Auf dem Kamelrücken in den Konzertsaal

Der Klarinettist Kinan Azmeh schafft eine neue Weltmusik
Titelbild
(Omar Al Basha)
Klarinettist Kinan Azmeh. (Omar Al Basha)Klarinettist Kinan Azmeh. (Omar Al Basha)

In Nachtclubs, im Radio oder auf den Straßen von New York wird man vielleicht der Musik von Sting begegnen oder Cheb Khaled aus Algerien, der das Lied „Aicha“ von der multikulturellen Gruppe „Outlandish“ singt – eine Mischung aus arabischer Musik und französischem Text.

Neulich begegnete ich einem talentierten Musiker, Komponisten und Dirigenten, aus Syrien, der den klassischen arabischen Jazz mit der zeitgenössischen Musik kombiniert.

Kinan Azmeh beschreibt seinen Stil: „Die Musik, die ich schreibe ist, wie ich denke, eine Kombination von dem, was ich „musikalisch“ zwischen Damaskus und New York erlebt habe. Ich versuche dabei, die Musik nicht zu vermischen, sondern vielmehr etwas Neues aus meiner komplexen musikalischen Ausbildung und meinem kulturellen Erbe zu kreieren.“

Der Syrier begann schon in früher Kindheit Violine zu spielen, musste aber das Instrument wechseln: „Wenn man in einem Orchester als Linkshänder Geige spielt, läuft man schnell Gefahr, seinen Nachbarn am Auge zu verletzen.“ Er wählte die Klarinette, da er diese „immer mitnehmen kann, egal wohin ich gehe.“

Der Musiker wurde in Syrien in einer Familie von Wissenschaftlern geboren, die die Musik schätzte und ihren Sohn förderte. Obwohl er von Anfang an wusste, dass er sich für die Musik entscheiden würde, absolvierte er an der Universität von Damaskus das Doppelstudium von Elektrotechnik und Musik.

Bis zum Alter von elf Jahren wurde Azmeh von dem syrischen Klarinettenlehrer Shukry Chawky, der früher in einer syrischen Militärband spielte, unterrichtet. Danach lehrte ihn ein russischer Lehrer, der nach Syrien gekommen war, um zu unterrichten. Im Alter von 21 Jahren gewann Azmeh den Nicolay Rubenstein-Preis für junge Künstler. Das verlieh ihm große Selbstsicherheit für seinen unkonventionellen Weg. Denn die Berufserwartungen an die gebildete syrische Jugend sind Arzt, Ingenieur, Kaufmann oder Geschäftsmann, nicht aber Musiker.

Er absolvierte einen Master-Studiengang an der Julliard-Akademie und arbeitet jetzt an einer Doktorarbeit an der City University von New York. Mit Leichtigkeit pendelt er während seiner Soloauftritte wie auch bei seinen Kompositionen für Film und Theater zwischen Damaskus und New York. Zusätzlich geht er mit seiner arabischen Jazz-Gruppe „Hewar“ (was „Dialog“ bedeutet) auf Tournee.

Seit dem Anschlag vom 11. September führte seine syrische Herkunft zu längeren Wartezeiten auf den Flughäfen. „Ich muss immer mindestens fünf Stunden vor dem Abflug am Flughafen sein.“ Um die ungerechte Behandlung zu demonstrieren, schrieb Kinan Azmeh das Lied „Flughäfen“ im John. F. Kennedy-Flughafen von New York. „Das ist etwas, was mich wirklich motivierte.“

Der Versuch, seinen Jazz zu definieren, gestaltet sich schwierig. Das Plattenlabel bemüht sich, etwas Passendes zu formulieren: „Der arabische Jazz ist in erster Linie ein sehr weit gefächertes Konzept von Jazz und hat dadurch seine Ähnlichkeit mit dem orientalischen Jazz verloren“. „Manchmal wollen sie meine Musik als Weltmusik verkaufen. Es ist Musik – und der arabische Jazz spiegelt alles wider, was ich an Musik höre“, erklärt Kinan Azmeh.

Seit ihrer Gründung im Jahr 2003 tritt die Gruppe Hewar weltweit auf. Die Gruppe arbeitet oft mit anderen Gruppen zusammen – hauptsächlich aus Japan oder aus Deutschland. Manchmal ist bei einem Konzert nur der dreiköpfige Kern der Gruppe vertreten: Klarinette, Oud (eine Laute aus dem nahen Osten) und Gesang. Azmeh wird in diesem Sommer ein Soloprojekt zusammen mit dem deutschen Radioorchester aus München und dem Korasara-Orchester aus Neapel starten.

Azmeh erklärt, dass die arabische Musik mehr als 50 zusätzliche Register und Vierteltöne umfasst, die in der westlichen Musik nicht verwendet werden. Wie auch im Jazz ist die Improvisation in der klassischen arabischen Musik tief verwurzelt. Über die Verwendung von diesen Vierteltönen in der Harmoniestruktur der klassischen Werke aus dem Westen gebe es lebhafte Diskussionen, so Azmeh.

Zusätzlich zu seinen vier bisher herausgebrachten CDs befinden sich zwei neue Alben in Produktion, eine zusammen mit dem kanadischen Pianisten Dinuk Wijeratne (geboren in Sri Lanka) mit dem Titel „Ein Südinder trifft arabischen Jazz“, die andere mit der Festival Chamber Group aus Damaskus. Azmeh fungiert bei diesem Orchester als künstlerischer Direktor.

„Als Araber sind wir in der globalen Musikszene deutlich unterrepräsentiert“, erklärt Azmeh und fügt lächelnd hinzu: „Wenn ich vor einem amerikanischen Publikum spiele, werde ich oft gefragt, ob ich Probleme damit habe, in Damaskus einen „Parkplatz“ für mein Kamel zu finden? Dann stelle ich mir vor, wie ich mit meiner Klarinette im Rucksack den Konzertsaal auf dem Rücken eines Kamels betrete“.

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 26/08

(Omar Al Basha)
(Omar Al Basha)


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion