Ist alles Übergang oder Eintritt in die Urquelle?

Michael Albus beschreibt in „Alles ist Übergang“ das Leben auf einer Palliativstation. Er ist Theologe, Professor für Religionsdidaktik der Medien und ehemals langjähriger Leiter der ZDF-Hauptredaktion Kinder, Jugend und Familie.
Titelbild
Die Gegenwart, gleich wie sie sich zeigt, ist für die Patienten wichtiger, als sie für viele der Gesunden ist.Foto: Cover Verlag Butzon & Bercker
Von 14. Februar 2016

Sterben und Tod sind Teile des einen und einzigen Lebens. Die letzten Abschnitte unserer irdischen Existenz. Dass diese Phase nicht einfach ist, liegt auf der Hand. Der letzte Abschnitt ist endgültig. Und er ist mit Schmerzen verbunden. Eine Konsequenz, die sich aus der Würde des Menschen ergibt, ist, dass er würdig sterben kann. So schmerzfrei wie möglich“, schreibt Michael Albus, der lebenserfahrene Theologe, Professor für Religionsdidaktik der Medien und ehemals langjährige Leiter der ZDF-Haupt-redaktion Kinder, Jugend und Familie in seiner Einleitung zu seinem Anfang März 2016 erscheinenden tief berührenden Buch.

Seit geraumer Zeit wird das Thema „Sterben und Tod“ ständig in den Medien, in fachärztlichen Kreisen, in Kirche und Gesellschaft u.a.m. zum Teil recht kontrovers diskutiert. Dabei rückt das Selbstbestimmungsrecht des Menschen in Bezug auf seine irdische Existenz und Lebensqualität zunehmend in den Vordergrund.

Die heutige Welt erleichtert uns zuweilen in täuschender Weise mit den modernsten Mitteln wissenschaftlicher Errungenschaften, die Natur in unsere Verfügungsgewalt zu bekommen und damit möglicherweise die Existenz eines höheren kosmischen Wesens in Frage zu stellen. Der selbst gewählte Tod zur Beseitigung eines unerträglichen körperlichen und seelischen Leidens sollte nicht zu einer neuen Massenbewegung führen, daher sind die Palliativ- und Hospizeinrichtungen äußerst willkommen.

In der Universitätsklinik Mainz leitet der mit Michael Albus befreundete Professor Dr.med. Martin Weber eine personell einzigartig ausgestattete Palliativstation mit acht Betten. Das ist eine allumfassende Therapiegrundlage (Medizin, Pflege, Psychotherapie, theologische Seelsorge), von der landläufige Versorgungseinrichtungen (Krankenhäuser, Altenheime u.a.) nur träumen können.

Der Buchautor spricht sehr ausführlich mit drei Schwerstkranken kurz vor deren Tod, mit den betreuenden Ärztinnen und Ärzten, mit einer Psychologin mit den Pflegekräften, mit der evangelischen Pfarrerin. Ein großartiges Team, das offenbar in großer Harmonie und mit viel Empathie zusammenarbeitet. So waren in vergangener Zeit die Großfamilien organisiert, in deren Geborgenheit die älteren und kranken Mitglieder in Frieden sterben konnten. Die elementare Lebens- und Sterbekultur ist im Lauf der letzten Jahre zunehmend verkümmert. Den Mehrgenerationen-Familienverband gibt es nicht mehr. Der wirtschaftliche Fortschritt hat unser soziales Gefüge „pathologisiert“.

Michael Albus hört den Sterbenden aufmerksam und mit liebendem Herzen zu. Es sind Geschichten von Menschen, die mit besonderen Erinnerungen und z.T. Enttäuschungen vor dem Eingangstor zum Tod stehen und nicht wissen, was sie erwartet. Von Gott ist kaum die Rede, aber von einer numinosen Spiritualität. Alle Patienten fühlen sich auf ihrer Palliativstation sehr zufrieden. Und dafür sorgen mit beispielhafter Hingabe alle Therapie- und Pflegekräfte.

Die Oberärztin Dr. Ulrike Reinholz berichtet: „Die Patienten unterscheiden sehr fein, mit wem sie über die verbleibende Zeit reden. Ich glaube schon, dass alle Patienten sehr in der Gegenwart leben, die kleinen Momente des Glücks genießen können, aber auch sehr leiden, wenn es nicht so rund läuft, wie man sich das wünscht. Jedenfalls ist alles, was gerade passiert oder nicht passiert, wichtig. Die Gegenwart, gleich wie sie sich zeigt, ist für die Patienten wichtiger, als sie für viele der Gesunden ist, die im Trost leben…“

Diverse Palliativmediziner werden inzwischen spirituell geschult, wobei auch hier immer wieder Wissensdefizite zu bemerken sind. Das Leben ist ein ewiger Prozess, die sichtbare irdische Existenz zwischen Geburt und Tod ist der kleinste Teil. Der Tod ist die Eingangspforte zum Leben [„mors porta vitae est“, Roland R. Ropers]. Insofern sollte eine professionelle Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden als „Palliative Lebensbegleitung“ bezeichnet werden.

Die „Rückkehr zur Reinen Quelle“, von welcher der Wiener katholische Priester und erfahrene ZEN-Meister Karl Obermayer (77 J.) spricht, ist kein Übergang in eine andere Welt, sondern in meiner Sprache der Eintritt in die Urquelle, lat.: „Introitus ad Fontem“. Noch im 6. Jahrhundert hatten die Kirchenväter auf dem Konzil in Toledo Gott als „Fons et Origo“,Quelle & Ursprung“ definiert – in dieser sinnvollen Interpretation kommt die Ewigkeit des Seins zum Ausdruck.

„Der Tod ist nichts – ich bin nicht weit weg!“

Der Tod ist nichts,
ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen.

Ich bin ich, ihr seid ihr.

Das, was ich für euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht nicht eine andere Redensweise,
seid nicht feierlich oder traurig.

Lacht weiterhin über das, worüber wir gemeinsam gelacht haben.

Betet, lacht, denkt an mich, betet für mich.
Damit mein Name im Hause ausgesprochen wird,
so wie es immer war,
ohne irgend eine besondere Betonung,
ohne die Spur eines Schattens.

Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.

Warum soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg, nur auf der anderen Seite des Weges.

(Charles Péguy, 1873 – 1914)

Foto: Cover Verlag Butzon & Bercker

Michael Albus

Alles ist Übergang

Verlag Butzon & Bercker, Erscheinungsdatum 1. März 2016

160 Seiten

€ 16, 95



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