Konstantin Wecker als „Mönch und Krieger“ durch das Leben

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Konstantin WeckerFoto: KATJA LENZ / DDP / Getty Images
Von 26. Juni 2014

Der Liedermacher Konstantin Wecker, der sich in seiner Autobiographie als „Mönch und Krieger“ bezeichnet,  wurde am 1. Juni 1947 in München geboren, in der „Stadt der Mönche“. Der Lebensweg des zu Recht viel bewunderten Künstlers ist durch gewaltige Höhen und Tiefen gegangen. Großartig, mit welchem Engagement er sich auf die Suche nach einer Welt begibt, die es noch nicht gibt.

Der Mönch ist nicht der Gefangene in seiner Klosterzelle, sondern der zur Erfahrung des Einsseins (Monostase) herausgeforderte Mensch. Um dorthin zu gelangen, benötigt man zuweilen auch die Dynamik von kriegerischer Aggressivität. „Zwischen Rausch und Askese, halb Heiligenschein, halb Auswurf der Hölle, ich schwebe und pendle mich meistens nicht mehr ein – und doch: ich lebe. Ich lebe!“

Die so aufrichtig-authentische Autobiographie von Konstantin Wecker, die am 26. Mai erschienen ist, beleuchtet eine sogar beim Lesen manchmal schwindelerregende Achterbahn und Vielfalt von Lebenssituationen, denen der Normalbürger eher selten ausgesetzt ist.

Zwei Monate vor der Fertigstellung des Buchmanuskripts hatte Konstantin Wecker einen Unfall und war längere Zeit bewusstlos. Danach gelangte er zu einer wunderbaren Gewissheit: „Erleuchtet zu sein heißt, nichts zu wissen und sich damit zufrieden zu geben und in dieser Erkenntnis des Nichtwissens, des Nichts, glücklich zu sein. Wie sinnlos zu sagen, man sei Atheist oder Christ, Fundamentalist oder Agnostiker. Alles, alles ist man und noch so unendlich viel mehr. Wir brauchen natürlich unseren Verstand, um damit durch die Welt der Materie zu navigieren, aber er sollte unser Gehilfe sein – der Wagen, aber nicht der Wagenlenker, wie die Buddhisten sagen“.

Roland R. Ropers sprach für die Epoch Times Deutschland mit Konstantin Wecker.

ETD: Sie sind als Einzelkind in großer Freiheit aufgewachsen und konnten bereits in frühester Jugend Ihre künstlerische Begabung ausleben. Sie genießen die Fülle des Lebens und gleichzeitig sind Sie vom Mönchsein fasziniert.

Konstantin Wecker: Ich hätte Mönch sein können, ebenso wie ich die „Laufbahn“ eines gewalttätigen Verbrechers hätte einschlagen können. Das erscheint nicht nahe liegend bei jemandem, der in der Öffentlichkeit überwiegend als Genussmensch und Pazifist bekannt ist. Vielleicht ist es aber einfach so, dass ich das Mönchische in mir versteckt habe, so wie ich das Kriegerische verstecke.

Unser Schatten ist ja immer das, was wir gerade nicht sehen wollen, zumindest nicht ausleben. Wenn also der Lüstling der Schatten des sittenstrengen Asketen ist, so ist bei einem Genussmenschen wie mir vielleicht der Mönch in den Schatten getreten und wartet darauf, gesehen und erlöst zu werden.

Der Mönch ist eine Existenzform, die durch Subtraktion entsteht: indem man nach und nach alles wegnimmt, was ein Mensch zu brauchen und zu sein glaubt. Ist alles Überflüssige weggefallen, so sind wir endlich frei, zum Eigentlichen vorzudringen.

Nach meiner Verhaftung wegen Drogenbesitzes im Jahr 1995 habe ich erfahren müssen, was es heißt, auf sehr Weniges reduziert zu werden. Ich hatte alle Ehre, alles Geld und Ansehen verloren. Täglich konnte ich am Zeitungsständer die neuesten Gräuelnachrichten über meinen Drogenabsturz und den anhängigen Strafprozess lesen.

