Eine literarische Fiesta in Berlin

Szenische Lesung des Reiseberichts „In Spanien“ von Hans-Christian Andersen
Titelbild
Von 21. Mai 2008

Hans Christian Andersen kennen die meisten durch seine vielen Märchen. „Die Prinzessin auf der Erbse“, „Des Kaisers neue Kleider“, „Die kleine Seejungfrau“, „Das hässliche Entlein“ oder „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ sind weithin bekannt. Zu Lebzeiten wurde Andersen durch seine Märchen weltberühmt, die in viele Sprachen übersetzt worden sind.

Im Central Park von New York steht seine Figur an einem großen runden Wasserbecken, auf dem die Kinder ihre Segelboote schwimmen lassen wie die Pariser Kinder in den Tuillerien.

Nicht all sein Schreiben war auf Kinder ausgerichtet. Lebenslang litt er an verschiedensten Obsessionen: Angst vor Hunden; litt unter psychosomatischen Zahnschmerzen wie an seiner Herkunft aus kleinsten Verhältnissen, weswegen ihm die Zuwendung von Herrscherhäusern so wichtig war. Lebenslang litt er an nie erfüllter Liebessehnsucht.

Erfüllung im Süden?

Andersens Reise nach Spanien war einer von mehreren Versuchen, seinem Leben ohne Liebe in Kopenhagen zu entgehen und Erfüllung im warmen Süden zu finden. Mehrfach war er in Italien, reiste bis nach Konstantinopel und eben auch nach Spanien. Seit seiner Kindheit war Spanien ein Sehnsuchtsziel für ihn. Ein spanischer Soldat, der, im Gefolge Napoleons, Dänemark durchzog, hielt den dreijährigen Andersen schwungvoll-begeistert auf seinem Arm. Er wirbelte ihn durch die Luft, zeigte ihm ein Amulett mit der Jungfrau Maria, das er um den Hals trug, und hieß es ihn küssen. Diese Begegnung dürfte ihm auch später in Erinnerung geblieben sein.

Nach einem gescheiterten Versuch von 1846, die Reise über die Pyrenäen zu bewerkstelligen, gelang dies Andersen 1862, ein Jahr, nachdem sein Mäzen gestorben war, mit dessen Enkel gleichen Namens, Jonas Collin.

Ein Jahr nach der Reise schrieb Andersen seine Erlebnisse in dem Buch „In Spanien“, das bereits 1864 in Deutschland erschien, aber durch den deutsch-dänischen Krieg nicht recht zur Wirkung kam, nieder.

Neue Textgrundlage in Berlin vorgestellt

Der Autor Wolfgang Mielke hat aus diesem Bericht eine Textgrundlage für eine Szenische Lesung geschaffen. In diese neue Textgrundlage, die jetzt erstmals in Berlin gezeigt wurde, sind auch noch weitere Texte Andersens, wie Tagebucheinträge und Gedichte, hineingearbeit worden, sodass man nicht nur den Reiseablauf verfolgt, sondern auch den Dichter und seine vielen persönlichen Probleme kennenlernt. Das ist sehr unterhaltsam und gekonnt gemacht. Man nimmt Anteil. Die Collage läuft, einmal in Gang gesetzt, wie ein Perpetuum Mobile. Sie fesselt dauernd.

Hans Christian Andersen wurde vom Nachautor auf zwei Schauspieler verteilt: den umfangreicheren Reisepart spricht wie ein kulinarisches Menü der Schauspieler Volker Brandt; den Andersen der privaten Äußerungen aus Tagebüchern gibt Helmut Marrat meckerig wieder, und zwar so, dass auch die komischen Seiten der Figur und der Situation hervorgehoben werden. Jonas Collin wird von Susanne Meikl sehr treffend gesprochen; ihre Artikulation ist wie klarstes Wasser. Schließlich spricht der Bearbeiter, Regisseur und Initiator der szenischen Lesung, Wolfgang Mielke, als Rahmenerzähler, den kleinsten Part.

Wesentlicher Teil des Gesamteindrucks: die Musik

Unterstützt werden die vier Schauspieler von drei Musikerinnen: Cornelia Burdack am Flügel, Pauline Jaroszewski am Flügel und als Geigerin sowie Ines Gurske als Kastagnettenspielerin. Die Auswahl der Musik ist sehr gelungen und trägt wesentlich zur Atmosphäre des Abends bei: ein Prélude von Chopin im Kaffeehaus von Barcelona, Schumanns „Träumerei“ (als Andersen sich an seine Begegnung mit dem Großherzog von Weimar und dessen Familie erinnert), Bachs/Gounods „Ave Maria“ und das erste Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier. Zuletzt folgen Stücke aus der „Iberia-Suite“ von Isaac Albéniz zur Schilderung der spanischen Impressionen; das Granada-Thema wurde in mehrere Abschnitte geteilt, den Räumen der Alhambra entsprechend, die man durchschreitet. Ja, es ist alles so lebendig dargestellt, dass man als Zuschauer und Zuhörer das Gefühl hat, diese Reise selbst zu erleben. Warum eigentlich nicht in einem der Berliner Stadt- oder Staatstheater? Das wäre der richtige Rahmen. So ist die Deutsche Bank besonders zu loben, die hier Pionierarbeit geleistet hat!

Text erschienen in Epoch Times Deutschand Nr. 21/08




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