maschinen zerstört. Die Polizei hat angeblich die Straftäter nicht finden können.

Im September 2006 wurde der technische Leiter unseres Büros in Hongkong von den Stasileuten bei einem Besuch im Festland China entführt und gezwungen, als Agent für die Stasi zu arbeiten. Seine Aufgabe war, DaJiYuan in Hongkong „mit technischen Maßnahmen zu zerstören“. Nach einer inneren Quälerei von fünf Monaten hat sich Wang Lian entschieden, die Familie zurückzulassen, um der Kontrolle der Stasi zu entkommen. Er ist mit einem Touristenvisum nach Australien gereist, hat dort das politische Asyl beantragt.

Eine weitere Methode des Regimes ist, neue chinesischsprachige Zeitungen herauszugeben, um mit DaJiYuan zu konkurrieren. Oft tauchen plötzlich in einem Gebiet neue chinesischsprachige Zeitungen auf, kurz nachdem DaJiYuan sich in diesem Gebiet verbreitet hat.

Wer sich für Medienzensur in China interessiert, dem kann ich das Buch der chinesischen Wissenschaftlerin He Qinglian („The Fog of Censorship: Media Control in China“; 248 Seiten, Human Rights in China, 2008, ISBN-13: 978-0971735620) sehr empfehlen.



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