Die Erfahrung, isoliert, ja ausgestoßen zu sein, erwies sich im Nachhinein als sehr wertvoll. Mir ist dadurch klar geworden, dass es in mir etwas Unzerstörbares gab, etwas, das unabhängig von der „Persona“ ist, also von der Kunstfigur, die man gerne sein und nach außen hin darstellen will. In diesem innersten Raum wohnt etwas, das unbeeinflussbar ist von fremden und eigenen Urteilen, jenseits von Kategorien wie Würde und Schande, Gelingen und Versagen. Es ist wunderbar, diesen unveränderlichen Kern zu spüren.

[–Gefängnis – Mystische Erfahrung – Künstler sein–]

ETD: Hat Ihr Mut, immer wieder neu anzufangen und sich weiter zu entwickeln, niemals verzweifelt stehen zu bleiben, auch ein wenig mit Demut zu tun?

Wecker: Ein Künstler ist demütig, wenn er weiß, dass er eine Begabung hat, nicht jedoch, woher sie kommt. Die Befähigung als Komponist und Poet ist sicher ein Geschenk. Man kann sich das nur bedingt erarbeiten. Durch Übung kann jemand wohl ein passabler Komponist werden, aber nicht Mozart.

Wenn ich mich ans Klavier setze und mir eine Melodie nach der anderen einfällt, werde ich unweigerlich demütig, weil ich weiß, das gerade dieses „Hineinfallen“ von Musik in meinen Geist nicht mein Verdienst ist. Ich bin und bleibe ein Rebell, aber ich meine, auch in dieser Funktion sollte man wissen, dass in vielen Bereichen des Lebens Demut am Platz ist.

Man kann gegenüber dem Leben demütig sein, dabei aber keineswegs passiv und duldsam. Demut ist ein Begriff, den man sich selbst erarbeiten muss, um ihn dann eigenständig für sich zu verwenden.

ETD: Schon in Ihrer Jugend hatten Sie die Sehnsucht nach tiefen inneren Erfahrungen. Sie sprechen von der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt. In welchen Bereich der Wirklichkeit sind Sie vorgedrungen?

Wecker: Als 18-Jähriger hatte ich ein einschneidendes Erlebnis, von dem mir erst später klar wurde, wie spirituell es war. Es geschah beim Anhören von Gustav Mahlers „Auferstehungssinfonie“. Es war auf einer Party, beim „Chillen“, wie man heute sagen würde.

Spätabends, als die letzten Gäste komatös vor sich hin dämmerten, beschloss ich, Mahlers „Zweite“ aufzulegen. Ich war bereit, mich diesem alles verschlingenden c-Moll zu ergeben. Da passierte es: Schon nach wenigen Minuten war es mir, als stiege ich aus meinem Körper. In meinem Überschwang erzählte ich den Menschen, die um mich waren, dass es sie eigentlich gar nicht gebe. Alles sei in Wahrheit nur noch Eins. Auch Gott existiere eigentlich nicht, alles sei vielmehr göttlich und miteinander verschmolzen. Die haben mich angeschaut wie einen Wahnsinnigen.

Mein Weg war von Anfang an wohl eher ein mystischer. Die mystische Erfahrung hat niemals mit Inhalten zu tun, von denen andere meinen, dass wir an sie glauben sollten. Immer geht es darum, was wir selbst erlebt haben. Nur da, wo man sich selbst erfahren kann, beginnt ja das Leben überhaupt interessant zu werden. Wo man in eine Wirklichkeit eindringt, die aus mehr als Rationalität und Realität besteht.

Mein Gedicht: Spirituelle Erfahrung im Gefängnis

Manchen Nächten kann man nicht entfliehn,
und manche Räume zwingen dich zu bleiben.
Du bist allein mit deinen Fantasien
und fürchtest dich und kannst sie nicht vertreiben.

Das sind die großen Nächte. Halte fest
die Stunden, die dich so gefährden,
wo dir die Seele sagen lässt:
Du musst ein andrer werden.

Jetzt über Hügel wandern, und es könnte regnen,
ein trüber Himmel hinderte mich nicht.
Jetzt Rosen oder einem Feigenbaum begegnen
und einem freundlichen Gesicht.

Nur keine Dunkelheit. Nur nicht allein sein.
Wer geht mit sich schon gerne ins Gericht?
Da muss doch irgendwo noch etwas Wein sein?
Warum kann dieses Ich nie mein sein?

