Janis Joplin: Hemmungslos, intensiv, verletzlich

Wenn der Begriff Urgewalt jemals für eine Stimme in der Rockmusik passte, dann bei Janis Joplin. Hinter deren rauer Performance und wildem Lebensstil verbarg sich eine sehr verletzliche Seele. Joplin starb 1970 mit nur 27 Jahren. Am 19. Januar wäre sie 75 geworden.
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Janis Joplin wurde zur Ikone der Hippie-Kultur.Foto:  dpa/dpa
Epoch Times18. Januar 2018

Es war ein trauriges neues Phänomen für die damals noch junge Rockmusik. Innerhalb von genau zwei Jahren, zwischen Juli 1969 und Juli 1971, starben vier ihrer größten Talente – alle erst 27 Jahre alt.

Weil sie einen exzessiven bis selbstzerstörerischen Lebensstil pflegten, war bald vom „Club 27“ der Promi-Opfer von „Sex & Drugs & Rock’n’Roll“ die Rede. Janis Joplin war neben Brian Jones (Rolling Stones), Jimi Hendrix und Jim Morrison (The Doors) die einzige Frau im makabren Quartett.

Aber nicht nur deshalb ging die am 19. Januar 1943 in Port Arthur im US-Bundesstaat Texas geborene weiße Blues- und Rocksängerin in die Musikgeschichte ein. Joplin wurde zur Ikone der Hippiekultur und – ob berechtigt oder nicht – mit ihrem auf und neben der Bühne ausgestellten Selbstbewusstsein zu einer frühen feministischen Leitfigur.

In ihrer Bedeutung für den Sixties-Mythos rangiere sie direkt hinter Bob Dylan, urteilte wenige Jahre nach ihrem Drogentod am 4. Oktober 1970 das US-Magazin „Rolling Stone“. Joplin habe „eine der leidenschaftlichsten Stimmen der Rockhistorie“ besessen, hieß es 1995 zur posthumen Einführung in die Rock & Roll Hall of Fame. „Ihr rauer Bluesrock war der Soundtrack zum ‚Sommer der Liebe‘ von San Francisco“, schrieb der britische „Guardian“ 2015 zur Veröffentlichung der Filmdokumentation „Janis: Little Girl Blue“.

Am Freitag (19.1.) hätte Janis Joplin ihren 75. Geburtstag feiern können. Und wie bei Brian Jones, Jimi Hendrix oder Jim Morrison fragt man sich: Was wäre aus ihr geworden, hätte sie mehr als nur die paar wilden Jahre gehabt? „Ihr Ende ist so tragisch“, meint dazu die Dokumentarfilmerin von „Janis: Little Girl Blue“, Amy Berg. „Sie hatte endlich eine Balance zwischen Kreativität und persönlichem Leben gefunden“ – weil sie 1970 ihre besten Songs aufgenommen und sich in einer stabilen Beziehung befunden habe.

Das Album „Pearl“ erschien dann – inklusive dem von Kris Kristofferson für Joplin geschriebenen Welthit „Me And Bobby McGee“ – im Februar 1971, wenige Monate nach ihrem Tod. Es führte wochenlang die US-Charts an und gilt als eine der besten Platten aller Zeiten. Und doch tut sich die Kritik inzwischen, da die Rockmusik längst nicht mehr jung ist, schwer mit dieser Frau und ihrem Nachleben – trotz aller Einflüsse auf Sängerinnen wie Bette Midler, Alanis Morissette, Bonnie Raitt oder auch Pink.

Wenn man die oft von anderen Songwritern stammenden Joplin-Lieder in ihrer furiosen Interpretation heute hört, wenn man Videobilder ihrer hochemotionalen Konzerte sieht, denkt man immer noch unwillkürlich: Diese Sängerin war für die große Bühne geboren.

Dabei stemmt sich ihre drei Oktaven umspannnende Orkanstimme – eine „Rock-Röhre“, wenn es je eine gab – gegen die herkömmliche Beschreibung als schön. „Sie war heiser und kreischte wie eine angeschossene Eule“, so der Weggefährte Nick Gravenites. Und auch ihre wuchtigen Live-Auftritte, ihr öffentliches Gefluche, ihr riskantes Spiel mit Alkohol und harten Drogen, ihre sexuelle Hemmungslosigkeit können nicht verdecken, dass Janis Joplin ein zutiefst unsicherer, äußerst verletzlicher Mensch war.

Denn in der Kindheit und Jugend erlebte das in eine typische texanische Mittelschichtfamilie geborene, lange Zeit pickelige und pummelige Mädchen dauerhaft prägende Schmähungen. Janis zog sich zurück, las viel, dichtete, malte. Irgendwann entdeckte sie die Musik für sich. Blues- und Soulsänger wie ihr lebenslanges Vorbild Bessie Smith, Odetta, Etta James, Aretha Franklin und Otis Redding beeinflussten ihren Stil.

Mit 18 ging Joplin nach Kalifornien, um in der aufblühenden Gegenkultur Sängerin zu werden. 1966 wurde sie für die Band Big Brother And The Holding Company als Frontfrau angeheuert – und schlug voll ein, mit einem tollen Auftritt beim Monterey Pop Festival 1967, einem starken Debütalbum und dem noch besseren Nachfolger „Cheap Thrills“. Später erinnerte sie sich an diese Zeit des Aufbruchs voller Begeisterung: „Urplötzlich stellte mich jemand vor diese Rock’n’Roll-Band. Und ich entschied, dass es das für mich war. Ich wollte nie etwas Anderes machen.“

Der Rest ihrer kurzen Karriere verlief wie bei so vielen früh verglühten Rockhelden. Bandprojekte scheiterten, Liebesbeziehungen endeten im Chaos, die Sucht forderte Tribut. Joplin sagte trotzig: „Schließ‘ keine Kompromisse – du bist alles, was du hast.“ Und sie ahnte wohl, was das bedeuten konnte: „Lieber zehn überglückliche, ausgelassene Jahre als schließlich 70 zu werden, um in irgendeinem verdammten Sessel dem Fernseher zuzuschauen“ – auch dieses Zitat wird Joplin zugeschrieben.

Bei ihr war die Zeitspanne des Glücks schließlich sogar noch kürzer. Über ihren elenden Heroin-Tod in einem Motelzimmer in Los Angeles sagte der britische Kollege Eric Burdon (The Animals) später lakonisch: „Janis starb an einer Überdosis Janis.“

Aber da ist eben auch bis heute ihre Faszination als grenzenlos intensive Musikerin, als größtes weibliches Pop-Idol einer ganzen Ära. Janis habe ihr „Mut eingehaucht, Rockstar statt Sekretärin werden zu wollen“, sagte die Sängerin Melissa Etheridge („Bring Me Some Water“). Sie übernahm 1995 – ein Vierteljahrhundert nach dem Ende von Joplins Lebensweg – ihre feierliche Einführung in die Ruhmeshalle der Rockmusik in Cleveland/Ohio. (dpa)



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