Hochzeitsgeschenk mit Hintergedanken

Botticelli-Gemälde sehen oft wie Märchen aus. Dabei waren ihre Aussagen ganz lebenspraktisch.
Titelbild
Foto: VISIPIX.COM
Von 22. März 2011

„Camilla und der Zentaur“ malte Botticelli im Auftrag der Medici. Es schmückte gemeinsam mit seiner berühmten „Allegorie des Frühlings“ ihren florentinischen Stadtpalast. Beide Bilder waren Hochzeitsgeschenke für ein junges Paar und hängen heute in den Uffizien.

Von Pallas Athene, römisch Minerva genannt, bis zur Amazone Camilla (einer literarischen Gestalt Vergils), reichen die Namen der Heldin, die  ein Ideal weiblicher Tugendhaftigkeit ist. Botticelli benutzte die mythische Frauengestalt, um sie mit eigenen fantastischen Elementen zu füllen und noch feiner zu charakterisieren.

Ihre Hellebarde ist ein klassisches Symbol für die Ratio und Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Schlecht. Der Zentaur, halb Mensch, halb Tier, steht demgegenüber als leidenschaftliches und ungezähmtes Wesen und Sinnbild menschlicher Triebhaftigkeit.

Allein durch diese Konstellation wurde das Bild oft als erotisch bezogener Geschlechterkampf  oder moralischer Appell an die Frau gedeutet. Denn offensichtlich ist der Zentaur auf ihm verbotenem Gelände unterwegs, um zu jagen. Der kleine Zaun im Hintergrund deutet dies an sowie Pfeil und Bogen, die er dabei hat. Die Heldin hält ihn auf, worüber er nicht gerade erfreut zu sein scheint.

Bemerkenswert ist jedoch, dass es in diesem Bild weder den moralischen Zeigefinger noch die Verurteilungen gibt, die der moderne Mensch gern hinter dem Thema wittert. Auf den ersten Blick denkt man, dass sie ihn an den Haaren zieht, aber dann fällt auf, dass sie den Zentauren eher sanft an einer Locke hält und ihn ruhig anblickt, ohne ihn zu tadeln, ein Wesen jenseits jeglicher Sexualität.

Aber auch in Bezug auf Erotik und Entsagung würde hier weder die Lust des Mannes verurteilt, noch die Schönheit der Frau zur Schau gestellt oder dämonisiert. Botticelli trifft die schlichte Feststellung, dass Frauen Männer vor Dummheiten bewahren können. Und das lässt sich auf viele Lebensbereiche anwenden.

Mit den Waffen der Frau

Die Dame trägt eine Lorbeerkranz, sogar ihr ganzer Oberkörper ist samt den Armen von der siegverheißenden Pflanze umrankt. Auf ihren Brüsten sitzen goldene Broschen mit Diamanten. Da das Muster mit den drei Diamantringen auf ihrem Kleid ein Zeichen der Medici war, bekräftigt das Bild politisch betrachtet den moralischen Führungsanspruch der Medici.

Die Amazone selbst ist wunderschön und das zärtlichste Wesen, das man sich vorstellen kann, im weißen Nymphenkleid, teilweise verhüllt von einem majestätischen und schweren Mantel in Dunkelgrün. Simonetta Vespucci, die damalige Schönheitskönigin von Florenz, stand dafür Modell. Der Stoff ihres Kleides ist so dünn dargestellt, dass er ihren Körper mehr wie ein Schleier umspielt. Das sieht man besonders an den Beinen, hinter denen er als durchsichtige Falten im Wind weht.

Umso ungewöhnlicher wirkt das Drumherum: Eine Menge scharfer und harter Formen und Materialien kontrastieren ihr liebliches Gesicht, wie zum Beispiel die Lanze, die Diamantringe auf ihrem Kleid und die vielen spitzen Blätter. Treffender könnte der Aspekt der keuschen Idealgestalt nicht umgesetzt sein. Ihre ganze Erscheinung sagt „berühren verboten“, aber bewundern ist erlaubt.

In die Enge getrieben

Allein schon durch die Komposition wird die Frau zur Hauptperson, denn durch sie bekommt das gesamte Bild eine Dynamik von rechts nach links.

Der arme Zentaur sieht missmutig und  etwas eingeschüchtert aus. Er wird in die Defensive und an den Bildrand gedrängt, wo ihm zu allem Überfluss eine Felswand den Ausweg versperrt. Diese Steine sehen kurioserweise nicht rau und natürlich aus, sondern wie stilisierte Renaissance-Architektur, was Botticellis kompositorischem Harmoniestreben geschuldet ist. Seine zwei Charaktere behandelt er als Mittelpunkt, den Rest des Bildes als künstliche Umgebung zur Verstärkung der Aussage. Diese lautet für den Zentauren in etwa: „Folge nicht kopflos der Leidenschaft, sie führt in die Sackgasse.“

Goldenes Haar trifft erdiges Braun

Das wehende Haar der Frau ist golden, sogar mit feinsten vergoldeten Linien  geschildert. Gold ist auch der Schaft der Hellebarde, der jedoch als Gerade eine kontrastierende Form dazu bildet.

Die Ringe auf ihrem Kleid glänzen golden. Kühlendes Grün findet sich im Mantel und den Blättern sowie in der Klinge der Lanze. Die Diamanten schimmern  bläulich grau.

Ihre klaren Farben stehen im Gegensatz zur rötlichen Haut und den Brauntönen des Zentauren. Zweifellos ist er ein Geschöpf der Erde, während sie umso strahlender vor dem luftigen Blau des Himmels erscheint. Der Zentaur mit seinem Pferdekörper müsste eigentlich unübersehbar und sperrig im Bild herumstehen, doch Botticelli malte ihn so dunkelbraun wie die ihn umgebende Erde. Endgültig unauffällig wird er, weil ihm ihr weißes Kleid die Show stiehlt.

Botticelli, Meister der Schönheit

Eine große Faszination Botticellis ist, dass er wie kein anderer weibliche Schönheit und Zerbrechlichkeit darstellen konnte. Doch in seinen virtuosen Konturen schwingt eine unwiderstehliche Stärke und Elastizität.

Die Körperformen schildert er präzise bis ins Detail. Er möchte zum Ausdruck bringen, wie verehrungswürdig und kostbar Frauen sind und dass es die Pflicht der Männer ist, sie zu beschützen. Diese Idee wird sehr stark im Partnergemälde der Camilla, „La Primavera“ ausgedrückt.

Interessanterweise zeigt „Camilla und der Zentaur“ eine offene Landschaft während das Gegenstück „La Primavera“ in einem abgeschlossenen Garten spielt. Beide Bilder ergeben für die junge Braut eine Aussage: „La Primavera“ stellt einen Garten der Liebe dar und den Wunsch für eine glückliche Ehe während das Bild „Camilla und der Zentaur“ sie daran erinnert, dass sie mit ihrer Vernunft und Schönheit wilde Männer zähmen kann.

Foto: VISIPIX.COM

 

 



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