ARGERICH – Bloody Daughter – Kinostart

Titelbild
Martha Argerich Filmposter AusschnittFoto: Intermezzo Films & Ideale Audience
Von 30. Januar 2014

Heute startet der Film ARGERICH – Bloody Daughter in den deutschen Kinos.

Die Pianistin Martha Argerich gilt als unnahbar, schwierig und ausgesprochen kamerascheu. Nur sehr ungern gibt sie Interviews, spricht lieber in Tönen als in Worten. Doch ihrer jüngsten Tochter Stéphanie zeigt sie sich ungeschminkt, spricht auch über Intimes wie die Furcht vor dem Alter.

Foto: Intermezzo Films & Ideale Audience

Die preisgekrönte Dokumentarfilmproduzentin Stéphanie Argerich ist die jüngste der drei Töchter der weltberühmten, im Juni 1941 in Buenos Aires geborenen Pianistin Martha Argerich. Dieses beeindruckende Patchwork-Familien-Porträt wurde bereits in der Schweiz und in ARTE-TV gezeigt.

Ein bisschen französisch, leicht, heiter und charmant erleben wir die Geschichte einer verrückten Familie, bis die Filmregisseurin ihren Vater in London besucht und feststellen muss, dass er in all den Jahren seine Vaterschaft nie anerkannt hatte. Inconnu (unbekannt) steht noch immer auf Stéphanie Argerichs Geburtsschein. Im Jahr 1975 kam sie in Bern zur Welt. Warum, fragt sie heulend. Aber ihr Erzeuger hat keine Antwort.

Stéphanie Argerich, die den Vornamen von ihrem Vater, dem Pianisten Stephen Kovacevich hat, und deren Nachname von den Eltern einst durch das Werfen einer Münze bestimmt wurde, recherchiert im Familienarchiv und versucht sich zu erinnern. Sie interviewt ihre beiden Stiefschwestern, Annie Dutoit, Tochter des Dirigenten Charles Dutoit, und Lyda Chen, Tochter des Komponisten Robert Chen.

Sie befragt vor allem die Mutter selbst. Manchmal wehrt sich Martha Argerich. Auf unbequeme Fragen, etwa auf die, warum sie sich ihr erstes Kind, Lyda, wegnehmen und bei Pflegeeltern aufwachsen ließ, antwortet sie gar nicht, oder sie dreht sich weg, lächelt ihr scheues Lächeln, ruft: „Ach, es ist so schwierig, du mit deiner Kamera“ und flieht. Und Stéphanie Argerich lässt nicht locker.

Ein entwurzeltes Wunderkind

Die argentinische Pianistin Martha Argerich ist ein entwurzeltes Wunderkind, Spross jüdischer Emigranten, das in Zwischenwelten lebt. Immer auf Reisen, dreimal verheiratet, Millionen Verehrer, tausend Freunde, allein am glücklichsten, aber unglücklich zugleich. Die Geschichte von Töchtern, die ohne Väter aufwachsen und die Mutter bemuttern. Ein Vierfrauenfilm. Erbarmungslos offen, schmerzhaft, zugleich intim und unendlich liebevoll, versöhnlich, nach kleinen Wahrheiten suchend.

Martha Argerich erzählt der Tochter Stéphanie, warum sie sich stets von den Männern und den Vätern ihrer Kinder getrennt hat, dass sie sich aber trotzdem nach Liebe sehnt, und dass sie ihre jüngste Tochter immer und über alles geliebt habe.

Man lebt zu dritt in einer WG, die größere der Töchter schaut, dass die Kleine zur Schule geht. Und wenn Stéphanie keine Lust hat, was ziemlich oft vorkommt, schwänzt sie und schreibt sich die Entschuldigung selber. „Sehr geehrte Lehrerin, meine Tochter Stéphanie war krank“, unterschrieben mit Martha Argerich.

Der liebste Schlafpatz der kleinen Stéphanie war unter dem Flügel, ihre Erinnerungsbilder an die klavierspielende Mutter beginnen bei den Füßen und Zehen, die die Pedale bearbeiten. Am Anspruch, Kunst, Karriere und Kinder unter einen Hut zu bringen, ist Martha Argerich kläglich gescheitert. So die Bilanz ihrer Tochter. Und trotzdem war da viel Wärme im ganzen Chaos.

Martha Argerich ist unberechenbar. An der Film-Vorpremiere in Luzern war  sie angekündigt, tauchte aber nicht auf. Ihre Tochter Stéphanie musste sich dem Publikum alleine stellen. Sie hat längst gelernt, sich mit den Launen und dem impulsiven Temperament ihrer Mutter zu arrangieren: „Sie hat ein Konzert und nimmt gleichzeitig eine CD auf mit dem Dirigenten Claudio Abbado“, erklärte Stéphanie Argerich. „Sie spielt Mozart. Das macht sie außergewöhnlich nervös. Gestern habe ich mit ihr telefoniert und ihre Unruhe hat mir fast weh getan.“  Stéphanie Argerich erlebt das Lampenfieber ihrer Mutter seit Jahrzehnten mit – qualvolle Momente vor einem Auftritt, die nur sie filmen darf.

Mit elf Jahren bekam Stéphanie eine Videokamera geschenkt und begann, ihre unkonventionelle Familie zu filmen: Alles drehte sich immer um die Mutter, ihre Beziehung zu ihren drei Töchtern von drei verschiedenen Männern, ihre wilden Liebesgeschichten. Der Spagat zwischen Weltkarriere und Familienleben war groß. „Ich sage oft, meine Mutter ist eine Art Monster, fast zu schön und zu talentiert. Aber auch sehr zerbrechlich“, so die Regisseurin.

„Was uns als Kinder am meisten verwirrte, war, wie sie von einem Extrem ins andere wechselte: eine Göttin auf der Bühne und Minuten vorher das kleine Mädchen, das man beruhigen musste. Mein Film war ein Prozess der Distanzierung. Ich habe mich endlich abgenabelt. Mit fast 40 Jahren.“

Die „Löwin am Klavier“, die sonst ihre Privatsphäre so sehr hütet, hat ihrer Tochter alle Freiheiten gelassen und nicht in den Film eingegriffen. Vielleicht ist das ja doch eine erste Spur von Alters-Gelassenheit.

Zur Lektüre empfohlen: „Martha Argerich – Die Löwin am Klavier“



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