Ach, gäb’s nur Licht.

[–Die Kunst des Sterbens–]

ETD: Sie haben sich sehr intensiv mit den großen Lebensfragen, Freude, Schmerz, Leiden, Sterben und Tod beschäftigt. Gottfried Benn hat so treffend gesagt: „Auch ein gesundes Leben führt zu einem kranken Tod.“ Wie gehen Sie mit den Gedanken über die Vergänglichkeit um?

Wecker: Der Tod wird ausgeklammert aus unserem normalen Leben. Aber wer sich mit dem Tod auseinandersetzt und sich der Vergänglichkeit allen Seins bewusst ist, der ist nicht mehr so leicht manipulierbar in dieser ausschließlich auf Gewinnmaximierung fixierten Gesellschaft.

Ich selbst bin dem Tod sehr nahe gekommen, ich hätte mich mit meinem Drogenkonsum ja fast selbst umgebracht. Es gab im Drogenrausch Momente, in denen ich gesagt habe: Komm, süßer Tod, umfange mich! Das änderte sich aber sofort, als die Droge zu wirken aufhörte und ich keine neue mehr auftreiben konnte. In diesem Zustand durchlebt man ziemliche Härten, auch körperliche Attacken, Schmerzen und Gefühle von Verzweiflung.

Ich bin viele kleine Tode gestorben. Mein Vater starb im Jahr 2001, fünf Jahre später meine Mutter, die ich fast 18 Monate bis zu ihrem Tod begleitet habe. Ich habe ihren Schmerz miterlebt, das unsägliche Leiden ihrer schweren Krankheit. Diese Erfahrung hat viel verändert in meiner Weltsicht. Jetzt bin ich in einer Phase, in der ich mich, so hoffe ich, noch bewusster dem Sterben und der Sterblichkeit überhaupt annähern möchte.

Das geht nur mit Hilfe der Ars Morendi, der Kunst des Sterbens. Das Loslassen muss man mühsam erlernen. Es wird einem nicht geschenkt. Am Buddhismus gefällt mir unter anderem sehr gut, dass er sich aller Spekulationen über ein Leben nach dem Tod enthält.

ETD: Der am 17. Mai 2014 verstorbene Quantenphysiker und Friedensnobelpreisträger Hans-Peter Dürr war ein sehr enger Freund von Ihnen. Seine weisen Ratschläge würden Ihnen, wie Sie auf der Trauerfeier am 7. Juni in München sagten, unendlich fehlen. Ihr Gedicht „Gefrorenes Licht“ haben Sie ihm gewidmet und erstmalig dort vorgetragen.

Wir bedanken uns für das Gespräch mit Ihnen und wünschen Ihrem Buch „Mönch und Krieger“ einen großen Erfolg.

Konstantin Wecker 7. Juni 2014

Gefrorenes Licht

Wenn durch den Dom von sommergrünen Bäumen
die Lichter wie ein Segen niedergehen
und als Kristalle in den Zwischenräumen
von Laub und Ast und Himmel stehen,
da ahnst du, dass, was scheinbar fest gefügt
und uns sich als die Wirklichkeit erschließt,
nichts als ein Bild ist, das sich selbst genügt,
durch das verträumt ein großer Atem fließt.
Du magst es greifen, du begreifst es nicht –
was du auch siehst, ist nur gefrorenes Licht.
Wenn sich in solchen seltnen Stunden
des Daseins Schönheit leise offenbart,
weil sich – sonst nie so leicht verbunden,
das Ahnen mit Erleben paart,
dann zögre nicht, dich zu verwandeln.
Nimm diese Stunde tief in dich hinein.
So aus der Zeit erübrigt sich das Handeln
und in der Leere offenbart sich erst dein Sein.
Du magst es greifen, du begreifst es nicht-
was du auch siehst, ist nur gefrorenes Licht.

Foto: Cover Gütersloher Verlagsanstalt

Konstantin Wecker

Mönch und Krieger

Auf der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag,

287 Seiten, 13,5 x 21,5 cm

ISBN: 978-3-579-07066-7

€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] |

CHF 28,50 * (* empf. VK-Preis)

Verlag: Gütersloher Verlagshaus



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