Von jungen Menschen und alten Meistern

Ein Benefizkonzert, organisiert von jungen Kunstförderern.
Titelbild
Die Gemäldegalerie in Berlin.Foto: Christina Wüstling
Von 18. August 2022

Was bewegt gerade einen jungen Menschen dazu, sich mit der Kunst der alten Meister zu beschäftigen und sich auch aktiv am Erhalt dieser Schätze zu beteiligen? Diese und weitere Fragen stellten wir Christina Wüstling, Sprecherin der Jungen Kaiser (JK) – die jungen Mitglieder im Kaiser Friedrich Museumsverein. Die 34-Jährige sagt: „Alte Kunst beeinflusst uns heute immer noch, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen“.

Die „Jungen Kaiser“ sind ein Team im Alter von 18 bis 35 Jahren, und darum bemüht, die großartigen Berliner Sammlungen Alter Meister von Gemälden und Skulpturen zu unterstützen und durch Ankäufe zu bereichern. Aktuell haben sie ein Benefizkonzert organisiert.

Warum ist es Ihnen als jungem Menschen wichtig, dazu beizutragen, alte Meisterwerke und alte Kunst zu erhalten? 

Ich denke, es ist ein Grundverständnis, das wir heutzutage als junge Menschen haben. Man muss sich mit sehr vielen Themen beschäftigen, was in der jetzigen Zeit auch nicht selbstverständlich ist. Eine klassische humanistische Ausbildung genießt nicht jeder – selbst dann, wenn man gut gebildet ist. Zudem ist Latein auch kein Standard mehr, man braucht es nicht mehr, also versteht man viele Textstellen oder Passagen in Werken schon mal gar nicht. Das ist schwierig, es ist eigentlich eine Sprachbarriere. Außerdem kommen in der alten Kunst viele biblische Geschichten und sehr viel Mythologie vor. Religion spielt keine große Rolle mehr im Leben der meisten Menschen, gerade hier in Berlin ist die christliche Religion eine Minderheit. Dadurch fallen schon viele Verständnissachen weg. Mythologie hat auch niemand großartig in der Schule durchgenommen.

Wenn man sich nicht selbstständig mit diesen Themen auseinandersetzt, fehlt einem schlicht das Wissen darüber. Es fehlt der Zugang dazu. Man muss erst einmal so viel lernen und begreifen, welches Kunstwerk man vor sich hat, um es genießen zu können oder zu erkennen, was das Besondere an diesem Werk ist. Darin sehe ich auch das Problem, warum viele Leute sich der alten Kunst nicht zuwenden und Berührungsängste haben. Es gibt eine Barriere: „Ich verstehe es nicht und ich muss so viel Vorwissen haben, damit ich das begreifen kann.“ Wenn man aber erstmal drinnen ist, wird es immer spannender. Deswegen versuchen wir Junge Kaiser durch die Führungen, die wir machen, den Leuten diesen Zugang zu ermöglichen.

Junge Menschen und alte Meister

Christina Wüstling, Sprecherin der „Jungen Kaiser“ vor Filippo Lippis „Anbetung im Walde“. Das Gemälde soll einen neuen Rahmen bekommen. Foto: Christina Wüstling

In der zeitgenössischen Kunst basieren sehr viele Werke auf alter Kunst. Deswegen ist alte Kunst schützenswert, es ist wichtig, sie zu wahren. Werke, die teilweise tausend Jahre alt sind, können wir uns heute anschauen, weil sie geschützt wurden. Kunst ist für mich ein Spiegel der Zeit, wie Dokumente. Es ist nicht nur ein visueller oder schriftlicher Nachlass, der uns begreifen lässt, wie Menschen waren und warum wir so sind, wie wir sind. Es ist eine geschichtliche Entwicklung und es wäre schade, wenn solche bedeutenden Artefakte einfach verloren gingen. Wenn wir das Alte vergessen, wissen wir nicht mehr, wer wir sind.

Alte Kunst, alte Musik – alles kommt wieder. Bestimmte Inspirationen, seien es bestimmte Akkorde, bestimmte Farbkombinationen, ein Triptychon, Dreiteilung, der Goldene Schnitt – das sind alles Sachen, die uns heutzutage noch immer beeinflussen, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. Deswegen ist es schön, wenn man deren Ursprung und auch die Entwicklung bewahrt.

Worin sehen Sie persönlich den Wert der Kunstwerke der Alten Meister?

Es ist das Zusammenspiel aus historischem Kontext und der Ästhetik, die auch schon sehr bewundernswert ist. Die Maltechniken sind einfach beeindruckend, es ist faszinierend, wie detailliert und fotorealistisch manche Werke sind. Ich habe Kunstgeschichte studiert, für mich ist es ein Einblick in eine Zeit, die war, aber irgendwie immer noch ist. Ich denke, jeder hat einen unterschiedlichen Zugang zu alter Kunst. Der eine wird vielleicht betend davor stehen und berührt sein. Jemand, der keinen Zugang mehr dazu hat, sieht vielleicht etwas anderes darin.

Junge Menschen und alte Meister

Die Gemäldegalerie zu Berlin besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen europäischer Malerei vom 13. bis zum 18. Jahrhundert. Foto: Christina Wüstling

Für mich ist auch interessant, welche Bilder beauftragt worden sind, wie sich Herrscher gesehen haben oder gesehen werden wollten und gleichzeitig auch diese Detailverliebtheit. Gerade bei Porträts gab es damals schon so etwas wie das heutige „Photoshop“, es wurde gewissermaßen beim Malen eine Art Beautyfilter über die Person gelegt. Man wollte sie so ideal wie möglich abbilden. Das ist auch der Grund, warum Porträts von ein und derselben Person manchmal komplett unterschiedlich aussehen.

