Liebeserklärung an den Tango mit “Maria de Buenos Aires” in der Oper Bonn

Im Rahmen ihrer Reihe „populäre Moderne“ zelebriert die Oper Bonn die weltweit erste Tango-Oper.
Titelbild
Maria (Luciana Mancini), Hauptdarstellerin der „Tango Operita“ von Astor Piazzolla, scheint über sich selbst hinauszuwachsen in der Oper Bonn.Foto: Thilo Beu
Von 6. Januar 2016

Ist Tango ansteckend? Dafür scheint das Bonner Premierenpublikum den Beweis zu erbringen. Und erwirkt mit seinem frenetischen Beifall eine im Bereich der Oper eher ungewöhnliche Zugabe. Diese ermöglicht es Maria (Luciana Mancini), Hauptdarstellerin der „Tango Operita“ von Astor Piazzolla, erneut über sich selbst hinauszuwachsen mit ihrer eigenen temperamentvoll vorgetragenen Personenbeschreibung: „Ich bin Maria … Maria Tango, Maria der Vorstadt, Maria Nacht, Maria fatale Leidenschaft, Maria der Liebe zu Buenos Aires bin ich!“

Und verdeutlicht damit noch einmal die Verworfenheit des Milieus von Buenos Aires, in dem der Tango Ende des 19. Jahrhunderts aus unterschiedlichen kulturellen Wurzeln heraus entstand. Überaus rhythmisch und sinnlich dazu bis hin zur Lasterhaftigkeit. Dann jedoch, unter den Verwerfungen der argentinischen  Einwanderungsgesellschaft und speziell unter dem Einfluss mittelloser Europäer, wurde er das allerseits akzeptierte Aushängeschild gesellschaftlicher Identität auf seinem langen Weg zum salonfähigen Paartanz.  

Hure und Heilige

So ist der Tango von seinen Ursprüngen her, das macht die konzertante Bonner Aufführung von Piazzollas Meisterwerk deutlich, mehr als die Rose im Mund des Verführers. Sein Milieu sind die heruntergekommenen Viertel von Buenos Aires, geprägt von arbeitslosen Bettlern und Obdachlosen, von Zuhältern und Prostituierten, von Dieben und Säufern. Ein überaus geeigneter Nährboden, um eine diesem Milieu entstammende Maria nach ihrem Tod zur mythischen Gestalt zu erheben.

Genau der geeignete Stoff für Horacio Ferrer, um daraus ein Libretto zu erstellen, in dem er in lockerer szenischer Folge nach Art einer Nummernoper seine Hauptfigur Maria als Hure und Heilige darstellt. Und damit die Voraussetzung schafft für die Verwandlung des Tangos in eine Menschengestalt. Aus dem Jenseits herbei gesehnt von El Duende, einem ihrer ehemaligen Geliebten (Daniel Bonilla-Torres), der in seiner Sprecherrolle einfühlsam und dann wieder wie in einem unkontrollierten Rausch die ereignisreiche Vita Marias kommentiert. Stets mit einem schmerzlichen Unterton, so wie auch der Cantor (Johannes Mertes), der sich mit seiner Gesangsrolle auf mehreren Handlungsebenen bewegt.

Tango-Ensemble

Rauschhaft nach Darstellung des Komponisten Piazzolla auch die Entstehung seiner Oper in enger Zusammenarbeit mit dem Librettisten Ferrer. Verbarrikadiert in ländlicher Einsamkeit und angetrieben von dem Ziel, in möglichst kurzer Zeit ein  überzeugendes Ergebnis vorzulegen. Dies ist, wie die Bonner Aufführung beweist, unter Einbeziehung verschiedener Vorläufer-Spielarten des Tangos bis hin zum „Tango Nuevo“ Piazzollas auch hervorragend gelungen.

Zudem greift der Komponist zurück auf bekannte Mittel der klassischen Formsprache und vermischt eine Toccata, Fuge sowie oratorienhafte Passagen mit Jazz, Barmusik-Elementen und Ballett. Bei einer eher kammermusikalischen Besetzung des Orchesters bleibt der Charakter eines Tango-Ensembles allerdings erhalten. Nicht zuletzt durch den Einsatz der typischen Tango-Instrumente wie Bandoneon (Lothar Hensel), Flöte (Mariska van der Sande), Gitarre (Christian Kiefer), Klavier (Thomas Wise) und Solovioline (Mikhail Ovrutsky).

Tango-Flair

Die Verwandlung des Beethoven Orchester Bonn in ein Tango-Ensemble ist vor allem Christopher Sprenger zu verdanken, dem die musikalische Leitung obliegt. Umsichtig und nahtlos fügt er die Orchestermusiker mit den Instrumental- und Vokalsolisten zusammen und erzeugt damit ein Tango-Flair, das von Beginn an von den Zuhörern Besitz ergreift.

Unterstützt von der Lichtregie (Friedel Grass), die mit schlichten aber einprägsamen Details arbeitet. Zum Beispiel mit einem über den Asphalt gegossenen Schatten, der dem laut Libretto über die Erde geisternden Schatten Marias entspricht, aber auf dramatische Weise abschließende Fragen in den Raum stellt. Fast kafkaesk und doch im Tango-Rausch die Fantasie anregend. Eine Aufführung, die den Applaus fürwahr verdient.

Weitere Vorstellungen: 9. Jan, 30. Jan, 5. Mrz, 28. Mrz, 8. Apr. 2016



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