Handgreifliche Liebe zur Geige

Bratschist Eric Shumsky über den Geigenmacher William Carboni
Titelbild
Eine Violine und eine Viola von William Carboni.Foto: mit freundlicher Genehmigung von Eric Shumsky
Von 19. Juli 2008

Die Leute denken oft, ich würde auf einer Millionen Dollar teuren Gasparo Da Salo-Geige spielen. Erst bei näherem Hinschauen stellt sich heraus: Die Schönheit des Klanges rührt nicht von einer 400 Jahre alten Kreation, sondern von einer, die erst vor 30 bis 50 Jahren von William Carboni (1915-1998) – einem der größten Geigenbauer Amerikas – konstruiert wurde.

Carbonis Violas entwickeln sich zu den „Gasparo Da Salos“ der Zukunft. Sie werden von ihren Spielern hoch geschätzt, da sie zu den am feinsten klingenden Instrumenten der Welt gezählt werden; sie sind bereits heute selten zu finden und jetzt noch bezahlbar.
1914 als Sohn italienischer und französischer Einwanderer in Philadelphia geboren, schnitzte William Carboni schon als Junge mit seinem Taschenmesser alle denkbaren Varianten von Figuren, Röhren und Schnitzereien der anspruchsvollsten Sorte. Das wurde ihm jedoch schnell langweilig.

Viola und Violine spielen wurde seine große Liebe. Er spielte in der New Yorker Philharmonie für etwa 40 Jahre unter dem Taktstock von vielen großartigen Maestros – Arturo Toscanini, Bernstein, Boulez und Bruno Walter, um nur einige aufzuzählen.

Schon zu Beginn seiner Karriere machte er es sich zur Aufgabe, seine Violine und Viola selbst zu bauen. Er konstruierte seine erste Violine mit Anleitungen aus einem Buch. Mit seinem praktischen Wissen und Erfahrung entwickelte er sein Design, da die Viola in erster Linie eine gute Resonanz haben musste. Auch musste die „Fidel“ – wie er sie nannte – leicht und einfach handzuhaben sein, da die Philharmoniker ihre Instrumente oft stundenlang unter ihrem Kinn halten müssen. Nach und nach erreichten seine Instrumente eine revolutionäre Akustik.

Carboni wurde bei seiner Saiteninstrumentenherstellung beeinflusst von Koryphäen wie dem großartigen Simone Saccone (1895-1973), der lange Zeit als Vater der Violinenrestauration galt, und dem bedeutenden französischen Instrumentenbauer René Morel, dessen Talent unter den Saiteninstrumentspielern von New York als legendär gilt. Lange Zeit war Carboni der offizielle Restaurateur für Saiteninstrumente der New Yorker Philharmonie.

Wenn 90 Orchestermitglieder auf Tournee sind durch Kapstadt, Neuseeland und Tokio, kann den Violinen, Celli, Violas oder Kontrabässen alles Erdenkliche zustoßen: Stimmwirbel können einklemmen, Tonbünde abfallen, Brücken zerbrechen oder Instrumentenhälse abbrechen. Es wäre nicht auszudenken, wenn der Künstler sein eine Million Euro teures Holz mit umherbaumelnden Saiten vorfände. Als Kind bin ich oftmals zum früheren Haus von Carboni in New Jersey gegangen. Er war ein Genie mit vielen Facetten. Er brachte sich sogar selbst Japanisch bei, war ein hervorragender Koch und baute sogar einen großen Teil seines Hauses selbst; er konnte mit seinen Händen anscheinend praktisch alles machen. Der industriellen Violinenproduktion leistete er einen außerordentlichen Beitrag: In der Violinenmanufaktur benötigt der Instrumentenbauer kleine Platten von gehobeltem Holz. Vor fünfzig Jahren wurden diese noch nicht in halb-Inch-Größen hergestellt. Carboni fertigte dafür zuerst Gussstücke aus Sand an, aus diederum eine Gussform aus Messing für die Herstellung der winzigen Platten in ungefähr 20 verschiedenen Größen. Er verteilte er diese kostenlos an seine Kollegen, um ihnen zu helfen, effizienter zu arbeiten.

„Schau Dir Deine Hände an, wenn sie ruhen“

Er brachte mir viel über das Spielen der Viola bei. Er selbst wurde von dem legendären Saiteninstrumentenlehrer Demetrius Dounis unterrichtet. Oft noch höre ich Carboni während einer Unterrichtsstunde sagen: „Schau Dir Deine Hände an, wenn sie ruhen. Sieh Dir an, wie die Finger aussehen. Schau sie Dir an, wie sie arbeiten; schau Dir an, wie die Katze ihre Pfoten ausstreckt.“

Diese Beispiele hatten den Sinn, mir die Dosierung der Bewegung zu verdeutlichen mit dem Ergebnis, Bewegung ohne übermäßige Bewegungen zu erreichen. Dasselbe galt für sein Schnitzen, seine Bogenführung und seine Auffassung über die Haltung. Wenn er zuweilen sagte, „gut, mein Kind“, dann war es richtig gut. Er war ein Mann von großer Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit.

Zum Autor:

Eric Shumsky ist ein weltberühmter Bratschist. Seine Karriere begann er an der Juilliard School. Er tritt rund um den Globus auf, etwa mit dem Emerson String Quartet am Lincoln Center New York.

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr.29/08



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