Ich finde die verschiedenen Maltechniken der alten Meister sehr spannend. Man glaubt vielleicht, dass sie sich in der Technik sehr ähneln und dass erst in der klassischen Moderne die Pinselführung individueller wird. Das stimmt aber nicht. Wenn man ins Detail geht, sieht man, wie unterschiedlich die Maler gemalt haben und entdeckt die herausragenden Qualitäten der einzelnen Künstler.

Was hat Sie dazu bewogen, sich mit alter Kunst auseinanderzusetzen?

Meine Familie stammt aus Kroatien. Als Kind hat mich die römische Arena in Pula und die Altstadt in Split, die auf den Palast von Kaiser Diokletian basiert, geprägt. Ich war schon immer fasziniert von antiken Funden, von Kirchen und von Spuren der Menschheit und wollte immer mehr davon wissen. Beim Betrachten der Kunstwerke hat es mich stets gefesselt zu sehen, wie Menschen vor Hunderten vor Jahren lebten. Als Jugendliche habe ich dann einen Fernsehbeitrag gesehen, in der ein Schloss komplett restauriert wurde. Der Boden wurde neu gelegt, es gab auch Gemälde-Restauratoren, die die Kunstwerke im Schloss restauriert haben. In dem Augenblick wusste ich: Ja, das will ich werden. Ich will die alten Kunstwerke erhalten und sie schützen. So kam eins zum anderen und hat sich Stück für Stück aufgebaut. Mir ist es ein Anliegen, Kunst und Kultur zu schützen.

Was möchten Sie mit dem Benefizkonzert erreichen?

Anlass war es, die Museen finanziell zu unterstützen, für Anschaffungen, die im Budget normalerweise nicht drinnen wären. Es gibt immer mehrere Baustellen in einem Museum. Der Kurator der beiden Häuser [Anm. d. Red.: das Bode-Museum und die Gemäldegalerie], Neville Rowley, der für frühitalienische Kunst zuständig ist, kam mit einer Bitte: Er hat mehrere Projekte, die er realisieren möchte, aber das Budget fehlt. Die Jungen Kaiser wollten helfen, ein Projekt zu realisieren, das relativ schnell umsetzbar ist: Die Neurahmung eines Werkes von Filippo Lippi „Anbetung im Walde“, das aktuell in der Gemäldegalerie hängt.

Das Gemälde hat nur einen einfachen, unauffälligen Galerierahmen, der dem Bild nicht gerecht wird. Durch den Erlös des Benefizkonzerts möchten wir einen Tabernakelrahmen speziell für das Gemälde anfertigen lassen, ein Rahmen, der historisch passend ist. Die „Anbetung im Walde“ war vormals in der Privatschaukapelle der Medici in Florenz. Da hatte es ein anderes Setting. Dort war es in einem opulenten Renaissance-Rahmen eingefasst. So einen soll es wieder bekommen, um die historische Bedeutung des Bildes zu untermalen.

Welche Erkenntnisse konnten Sie aus Ihrer Arbeit ziehen?

Ich bin auch im Verein „Freunde der Nationalgalerie“, wo es mehr um zeitgenössische Kunst geht. Ich stelle immer wieder fest, dass es in anderen Kunstvereinen mehr junge Leute gibt, die sich mit zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen und sich weniger für Altmeister interessieren. Ich denke, das liegt an der Verständnisbarriere und das stimmt mich ein wenig traurig. Mit meiner ehrenamtlichen Arbeit möchte ich junge Leute dazu bewegen, auch einen Blick auf alte Kunst zu haben und nicht zu denken, „das ist alt und vergangen, das brauchen wir nicht“. Sondern zu erkennen, dass es Teil unserer Identität ist und auch Teil unserer heutigen Kunst.

Deswegen machen wir das Benefizkonzert, weil klassische Musik das gleiche Schicksal teilt wie alte Meister bei jungen Leuten. Wenn die Eltern dem Kind z. B. keinen Klavier- oder Geigenunterricht ermöglichen konnten, dann hat man gar keinen Zugang zur klassischen Musik. Ich finde es immer wieder sehr amüsant, wenn man in Filmen bestimmte Melodien, z. B. Vivaldis vier Jahreszeiten abspielt und die jungen Leute dann ausrasten und sagen „Das ist eine fantastische Filmmusik“. Diese Musik ist 500 Jahre alt und immer noch Teil unserer Gesellschaft. Was wir heute an Kunst und Kultur produzieren, basiert auf dem, was schon war. Das ist der Grund, warum wir uns als Junge Kaiser dazu entschieden haben, ein klassisches Benefizkonzert zu veranstalten und Kunst und Kultur zu zelebrieren.

Das Benefizkonzert der Jungen Kaiser mit dem Pianisten Haiou Zhang, der Werke von Bach und Chopin spielen wird, findet am Sonntag, dem 21. August, um 19 Uhr (Einlass 18.30 Uhr) in der Basilika des Bode-Museums statt. Karten für Nicht-Mitglieder gibt es für 40,- Euro mit anschließendem Champagnerempfang in der Großen Kuppelhalle.



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