Maler Helmut Ditsch: „Der Geist der Welt – das verbindet uns alle“

Interview mit dem austro-argentinischen Maler Helmut Ditsch
Titelbild
"Aconcagua", ein Berg in Argentinien. (www.helmut-ditsch.com)
Epoch Times10. Februar 2008
Helmut Ditsch: „Mir war schon als Autodidakt klar, dass man zum Künstler nur durch das eigene Schaffen wird.“ (Lili Kirner/NTDTV)
Helmut Ditsch: „Mir war schon als Autodidakt klar, dass man zum Künstler nur durch das eigene Schaffen wird.“ (Lili Kirner/NTDTV)

Helmut Ditsch würde rein äußerlich ebensogut oder sogar besser als Modedesigner, Dandy, Bohemien im Paris des Fin de Siècle durchgehen denn als Maler und Alpinist, der sich bis zur Selbstaufgabe schinden kann. Doch wenn es darum geht, seine hyperrealistischen Bilder von Landschaften penibel genau und mit akribischer Technik auf die Leinwand zu bannen, ist Ditsch ein Schwerarbeiter, kein Lebemann. Dann begibt er sich in Klausur, schläft „tranceartig“ und arbeitet 16 Stunden am Stück. Was dabei herauskommt, sind jene hyperrealistischen Landschaftsbilder, die zu seinem Markenzeichen geworden sind. Ditsch nimmt eine herausragende Position in der Gegenwartsmalerei ein. Seine großformatigen Bilder von bis zu zehn Metern Breite oder Höhe besitzen eine atemberaubende Präsenz:

ETD: Wie war Ihr Weg zur Malerei? Soviel ich weiß, war er weder klassisch noch geradlinig?

Helmut Ditsch: Ich bin in Buenos Aires geboren. Meine Eltern waren Österreicher; deswegen auch diese Verbindung zu Österreich, die durch meine Erziehung bedingt war. Aber meine Karriere habe ich in Argentinien begonnen, bevor ich nach Österreich kam. Schon in meiner Kindheit war es so, dass ich malen musste, d.h. es war nicht etwas, das ich mir ausgesucht habe, sondern es war etwas, das von selbst hoch kam. Seit frühester Kindheit habe ich die Malerei als Leidenschaft empfunden, ich musste das machen. Es war Alltag und nichts Besonderes für mich. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich damit Karriere machen würde. Es war meins wie meine rechte Hand.

Fotografie oder Malerei? Auf den ersten Blick ist dies bei den Bildern von Helmut Ditsch nicht unbedingt immer gleich zu sehen – aber immer zu spüren. Hier zu sehen: "Above the Guessfeldt Glacier". (www.helmut-ditsch.com)
Fotografie oder Malerei? Auf den ersten Blick ist dies bei den Bildern von Helmut Ditsch nicht unbedingt immer gleich zu sehen – aber immer zu spüren. Hier zu sehen: "Above the Guessfeldt Glacier". (www.helmut-ditsch.com)

Ich wurde in einer Umgebung geboren, in der man Kunst sehr bewusst wahrgenommen hat, aber sie nur konsumierte. Ich wurde aber nicht in eine kunstschaffende Familie hineingeboren. Mit 11 Jahren hatte ich schon bemerkt, dass ich eine sehr musische Ader habe. Außer Malerei hatte ich viele Interessen von Musik über Architektur bis hin zu bildender Kunst. Keiner in meiner Familie konnte sehen, dass ich ein Künstlertalent habe. Ich bin in eine HTL gegangen, hätte mir aber eine Kunstschule gewünscht. Erst mit 18 Jahren habe ich beschlossen, dass die Malerei mein Beruf sein wird; der Ruf in mir wurde immer lauter, dass ich das machen muss. Dann bin ich zu meinem Vater gegangen und habe ihm gesagt, was ich machen möchte. Mein Vater, der ein großes Herz hatte, antwortete mir: „Du wirst damit nie Geld verdienen, aber Du wirst glücklich sein.“ Da ist eine große Last von mir abgefallen. Nachdem ich meinen Eltern gegenüber keinen Druck mehr verspürte, hatte, hatte ich auch nicht den Druck gegenüber meinem Beruf. So konnte ich mich ganz frei als Maler entwickeln. Ich sage bewusst „Maler“, nicht „Künstler“, weil mir schon als Autodidakt klar war, dass man zwar mit Talent geboren wird, aber Künstler nur durch das eigene Schaffen wird. Wenn man an einer Kunsthochschule studiert, heißt das noch lange nicht, dass man ein Künstler ist.

ETD: Die Ausübung des Handwerks ist also notwendig für einen Künstler?

