Bach komponierte „for future“: Meisterwerke im Wochentakt

Die Musikstadt Leipzig feiert den 300. Jahrestag des Amtsantritts von Johann Sebastian Bach. Am 21. März starten die Jubiläumsfeierlichkeiten unter anderem mit einer Vernissage im Bach-Museum Leipzig.
Titelbild
Das Bachfest auf dem Leipziger Markt.Foto: Gert Mothes
Von 20. Februar 2023

Es ist jetzt genau 300 Jahre her: Im Jahr 1723 hat der berühmte Komponist Johann Sebastian Bach in Leipzig das Amt des Thomaskantors angetreten. Und das will in ganz großem Stil gefeiert werden – mit dem Bachfest 2023 in Leipzig. Dabei sind über 150 Veranstaltungen an mehr als 30 Orten in und um Leipzig geplant.

Bei seiner Eröffnungsrede zum Festjahr „Bach300 – 300 Jahre Bach in Leipzig“ hatte Ministerpräsident Michael Kretschmer am 9. Februar verkündet: „Tatsächlich hat Bach in Leipzig Einzigartiges geschaffen. Seine Musik berührt Menschen bis heute überall auf der Welt.“

Als Bach einst in Leipzig sein neues Amt übernommen hat, begann die produktivste Periode seines Lebens. Vom Dreifaltigkeitssonntag 1723 bis zum Dreieinigkeitsfest 1724 führte der neu bestellte Thomaskantor in den Gottesdiensten der Thomas- und Nikolaikirche ausschließlich eigene Werke auf: Insgesamt 63 Kantaten, von denen er 38 Stücke neu komponierte.

Professor Dr. Michael Maul, der Intendant des Bachfestes, erzählt im Gespräch gegenüber Epoch Times, dass Bach seine Meisterwerke für die sonntäglichen Gottesdienste sogar im Wochentakt komponiert hätte: „Unter riesigem Zeitdruck ist da eine unfassbar große Kunst entstanden“.

Vordergründig barock, aber vor allem „bachisch“ 

Bach war 27 Jahre lang als Komponist in der Messestadt tätig und schuf dort den größten Teil seiner Werke, in der Thomaskirche fand er seine letzte Ruhestätte. Dem Leipziger Publikum präsentierte der Musiker einen reichen und komplexen musikalischen Kosmos.

„Ich glaube, das Geheimnis ist, dass Bach einen musikalischen Stil entwickelt hat, der vielleicht vordergründig barock ist. Aber vor allem ist er ‚bachisch‘, das heißt, es passen harmonisch sehr viele Dinge“, führt Michael Maul, der seit 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bach-Archiv arbeitet, weiter aus. Dabei seien alle Stimmen gleichberechtigt. Manchmal könne man sogar nicht einmal erkennen, welches die Melodie ist. Genau das sei auch der Grund, warum jeder Bachs Stücke auf andere Weise aufnehme, so der 45-jährige Musikwissenschaftler. 

„Man wird mit ihnen nie fertig, sie sind einfach so mehrdimensional“, erklärt Dr. Maul. Auf diese Weise habe es die Musik aber auch geschafft, diverse Arten von Grenzen – kulturelle, konfessionelle und auch zeitliche – zu überwinden. Und „eben Menschen anzusprechen“. 

Eröffnung Bachfest Leipzig 2019: Dr. Michael Maul, Intendant des Bachfestes Leipzig, spricht bei der Eröffnung des Bachfestes Leipzig 2019 in der Leipziger Thomaskirche.
Foto: Bachfest Leipzig / Jens Schlueter

Auch „Atheisten gehen vor Bach in die Knie“

Welchen Anspruch Bach an seine Kompositionen stellte, ist an folgendem Zitat erkennbar: „Mit aller Musik soll Gott geehrt und die Menschen erfreut werden. Wenn man Gott mit seiner Musik nicht ehrt, ist die Musik nur ein teuflischer Lärm und Krach“, so der weltberühmte Künstler damals. 

