Gedenkt der Liebe und der Schönheit

Die Ausstellung „Gesichter der Renaissance“ in Berlin ist die Chance, kurzzeitig das moderne Weltbild zu verlassen. Um unter lapislazuli-blauem Himmel spazieren zu gehen und faszinierende Menschen zu treffen.
Titelbild
Bildausschnitt: „Dame mit dem Hermelin“.Foto: bpk/Scala
Von 19. September 2011
Die Grazie und die unschuldsvollen Augen von Leonardos „Dame mit dem Hermelin“ kontrastieren befremdlich mit dem Tier auf ihrem Arm und dem pechschwarzen Hintergrund. Nur bis 31.10. ist sie der Star der Ausstellung.Die Grazie und die unschuldsvollen Augen von Leonardos „Dame mit dem Hermelin“ kontrastieren befremdlich mit dem Tier auf ihrem Arm und dem pechschwarzen Hintergrund. Nur bis 31.10. ist sie der Star der Ausstellung.Foto: bpk/Scala

Das Berliner Bode Museum ist dieser Tage ein Ort, an dem sich wie sonst selten der Wandel des menschlichen Bewusstseins im Lauf der Zeiten zeigt. Ein Ort, an dem sich Technikglaube, Analysebesessenheit und Vermarktungswahn der Moderne auf Schritt und Tritt offenbaren, um sogleich zur Bedeutungslosigkeit zu zerfallen.

Perlengeschmückte Damen und  Herren in immer wieder roten und schwarzen Mänteln und Mützen, schauen aus goldenen Bilderrahmen auf Menschen, die mit technischen Gerätschaften in den Händen im Dunkel herumschleichen. Sie ans Ohr pressen. Kaum miteinander sprechen.

Jeder einzelne von ihnen (das heißt, sein „Zeitfenster-Ticket“) ist beim Eintritt dreimal gescannt worden. Damit höchstens ihrer Dreihundert gleichzeitig anwesend sind. Denn diese Edlen müssen geschützt werden. Vor zu viel Publikum und dem Atem des Vulgären. Vor den Folgen einer monatelangen Medienkampagne.

Meisterwerke aus fünfzig Museen

Ein sagenhafter Aufwand steht hinter der Auswahl an Gemälden, Zeichnungen, Büsten und Medaillen, die von den Staatlichen Museen zu Berlin und dem New Yorker Metropolitan Museum of Art zusammengetragen wurde, um die Entstehung des Portraits erstmals wissenschaftlich zu beleuchten.

Dabei wissen wir fast nichts über die Menschen auf den Bildern und diejenigen, die sie gemalt haben. Und das ist ja gerade das Schöne. Immer wieder bleibt es bei Beschriftungen wie „Bildnis eine Mannes“ und „Bildnis einer Dame“. Und unter einem Schwarzgekleideten, der den Betrachter beängstigend scharfsinnig fixiert steht: „Raffael?“ und  „1504?“.

Ein Herr wirft seinen Schatten ins Leben einer Dame bei Filippo Lippi.Ein Herr wirft seinen Schatten ins Leben einer Dame bei Filippo Lippi.Foto: The Metropolitan Museum of Art, New York


Die Einzigartigkeit der Frauen und ihrer komplizierten Frisuren und Gewänder lässt sich nicht beschreiben. Ebenso wenig der spröde Charme einiger Männer, die Gottesergebenheit so mancher Mönche und schon gar nicht die überwältigende Niedlichkeit eines „lachenden Knaben“ (Desiderio da Settignano). An diesem Marmorköpfchen  kommt keiner griesgrämig vorbei.

Wie wertvoll, eine Münze, die einer der Portraitierten hält, oder ein Amulett mit demselben Motiv, wie es Botticellis Simonetta um den Hals trägt, in einer kleinen Glasvitrine daneben wiederzufinden. Neben den „Top of the Pops“, sprich, den allerorts beworbenen Stars der Ausstellung, bestechen gerade die Bilder, die unbekannte Künstler von uns unbekannten Menschen malten.

