Das „Adventsgärtlein“

Ein meditatives Jahreszeitenfest in der Praxis der Waldorfpädagogik
Titelbild
Foto: Christine Gäckler/The Epoch Times
Von 7. Dezember 2009

Singend, mit dem Lied „Über Sterne, über Sonnen“, betreten die Kinder und Erzieherinnen eines Waldorfkindergartens den festlich gestalteten Raum. Eine große raumfüllende Spirale aus Tannenzweigen liegt am Boden. In ihrer Mitte brennt ein großes Kerzenlicht. Die Kinder nehmen auf den kleinen Stühlen, die rund um die Spirale aufgestellt sind, Platz.

Der schneckenförmige Tannenweg ist mit Sternen aus Goldkarton und funkelnden Steinen gesäumt. An der Öffnung des Spiralweges steht ein Tablett mit vielen rotbackigen Äpfeln bereit, jeweils bestückt mit einer kleinen Kerze. So viele Kinder – so viele Äpfel. Der Anblick der leuchtenden Kerze in dieser Dunkelheit, der Duft von frischem Tannenreisig, die zarten musikalischen Klänge von Leier- und Flötenspiel – all dies lässt in der Seele der Anwesenden eine meditative Stimmung entstehen.

Dann sagt die Erzieherin folgenden Spruch auf: „In der dunklen Nacht ist ein Stern erwacht, leuchtet hell am Himmelszelt, schenkt sein Licht der ganzen Welt, in der dunklen Nacht ist ein Stern erwacht.“

Spirale – Zeichen für innere Umkehr

Der Reihe nach darf jedes Kind in die Spirale hineinziehen. Zuvor bekommt es einen Apfel mit der Kerze gereicht. Manche Kinder gehen gerne allein, andere Kinder möchten lieber von der Erzieherin begleitet werden. In der Mitte angelangt, entzündet das Kind sein Licht an der Flamme. Mit dem Apfel-Licht in den Händen geht es ein Stück Weg zurück und setzt es dann auf einem Stern entlang der Spirale ab.

Gerlinde Koch, Erzieherin im Waldorfkindergarten Pirmasens, erinnert sich an ein besonderes Erlebnis: „Einmal erleuchtete sich der Spiralweg von innen nach außen – das war wunderschön anzusehen! Das erste Kind begann beim Rückweg sein Apfel-Licht auf dem ersten Stern abzustellen und die nachfolgenden Kinder setzten dies lückenlos der Reihe nach fort. Und dabei ist es für die Kinder nicht vorgegeben, an welchem Platz sie ihre Lichtlein abstellen; sie wählen sich ihren Stern selbst aus. Das hat sich einfach so von alleine ergeben.“

Sebastian Knabe, Waldorfpädagoge an der Freien Waldorfschule Berlin-Südost, beschreibt das Adventsgärtlein auf seiner Webseite  www.sebastian-knabe.de mit folgenden Worten: „Das Adventsgärtlein gibt ein Bild für die kindliche Biographie: das Suchen eines Lichts auf dem Lebensweg, und mit diesem Licht die Umgebung für alle anderen mit zu erhellen.“ Mancherorts sind in den Kindergärten auch die Eltern dabei; es ist für sie und die Pädagogen interessant zu beobachten, wie jedes Kind seinen Weg geht. „Sehr verschieden, verträumt oder aufgeregt, kommen die Kinder, um ihr Apfel-Licht zu empfangen. Langsam oder schnell gehen sie zur Kerze ins Zentrum. Einige sehen nur das Ziel, andere schauen sich alles staunend an. Wieder andere tragen ihr Licht so andächtig, dass sie fast vergessen, es am Schluß hinzustellen. Wer das Adventsgärtlein einmal erlebt hat, wird es als besinnlichen Moment lange in Erinnerung behalten“, so Knabes Sicht.

Fehlt ein Kind an diesem Tag, wird seine Kerze stellvertretend von der Erzieherin zur Mitte getragen und entzündet. Es wird an jeden gedacht.

Das Erlebnis dieses erstrahlten Adventsgärtleins lässt die Kinder beseelt auf den Nachhauseweg gehen. Die auf einem Tablett wieder eingesammelten Apfel-Lichter dürfen mitgenommen werden.

Spirale – Symbol und Naturerscheinung

Die Spirale ist als uraltes, heiliges Symbol aller Kulturen. Es ist der Weg hinein – und wieder hinaus. Die Spirale gilt als Zeichen der inneren Umkehr des Menschen, seiner geistigen und leiblichen Erneuerung. Kultische Tänze wurden oft in Spiralform getanzt.

Die Spirale stellt eine universelle Grundform in den Erscheinungen der Schöpfung dar, z.B. im Spiralnebel, der Galaxis, dem Weg der Planeten etc. In der Natur können wir die Spirale u.a. bei einem Schneckenhaus oder einer Muschel entdecken. Selbst die Fruchtstände von Pflanzen, wie beispielsweise bei der Sonnenblume oder den Zapfen der Nadelbäume, weisen eine Spiralstruktur auf. Wasser strömt in Spiralen.

Foto: Christine Gäckler/The Epoch Times

 

 



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