Als Thomaskantor bestand seine Aufgabe darin, mit musikalischen Mitteln den Lesungstext eines Sonntags aus der Bibel zu illustrieren. Was laut Bachforscher Maul „durchaus eine Konkurrenz zur Predigt“ bedeuten konnte. Es seien aber nicht nur gläubige Menschen, die Gefallen an Bach finden, so Maul. „Heute gibt es genauso Atheisten, Katholiken, Buddhisten, die vor Bach in die Knie gehen – und vor seiner Vokalmusik.“ 

Diesen Effekt habe Bach unter anderem mit bestimmten musikalischen Mitteln erreicht. Das seien manchmal „gar nicht hochgeistige Dinge, sondern wirklich handfeste Affekte“, mit denen es ihm beispielsweise gelang, die Allmacht Gottes oder das Leiden Jesu darzustellen. Und gerade das mache ihn so „faszinierend“. Als konkretes Beispiel nennt Maul die erste Arie der Matthäuspassion: „Wenn da von Feuer die Rede ist oder von einem sündigen Herzen, das entzwei knirscht, stellte Bach an sich den Anspruch, ein Stück zu komponieren, wo es wirklich knirscht“, so der Musikwissenschaftler.

Dabei sei ihm das zum Beispiel mit gewissen „Dissonanzen“ gelungen. Damit werden Missklänge bezeichnet, die der Hörer in dem Moment als unangenehm empfindet, die dann später durch harmonische Klänge, den sogenannten Konsonanzen, wieder eine „Auflösung“ finden. In Bachs Werken stehen Dissonanz und Konsonanz in wechselseitigem Verhältnis.

Mozart und Beethoven haben sich an Bach orientiert

Nicht nur die Vokalmusik, sondern auch die Instrumentalmusik Bachs stellen Kunst auf höchster Ebene dar. Bei Bachs Instrumentalmusik ist sich Dr. Maul sogar sicher, dass dieser damit etwas „Bleibendes liefern wollte, an dem seine Schüler und deren Schüler immer wieder ihr eigenes Können schärfen können“.

Die Stücke in „Das Wohltemperierte Klavier“, einer Sammlung von Fugen und Präludien, seien zum Beispiel sehr schwer zu spielen, weil sie durch alle Tonarten gehen. „Wenn man die Stücke spielen kann oder auch intellektuell durchdringt, dann ist man im Grunde ein fertig ausgebildeter Pianist oder auch Komponist“, so Dr. Maul.

Komponisten wie Beethoven, Mozart, Schumann, Mendelssohn, Chopin und Schostakowitsch seien mit Bachs Stücken groß geworden und hätten sich somit an dieser Messlatte orientiert.

Bach hat „for future“ komponiert, deshalb das Motto

Warum der Intendant des Bachfestes das Motto „Bach for Future“ wählte, erklärt er folgendermaßen: Zum einen habe Bach, als er 1723 anfing, wöchentlich diese ganzen Meisterwerke zu komponieren, sie eigentlich „for future“, also für die Zukunft komponiert. „Heute können wir das so sagen“, beschreibt Professor Dr. Maul. 

Obwohl er es nicht wisse, glaube er, dass die Zeitgenossen damals von der schwierigen Musik auch ein wenig „irritiert“ gewesen sein könnten. „Denn plötzlich gibt es keine Nebenstimmen mehr, alle sind gleichberechtigte Akteure. Also ich glaube gerade die jungen Thomaner, die werden ganz schön geschluckt haben“.

Deshalb bezweifelt er, ob die Menschen damals auch so vor ihm auf die Knie gefallen seien. Laut dem Bachbiografen habe es seine Zeit gebraucht, dass „wir uns alle in diese Musik hineingehört und die Schönheit wirklich darin erkannt haben“. So habe Bach also für die Zukunft komponiert, ohne dass er das vielleicht wollte. Er glaube auch, dass die Rezeptionsgeschichte neben dem ehrfurchtsvollen Rückblick auch immer noch weiter gehe. 

Großes konnte nur gemeinsam geplant werden

Worauf Dr. Maul, der gebürtige Leipziger, besonders stolz ist, dass es „uns gelungen ist, sämtliche Institutionen, die sich in Leipzig mit Bach beschäftigen, an einen Tisch zu bekommen. Nur so sei es möglich gewesen, etwas Großes mit so vielen Formaten zu planen. Er selbst freue sich darauf, welche „schönen Erkenntnisse“ sich mit dem Erlebnis einstellen werden. 

Vielleicht war Bach sich seiner großen Aufgabe bewusst und blickt sogar zufrieden auf seine geschaffenen Werke herunter. In einem von Bachs Zitaten hört es sich jedenfalls so an: „Jeder von uns hat in dieser Welt einen göttlichen Auftrag zu erfüllen, und die Seele bedient sich des Körpers, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.“

Informationen über das Jubiläumsprogramm finden Sie unter: www.bach300.de



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion