Ein Highlight zum Gustav Mahler-Jahr 2011

Titelbild
Foto: Konzerthaus Berlin/Christian Nielinger
Von 31. August 2010

Berlin – Ein ganz besonderes Konzert fand am 26. August im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt statt: Zum Saisonauftakt ins Mahler-Jahr 2011 präsentierte Chefdrigent Lothar Zagrosek und das Konzerthaus Orchester ein Programm zum Thema „Lebensstationen: Musik mit Mahler“, begleitet von Schauspieler Klaus-Maria Brandauer.

Gustav Mahler (1860-1911) führte als Dirigent und Komponist ein bewegtes Leben an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert. Er wirkte an verschiedenen Orten in Europa und verbrachte sogar einige Zeit in New York. „Ich erkenne immer mehr, man komponiert nicht, man wird komponiert“, notierte Mahler einmal über seine Arbeit, die stets in engem Bezug zu seinem persönlichen Erleben stand.

Was ihn trieb und umtrieb, wer seine Vorbilder und was seine großen Erfolge waren, wurde an diesem Abend eindrucksvoll in Musik und Wort lebendig.

Dirigent und Orchester schwelgten in Spielfreude und auch Sprecher Brandauer sprühte vor Begeisterung für die Zitate und Anekdoten über das Musikgenie. Pulsierend und dynamisch flossen Wort und Musik zum Feature zusammen. So rasch manchmal, dass man als Zuhörer der Erzählperspektive hinterherhinkte und doch stets gebannt lauschte. Denn dank Brandauers gewand modulierenden Stimme wurden die Texte selbst Musik. Mahler selbst, seine Weggefährten, Schüler und Kritiker waren die Rollen, in die er, vom Notenpult vorlesend, schlüpfte.

Ein Weltklasse Dirigent

Ein wunderbar runder Klang auch im Orchester: Die perfekte Balance zwischen den einzelnen Instrumentengruppen schmeichelte den Ohren. Zagrosek und das Konzerthaus Orchester präsentierten sich im fünften Jahr ihrer Zusammenarbeit als eingespieltes Team, das wirklich jeden Programmpunkt in großartiger musikalischer Qualität meisterte. Bei den verschiedenen Stilrichtungen und Stimmungen, die ihnen der  Abend abverlangte eine großartige Leistung. Wenn Zusammenstellungen solch hitverdächtigen Materials andernorts als flache Rosinenpickerei enden, dann bewiesen Dirigent und Orchester hier ihr wahres Können. Von Johann Strauß bis zur Eroica wurden sie allem gerecht. Und das mit Tiefgang.

Zum Beispiel übertraf das Vorspiel zum dritten Akt des Lohengrin bei weitem die künstlerische  Leistung, die das  Bayreuther Festspielorchesters dieses Jahr unter Andris Nelsons abgegeben hatte. Zagrosek gab ihm Würde und Festlichkeit. Überbordend, tänzerisch und auch zart, gelang, was man sonst als viel strapazierten Reißer wahrnimmt. Als Zuhörer seufzte man beglückt und war mit der Berühmtheit dieses Stückchens Hochromantik wieder versöhnt.

Ebenso einfühlsam die übrigen Wagner-Beiträge: Sein Karfreitagszauber voll echter Andacht  und ohne Weltschmerzlastigkeit war ein weiteres Argument, Zagrosek schleunigst nach Bayreuth zu holen.

Zagrosek und das Konzerthaus Orchester präsentierten sich im fünften Jahr ihrer Zusammenarbeit als eingespieltes Team.Zagrosek und das Konzerthaus Orchester präsentierten sich im fünften Jahr ihrer Zusammenarbeit als eingespieltes Team.Foto: Konzerthaus Berlin/Christian Nielinger

Vom Marsch bis zum Klezmer

Doch zurück zum Programm: Ein schmissiger Marsch von Johann Strauß Sohn machte den Anfang. „Habsburg Hoch“ illustrierte, wie Mahler als kleiner Junge mit der Ziehharmonika einer Militärkapelle hinterherlief, um deren Musik nachzuspielen.

Überraschungsgäste im Parkett stellten die zweite große Inspirationsquelle vor, die den Juden Mahler von Kindesbeinen an prägte: Das Klezmer-Ensemble „Aufwind“ gab mit rauher Authentizität und unter quiekender Klarinettenführung einen chassidischen Nigun zum Besten, begleitet von Banjo Kontrabass, Geige und Akkordeon.

Mahlers romantische Seite lernte man mit der Einleitung zur Märchen-Kantate  „Das klagende Lied“ kennen (dass mit zarten Dissonanzen das 20. Jahrhundert vorausahnte), dem Blumine-Satz aus seiner 1. Sinfonie in D-Dur und zwei seiner berühmtesten Lieder:

„Liebst Du um Schönheit“, Mahlers Liebeserklärung an seine Frau Alma und „Die zwei Blauen Augen“ aus den Liedern eines fahrenden Gesellen, gesungen von Dietrich Henschel.

Die feinfühlige Stimmführung und der schlanke Bariton Henschels passten ideal zu den Mahler-Liedern. Bei Wolframs „Lied an den Abendstern“ aus Wagners Tannhäuser hätte er, ein geborener Kammermusiker, noch mehr Volumen gebraucht, um mit dem satten Orchesterklang konkurrieren zu können. Leider konnte Henschels sehr gute Textverständlichkeit nicht über das Fehlen der Texte im Programmheft hinwegtrösten.

Ein trauriges Ende

Sehr zäh und schwer zu verkraften für die Zuhörer war am Ende „Der Abschied“ aus Mahlers „Lied von der Erde“ –  in voller Länge. Das passte nicht zur heiteren Grundstimmung und zum dramaturgischen Tempo des Abends. Der depressive Schluss des sinfonischen Liederzyklus nach altchinesischer Lyrik wurde vom Orchester und Bariton Henschel nuanciert und hingebungsvoll ausgemalt. Die Feinheiten der Orchestrierung wurden durchsichtig. Makellos erklangen die irritierenden Schmelzklänge von Harfen und Holzbläsern. Mit seinen monotonen Bewegungen  und zaghaften Melodiebruchstücken war „Der Abschied“ sehr Mahler. Aber einfach zu traurig.

Nichtsdestotrotz feierte das Publikum des ausverkauften Konzerthauses Brandauer und die Musiker für das gelungene Event.

Foto: Konzerthaus Berlin/Christian Nielinger

 

 

 

 

 

 

 

 



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