Pracht trifft auf Einfachheit

Aber auch an großen Namen, wie Fra Angelicos Portrait eines Mönches strömen die Massen achtlos vorbei und dem Multimediaguide fehlen die Worte. Unscheinbar, doch mit tiefem Ausdruck ist diese eine der ersten überlebenden Zeichnungen, die ein Maler von einem Mitmenschen anfertigte. Sie wurde von Queen Elizabeth II. ausgeliehen.

Die Totenmaske des Lorenzo die Medici sagt mehr als die Geschichtsbücher und verließ zum ersten Mal Italien. Ein Mann wie ein Löwe – welche Feinfühligkeit lag hinter diesen geschlossenen Lidern, welcher Adel in seiner Augenbraue und das gemischt mit der Fähigkeit zur brachialen Gewalt, angelegt im Unterkiefer seines widerborstigen Charakterkopfes. Die Macht, die er realiter ausübte, wird spürbar. Die Bilder übertreiben nicht.

Eine edelsteinbesetzte Medaille von Gian Cristoforo Romano feiert die Schönheit der Isabella d’Este.Eine edelsteinbesetzte Medaille von Gian Cristoforo Romano feiert die Schönheit der Isabella d’Este.Foto: Kunsthistorisches Museum, Wien

Menschen und ihre Geschichten

Außerdem lernt der Besucher kennen: Einen ambitionierten Vater, der während des Bibelstudiums Prunkharnisch trägt und davon träumt, dass sein Kleiner, ca. vier Jahre alt und bereits  in Goldbrokat gewandet, eines Tages Papst wird (Herzog von Urbino Federico da Montefeltro und sein Sohn, gemalt von Pietro di Spagna). Eine junge, zurückhaltende Blondine mit weißem Häubchen und schwarzem Kleid. Verewigt vor strahlend blauem Himmel, im Hosentaschenformat von Jacometto Veneziano. Da war wohl jemand in eine Nonne verliebt und das Auftragswerk rein privat.

Eine junge Witwe, die vom Tod ihres Mannes so getroffen ist, dass sie sich nicht vorstellen kann,   jemals wieder zu heiraten. Ihre Körperhaltung bringt unmissverständlich zum Ausdruck,  dass sie mit dem Leben abgeschlossen hat (Lorenzo die Credi). Berühmt ist die innige Verbindung eines alten Mannes und seines Enkels, die von Ghirlandio festgehalten wurde, als der Dargestellte bereits gestorben war. Zwei Berge im Hintergrund, einer mit blanken Felsen in kühlem Blau,  davor ein anderer, grünbewachsen und das blühende Leben, spiegelt die beiden (Louvre).

Begnadeter Bildhauer

Donatellos Büstenreliquiar des „San Rossore“ eine vergoldete Bronze, gemahnt zum Niederknien. Angeschnitten die Schulterklappen einer Rüstung, in ihrer Unregelmäßigkeit lebendig.  Mysteriös, wie er das geformt hat, diese Entschlossenheit und Leidensbereitschaft der Stirn und des Nasenrückens. Sein Bart dagegen gibt offen zu, dass hier keine Härchen hervorstehen, sondern Strich für Strich in die Wange graviert wurde.

Der still duldende Krieger ruft uns zu: „Menschen, Ihr müsst wieder lernen, zu pilgern!“

Denn die Berliner Renaissance-Begeisterung hat bereits in den ersten Tagen die  „zeitgemäße Technologie für den entspannten Museumsbesuch“ überwältigt. Es kommt zu Komplikationen bei der Online-Buchung. „Der Server ist überlastet. –  Wir bitten um Geduld.

 

„Gesichter der Renaissance

Meisterwerke italienischer Portrait-Kunst“

noch bis 20.11.2011 im Bode-Museum

auf der Berliner Museumsinsel

 

VIP-Tickets 30 Euro, regulär 14 Euro.

Begleitend ist ein Katalog für 29 Euro

(im Buchhandel 47,50 Euro) und ein kostenloser App erschienen.

www.gesichterinberlin.de

 

 



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