Helmut Ditsch: Ich bin Maler, und der Maler braucht die Erfahrung und die Praxis, weil wir die Kreativität nur über die Beherrschung unserer Hände zeigen können. Wir können nicht nur in Form von abstrakten Gedanken eine tolle Geschichte kreieren, sondern wir müssen sie auch auf die Leinwand bringen. Dafür ist es notwendig, dass man viele Jahre Erfahrung hat. Das heißt, wir müssen Interpreten und Autoren sein; wir müssen virtuose Autoren und virtuose Interpreten sein. Ein Musiker kann virtuose Musik schaffen, ohne sie spielen können zu müssen. Natürlich, der reine Musiker wird ein Instrument spielen, damit sich seine Seele entfalten kann; nur ist das nicht so notwendig wie beim Maler.

ETD: Warum malen Sie Landschaften?

"Aconcagua", ein Berg in Argentinien. (www.helmut-ditsch.com)
"Aconcagua", ein Berg in Argentinien. (www.helmut-ditsch.com)

Helmut Ditsch: Mein Thema waren immer Landschaften. Eine Urlandschaft hat sich da herauskristallisiert. Es ist eine innere Welt, die ich da male, auch eine spirituelle – vielleicht auch Ihre Welt. Ich versuche eine gemeinsame Sprache zwischen den Menschen zu finden und diese Sprache auch zu malen. Es ist nicht so, dass ich nur für mich in einem Ego-Trip meine Spinnereien produziere; ich fühle mich den Menschen gegenüber verpflichtet.

Warum ich mit der Natur so konfrontiert wurde, hat mit dem Tod meiner Mutter in meiner frühesten Kindheit zu tun. Ich konnte den Tod meiner Mutter nicht mit der Erklärung, die Mutter sei in den Himmel gegangen, akzeptieren. Das war für mich eine existenzielle Frage. Das war auch der Grund, warum ich den Drang hatte, in der Natur diese Antwort zu suchen.

ETD: Der Aufstieg auf den Aconcagua war für Sie ein besonderes Erlebnis, können Sie darüber etwas erzählen?

Helmut Ditsch: Er war für mich die erste Begegnung mit den Naturelementen. Der Aconcagua ist der höchste Berg Argentiniens und war für mich und meine Geschwister eine große Herausforderung, weil wir mit diesem Berg aufgewachsen sind. Wir haben diesen Berg immer von weitem bewundert und unser Vater hat davon geträumt, diesen Berg zu besteigen. Wir haben diesen Traum dann verwirklichtwahr gemacht. Nach der reinen Jugendspielerei, die zu Extremen treibt, gab es diese Offenbarung, als ich oben am Gipfel war: ich habe mich reich gefühlt; ich habe nichts mehr gebraucht als das. Das war der glücklichste Moment in meinem Leben. Dort habe ich verstanden, dass der Tod ein Prozess ist, der zum Leben gehört, dass das alles ein Kommen und Gehen ist. So wie ich dort hinaufgestiegen bin, gehörte es auch dazu, dass ich wieder hinabstieg. Ab diesem Zeitpunkt habe ich meine religiöse Ader gefunden. Das heißt nicht, dass ich ein Gläubiger bin, ich bin nach wie vor kein Gläubiger. Aber meine Haltung gegenüber dem Leben ist von größter Demut und Dankbarkeit geprägt. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich lebe, sondern es ist eine große Chance, dass ich lebe, und so sehe ich mich auch als einen religiösen Menschen. Was ich male, hat auch mit sakraler Kunst zu tun.

ETD:
Es ist ungewöhnlich, dass Sie in der heutigen Zeit diesen Erfolg haben…

"Point Of No Return". (www.helmut-ditsch.com) "Point Of No Return". (www.helmut-ditsch.com)

Helmut Ditsch: Ich profitiere von der Armut der zeitgenössischen Kunstsituation. Es gibt eine Armut bei den Kunstschaffenden. Diese ästhetische und künstlerische Armut kommt mir zugute, weil ich da leichtes Spiel habe. Ich brauche keine Mediatoren, ich brauche keine Übersetzer, das Publikum kann mich direkt konsumieren. Und dann möchte ich schon sagen, dass ich etwas Ursprüngliches im Menschen anspreche; das geht über die Form und hat nichts mit Photorealismus zu tun.

ETD: Bei der Buchmesse in Buenos Aires ist ein blinder Mann zu Ihrem Bild hingegangen und hat es einfach nur wahrgenommen. Das beweist sehr stark, dass es in Ihren Bildern etwas Universelles geben muss, das die Menschen anspricht.

Helmut Ditsch: Das ist schwer zu beschreiben. Es ist offensichtlich eine Schwingung, eine Energie, die entlang einer bestimmten Wellenlänge läuft. Ich habe typische Photorealismustechniken probiert. Der Hyperrealismus ist nie zur großen Kunst geworden, weil er in Wirklichkeit keine große Kunst war. Man hat die spirituelle Ebene vergessen. Es ging nur um die Form und um die Effekthascherei. Ich denke, dass ich etwas anderes mache. […] Ein Blinder, der mit seiner Mutter gekommen ist. Das war für mich einer der ergreifendsten Momente meines Lebens, dass dieser Herr extra gekommen ist, um meine Bilder wahrzunehmen ohne sie anzufassen!

Das Interview führte Florian Godovits

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 6 (2. Feb. – 12. Feb. 2008)



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